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Politik

Griechenland: Kein Vertrauen in die Medien

8. Juli 2019

Die Griechen haben eine neue Regierung gewählt. Doch der Glaube in das demokratische System ist tief erschüttert. Dies zeigt sich auch im Misstrauen gegenüber den Medien.

Griechenland Parlamentswahl in Athen
Stellt die Regierung: Griechenlands Nea DemokratiaBild: picture alliance/dpa/Sputnik/K. Ntantamis

Dimitris Boutsikos studiert Journalismus aus Überzeugung. Kein einfacher Beruf in Griechenland in diesen Zeiten. Das Vertrauen der Menschen in die Medien ist an einem Tiefpunkt angelangt. "Bei vielen Zeitungen und anderen Medien ist klar erkennbar, welche Partei sie unterstützen", bemängelt der 20-Jährige aus Athen. Auch deswegen wenden sich viele Leute von den traditionellen Medien in Griechenland ab.

Für den angehenden Journalisten sind die engen Verstrickungen zwischen Politik und den Medien einer der Hauptgründe für die Medienkrise in Griechenland. Viele seiner Landsleute sehen das ähnlich. "Ich informiere mich bei Freunden und bei der Arbeit über die politischen Geschehnisse", sagt eine 56-jährige Frau aus Thessaloniki, nachdem sie wählen war. Den Medien schenke sie keinen Glauben. "Die Sender richten die Geschehnisse so aus, wie sie das gerade brauchen. Sie richten sich nach der Partei, von der sie Geld bekommen." Ähnlich sieht das ein 33-jähriger Verkäufer. Auch er sammelt Informationen im privaten Umfeld. "Ich bilde mir meine eigene Meinung und tausche mich mit Freunden aus."

Berichterstattung für Freunde

Stellenweise kam es in der Berichterstattung im zurückliegenden Wahlkampf zu Vorfällen, die die  Kritik vieler Griechen an ihren Medien bestätigen. Keine 24 Stunden bevor die Wahllokale öffneten, veröffentlichte Evangelos Marinakis, Industrieller und Medienmogul, einen Brief, in dem er alle Griechen aufforderte, zur Wahl zu gehen. Er rief eine "neue Epoche" aus, ohne "Lügen und gefährlichen Populismus”. Es gehe um die Verhinderung des "Ausverkaufs des Vaterlandes". Marinakis, Trauzeuge und enger Freund des neu gewählten Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis, machte dafür den noch amtierenden Regierungschef Alexis Tsipras verantwortlich - persönlich.

Dimitris Boutsikos will als Journalist das Vertrauen der Menschen zurückgewinnen.Bild: DW/F. Schmitz

Marinakis ist als Großreeder einer der reichsten und einflussreichsten Männer Griechenlands. Er besitzt den Fußballclub Olympiakos sowie verschiedene Fernsehsender und Printmedien, darunter auch die Zeitung Ta Nea. Diese vertrat eine eher sozialdemokratische Position, wendete sich nach der Übernahme durch Marinakis dann aber einer konservativen Agenda zu.

Eine Vielzahl der privaten Medien in Griechenland steht der bisherigen Regierungspartei Syriza und Parteichef Alexis Tsipras vor allem kritisch gegenüber. In einem Interview für den Fernsehsender SKAI musste sich der amtierende Ministerpräsident harten Fragen stellen. Für seinen konservativen Herausforderer Kyriakos Mitsotakis ging es deutlich milder zu. Ein Versprecher der Moderatorin Sia Kossioni, die den Chef der Nea Demokratia versehentlich als Kyriarcho Mitsotaki vorstellte - zu deutsch: Herrscher Mitsotakis - sorgte für heitere Stimmung. Kritische Fragen musste sich Mitsotakis nicht gefallen lassen. Vielleicht auch, weil Kossioni die Ehefrau seines Neffen Kostas Bakoyannis ist, dem frisch gewählten Bürgermeister von Athen.

Schlammschlacht blieb aus

Trotz dieser Vorfälle bewertet Panagiotis Paschalidis, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei ELIAMEP, der griechischen Stiftung für Europäische und Auswärtige Politik, die Berichterstattung zum Wahlkampf und den Wahlen am 7. Juli als tendenziell positiv: "Es ist ermutigend, dass trotz der besorgniserregenden Erwartungen kein allzu skandalöses Klima vorherrschte. Im Gegenteil, es gab Kontroversen auf der Ebene von Programmen. Hier scheinen die Medien eine positive Rolle gespielt zu haben, da sie die öffentliche Debatte nicht in eine extreme und aggressive Richtung getrieben haben."

Der neue Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis verspricht den Griechen ein starkes WachstumBild: DW/F. Schmitz

Trotzdem sei die Situation der griechischen Medien schwierig. Auf dem Index für Pressefreiheit liegt Griechenland gerade einmal auf Platz 65 - vor Niger und hinter Kroatien. Vor allem die Krisenjahre hätten die Medienwelt gespalten. Zwar habe es auch in dieser Zeit immer Journalisten gegeben, die kritisch berichtet hätten, doch die wirtschaftliche Lage habe die freie Berichterstattung deutlich erschwert. "Augenscheinlich waren während der Wirtschaftskrise viele Journalisten gezwungen, sich weitgehend den Positionen anzupassen, die durch die Eigentümer den Medien vorbestimmt wurden. Es gibt aber Anzeichen, dass sich dieser Trend umkehrt."

Misstrauen auch ins politische System

Auch Nikos Panagiotou, Professor am Institut für Medienwissenschaften an der Universität Thessaloniki, sorgt sich um das schwindende Vertrauen in die professionellen Medien - nicht nur in Griechenland. "Die Krise der Medien in Europa ist kein Phänomen der letzten Jahre. Diverse Studien zeigen, dass das Vertrauen in die Leitmedien bereits seit 2005 kontinuierlich abnimmt."

Nikos Panagiotou sorgt sich um das sinkende Vertrauen in die professionellen Medien.Bild: DW/F. Schmitz

Dabei aber beschränke sich das Misstrauen nicht auf die Medien selbst, sondern hänge eng zusammen mit einem tiefen Misstrauen gegenüber dem politischen System und dessen Institutionen. In Griechenland sei dieses Problem besonders ausgeprägt. "Die Wahrnehmung der Menschen, dass Politik und Medien zu eng untereinander verbunden sind, führt dazu, dass man sich alternativen Informationsquellen zuwendet, die wesentlich schlechter sind. Eine erschreckende Anzahl an Menschen schenkt dann blind irgendwelchen Blogs Glauben, die noch viel stärker mit bestimmten Interessengruppen verflochten sind."

Natürlich verhielten sich die Medien längst nicht immer so kritisch, wie es sein müsste. Für ihn aber ist ihr Ruf schlechter als die Realität. "Die Medien sind Teil des politischen Systems, von daher sind Beziehungen zur Politik natürlich. In Zeiten, als Geld da war, haben die Medien sich nicht genügend abgegrenzt, so dass sich das Bild in den Augen der Bürger verschlechtert hat. Die Medien müssen jetzt zeigen, dass sie objektiv berichten können. Wir müssen genau hinschauen: Wer macht gute Arbeit und wer nicht?"

Der Wahlsieger - Der konservative Kyriakos Mitsotakis braucht keinen KoalitionspartnerBild: picture-alliance/AP Photo/P. Giannakouris

Junge Journalisten im Austausch

Für den Studenten Dimitris Boutsikos ist überdies klar, dass gerade die junge Journalistengeneration viel zu bieten hat. Und: sie schauen über ihren Tellerrand hinaus. In einem Sommerprogramm der Uni Thessaloniki treffen 40 angehende Medienmacher aus der ganzen Welt aufeinander, unter ihnen auch Boutsikos. Für seine Zukunft wünscht er sich weniger Medien und dafür mehr Qualität. Er will hinter seiner Arbeit stehen und sich der Öffentlichkeit verpflichten: "Wir müssen in Griechenland das schwindende Vertrauen der Menschen zurückgewinnen. Und das geht nicht, wenn wir die bestehende Situation nicht verändern."

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