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Mit dem Schiff zum Geldautomaten

Jannis Papadimitriou, Athen9. Juli 2015

In Griechenland wird das Bargeld rar. Einige Inselbewohner müssen lange Schiffsreisen antreten, um an ihr Geld zu kommen. Ladenbesitzer fürchten um ihre Sicherheit. Aus Athen Jannis Papadimitriou.

Zwei Frauen vor einem Geldautomaten (Foto: Socrates Baltagiannis/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Baltagiannis

Weinhändler Dimitris macht sich große Sorgen. An der Kasse stapeln sich Belege von Kreditkartenabrechnungen, es geht um beträchtliche Summen: "Am Wochenende hat eine Dame Wein und Spirituosen für eine Hochzeitsfeier im Wert von 650 Euro gekauft und mit ihrer Karte bezahlt. Ein Bistro-Inhaber hat Flaschenweine für 350 Euro bestellt und ebenfalls mit Karte bezahlt." Doch weil die Banken geschlossen sind und die Staatspleite droht, befürchtet er, "dass der Kartendienst irgendwann komplett zusammenbricht und wir dann hier auf unbezahlten Rechnungen sitzen bleiben." Aber er habe keine andere Wahl: "Ich bin ja dringend auf Kundschaft angewiesen."

Früher hätten seine Kunden meistens bar gezahlt - und dabei nicht jeden Cent zweimal umgedreht, erinnert sich Dimitris im Gespräch mit der DW. Doch das Bargeld sei rar geworden seit die Banken per Ministerialerlass zwangsgeschlossen wurden. Für den Weinhändler bedeutet die Bargeld-Knappheit eine doppelte Herausforderung: Seine eigenen Einnahmen würden in die Zukunft verschoben; dabei müsse er selbst bar bezahlen bei den Großhändlern. Die wollten jedes Risiko vermeiden und lieferten mittlerweile nur noch gegen Vorkasse. Und das ist nicht alles: "Da der Großhandel Treibstoff sparen will, werden Mindestgrenzen für den Wert einer Bestellung eingeführt. Sonst wird einfach nicht geliefert."

Nur noch 60 Euro täglich - wenn man Glück hat

Seit dem 28. Juni sind die griechischen Kreditinstitute geschlossen, nachdem sie in den vergangenen sechs Monaten ein Viertel ihrer Einlagen verloren hatten. Die Schuld für die Zwangsschließung schiebt Athen auf die internationalen Kreditgeber, die sich weigerten, ihre Finanzhilfen für das krisengeplagte Land zu verlängern. Ursprünglich versprach Ministerpräsident Alexis Tsipras, die Banken würden nach dem Referendum über die Sparauflagen wieder öffnen, doch es kam anders: Am Montag wurde die Bankenschließung zunächst für 48 Stunden verlängert, am Mittwoch gab es eine weitere Verlängerung. Bis einschließlich Montag sollen die Banken geschlossen bleiben. Bis dahin darf jeder Bankkunde am Geldautomat höchstens 60 Euro pro Tag abheben.

Viele Griechen feierten das "Nein" im Referendum zum Sparprogramm - doch es ist unklar, wie es im Land weitergehtBild: Reuters/Y. Behrakis

Im Athener Stadtteil Pangrati wartet Maria vor einer Filiale der Alpha-Bank auf ihre 60 Euro. Die Schlange vor dem Geldautomaten ist hier nicht lang, vielleicht liegt das auch an der abschreckenden Hitze von 35 Grad. Da will Maria die Gunst der Stunde nutzen und später gleich gegenüber zur "Nationalbank von Griechenland" laufen. Auch dort hat sie ein Konto, auch dort wären am gleichen Tag 60 Euro fällig. Doch zunächst einmal muss sie ihre 60 Euro von der Alpha-Bank holen. Und sie weiß schon jetzt: Es werden weniger als 60 Euro. "Wenn du 60 Euro am Automaten anforderst, kommt die Benachrichtigung: 'Die gewünschte Summe kann leider nicht ausgezahlt werden.' Und dann bekommst du nur 50 Euro", sagt sie. Woran das liegt? "Dem Vernehmen nach sind kaum noch 10-Euro-Scheine im Umlauf. Deshalb kann die gewünschte Summe nicht zusammengesetzt werden und wir bekommen nur 50 statt der versprochenen 60 Euro. Aber so genau weiß man das nicht, die Bank ist ja geschlossen und wir können niemanden fragen", klagt die 50-Jährige. Und schlimmer noch: "Niemand weiß, wo es lang geht und wie lange die Bankenschließung wirklich dauert. Vielleicht nur drei Tage, vielleicht auch Monate..."

Anda sieht das ganz anders: "Ich bleibe optimistisch und vertraue unserer Regierung", sagt sie wie aus der Pistole geschossen. Geduldig, fast lächelnd, wartet sie in der Schlange. Die Welt gehe mit Sicherheit nicht unter, wenn die Banken für ein paar Tage schließen, erläutert die Lehrerin. Man müsse in Ruhe abwarten und sich nicht verrückt machen lassen.

Keine Geldautomaten auf einigen Inseln

Auf einigen griechischen Inseln kommt das Wirtschaftsleben durch die Bankenschließung völlig zum Erliegen. Maria Kakkali, Bürgermeisterin der entlegenen Insel Aghios Evstratios, berichtet im TV-Sender Skai von den Absurditäten des Alltags: "Auf unserer Insel gibt es zwar eine Bank, die derzeit geschlossen ist, aber keinen einzigen Geldautomaten. Wer seine 60 Euro abheben will, muss zweieinhalb Stunden mit dem Schiff zur nächstgelegenen Insel Lemnos fahren und dort Schlange stehen." Praktisch sieht das so aus: Auf Aghios Evstratios werden Bankkarten eingesammelt und wer nach Lemnos fährt, bringt auch für die anderen Bargeld mit.

Wie es weiter geht, weiß niemand. Presseberichte über eine Parallelwährung und verschärfte Kontrollen bei der Ausfuhr von Bargeld weist die Regierung zurück. Schon heute dürfen Geldüberweisungen ins Ausland nur noch mit Genehmigung einer Sonderkommission getätigt werden. Vieles hängt davon ab, ob eine Einigung mit den Gläubigern Griechenlands zustande kommt. Weinhändler Dimitris hofft jedenfalls, dass sich die Lage normalisiert. Wenn nicht, würde er um seine Sicherheit fürchten: "Gestern Nacht wurde im Kiosk hier um die Ecke eingebrochen, dort hat jemand wahrscheinlich verstecktes Bargeld vermutet. Wer weiß, wann und wo diese Leute das nächste Mal zuschlagen."

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