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Politik

Hilfe und Ursachensuche nach dem Feuer

26. Juli 2018

Nach den verheerenden Bränden in der Nähe von Athen steht Griechenland unter Schock. Doch es ist nicht erstarrt: Menschen aus dem ganzen Land helfen den Opfern. Florian Schmitz aus Thessaloniki.

BG Griechenland Verheerende Brände
Helfer bringen den Brandopfern Lebensmittel Bild: picture-alliance/AP Photo/Y. Karahalis

Tag zwei nach der Katastrophe. Die Bilanz ist erschreckend: 81 Tote, mehr als 200 Verletzte, darunter auch Kinder. Das Feriendorf Mati östlich von Athen ist nicht mehr bewohnbar. Rettungsteams gehen davon aus, dass die Opferzahlen noch steigen. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir noch Menschen finden in Häusern, an die wir bisher nicht herangekommen sind", sagt ein Feuerwehrmann. Bilder von verbrannten Dörfern und Landstrichen beherrschen das Internet: Verzweifelte Menschen irren ungläubig durch Aschefelder. Einige sind auf der Suche nach Angehörigen. Viele haben alles verloren.

Am Freitag endet die von Ministerpräsident Alexis Tsipras ausgerufene dreitägige Staatstrauer. Allen würde man helfen, versprach er in seiner Fernsehansprache - und keine Fragen würden unbeantwortet bleiben. Eine Botschaft an die Menschen, die sich schon am Montag auf die Suche nach Schuldigen gemacht hatten. Viele Menschen in Griechenland werteten die Worte des Regierungschefs als Zensur. "Warum soll man nicht schon jetzt damit beginnen, über Verantwortung zu diskutieren?" , schreibt ein Journalist auf Facebook.   

Solidarität im ganzen Land

Für die meisten Menschen geht es zurzeit noch darum, den Opfern zu helfen. Bereits während der Katastrophe hatten Supermarkt- und Café-Ketten kostenlos Wasser und Essen bereitgestellt. Hunderte Menschen in ganz Griechenland spenden Lebensmittel, Kleidung und Medikamente. In den sozialen Medien kursieren Aufrufe zum Geld- und Blutspenden. In den spontan eingerichteten Hilfszentren biegen sich die Tische unter den vielen Hilfsgütern. Das Land steht unter Schock, ist aber nicht estarrt.

Es ist eine der Stärken Griechenlands, in Momenten, in denen die Verzweiflung am größten ist, Hilfe zu einer Selbstverständlichkeit zu machen. "Man kann doch die Menschen nicht allein lassen in ihrem Elend", sagt eine 48-jährige Frau aus Thessaloniki. Sie trägt zwei Tüten mit Lebensmitteln zum Messegrundstück, nachdem sie in einer Lokalzeitung gelesen hatte, dass hier Hilfsgüter angenommen werden. Diese Gesten der Menschlichkeit erinnern an den Umgang mit Geflüchteten in den Jahren 2015 und 2016. Aus Erfahrung hat man in Hellas wenig Vertrauen in den Staat, gerade in Situationen, in denen Hilfe schnell und unbürokratisch über die Bühne gehen muss. Eigeninitiative ist hier nicht reine Nächstenliebe, sondern ein Überlebensmechanismus. 

Orthodoxer Bischof: Feuer als Gottesstrafe

Ab Freitag wird es dann darum gehen, die Ursachen zu klären. Wirklich klar ist nur Eines: Das staubtrockene Wetter und Temperaturen um die 40 Grad haben ideale Voraussetzungen für den Brand geschaffen. Starke Windböen fütterten die Flammen und verbreiteten das Feuer so schnell, dass es für die Rettungskräfte kaum möglich war, Schlimmeres zu verhindern. Viele Menschen reden von Brandstiftung. In der Tat wäre dies nichts Neues. Nicht nur in Griechenland, sondern auch in Ländern wie Italien, Spanien und Portugal werden Brände gelegt, um in geschützten Gebieten Grundstücke für den Immobilienmarkt zu schaffen. Auch denkbar sind gedankenlos fallen gelassene Zigarettenstummel oder Glasmüll als Brandursache - doch im Moment sind das nur Spekulationen.  

Nur der orthodoxe Bischof Amvrosios aus dem südgriechischen Kalavrita schien bereits am Montag genau zu wissen, wer für die Katastrophe verantwortlich ist. Auf seinem Blog veröffentlichte er eine Stellungnahme, in der er die Feuer als eine Gottesstrafe für den atheistischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras beschrieb. Ungewöhnlich hart verurteilten ihn viele Griechen für diese Unterstellung. Auch die Kirche selbst distanzierte sich von Amvrosios. Ein junger Priester erklärte öffentlich: "Er soll endlich das Maul halten."

Nach dem Feuer droht das politische Beben

Abgesehen von Amvrosios' falscher Prophezeiung ist man derzeit vor allem mit Katastrophenmanagement beschäftigt. Auch Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis hat sich bisher zurückgehalten. Normalerweise lässt er keine Gelegenheit aus, um Tsipras zu diskreditieren. Trauerveranstaltungen, Gespräche mit Opfern und Helfern: Mitsotakis ringt nach vielen verlorenen politischen Kämpfen um Sympathiepunkte beim Volk. Im nächsten Jahr stehen Parlamentswahlen an. Doch die Gegner des amtierenden Ministerpräsidenten hoffen darauf, den Termin nach vorn zu legen.

Feuerwehrleute und Freiwillige im Kampf gegen die Brände in der Nähe von AthenBild: picture-alliance/dpa/AA/A. Mehmet

Ein Gesetz könnte sie diesem Wunsch einen Schritt näher bringen. Nikos Sachinidis, Leiter der "Körperschaft der Griechischen Freiwilligen Feuerwehr und Wiederaufforstung" (ESEPA), hat im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schwere Vorwürfe gegen die Regierung erhoben. Seine Organisation ist spezialisiert auf Waldbrände. Doch ein Gesetz aus dem Jahr 2014 verbietet es der Freiwilligen Feuerwehr in Griechenland, aus eigener Initiative einzugreifen. Brandbekämpfung bleibt der Berufsfeuerwehr vorbehalten, die wegen der Krise chronisch unterbesetzt ist. Sachinidis gibt zu bedenken, dass die Katastrophe mit geschulten Freiwilligen glimpflicher hätte ausgehen können.

Obwohl dieses Gesetz noch von Tsipras' Vorgänger und Mitsotakis' Parteifreund Antonis Samaras erlassen worden war, könnte sich für den amtierenden Ministerpräsidenten daraus ein Skandal entwickeln. Im August endet das Kreditprogramm und Tsipras bemüht sich, dies als politischen Erfolg zu verbuchen. Gleichzeitig ist das zögerliche wirtschaftliche Wachstum für die meisten Griechen kaum spürbar. Auch werfen ihm viele vor, die Einigung im Namensstreit mit Mazedonien auf Kosten der griechischen Geschichte und gegen den Willen der Bevölkerung durchgesetzt zu haben. Die Stimmung ist angespannt. Und: Emotionen wiegen schwerer als Fakten. Die nächsten Tage werden zeigen, wie die Politik auf die Katastrophe reagiert. Fest steht: Griechenland ist im Dauerwahlkampfmodus und die Brandkatastrophe wird ein politisches Nachspiel haben.

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