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Reise

Der schlimmste Schlag seit der Finanzkrise

Susan Bonney-Cox | Anne Termèche
26. September 2019

Die griechische Insel Kreta trifft die Pleite von Thomas Cook besonders hart. Der Tourismuskonzern dominierte das Geschäft, die Hoteliers fürchten Einbußen in Millionenhöhe. DW-Reporterin Susan Bonney-Cox war vor Ort.

Griechenland Anzeigetafel im Terminal Flughafen Heraklion
Bild: picture-alliance/Markus Mainka

Mittwochvormittag auf Griechenlands zweitgrößtem Flughafen, Heraklion. An normalen Tagen ähnelt er einer Versuchsanordnung der Chaostheorie: Riesige Warteschlangen in den Abfertigungshallen, Menschenmassen, die einchecken wollen oder auf die Sicherheitskontrolle warten.

Am diesem Mittwoch zeigt sich ein anderes Bild. Es ist vergleichsweise ruhig. Neu im Check-in-Bereich sind die zivilen Flugbegleiter, die Großbritanniens Regierung entsandt hat. Sie sind leicht an ihren gelben Westen zu erkennen. Sie stehen bereit, um Reisende zu beraten, die nach Großbritannien zurückfliegen wollen. Auch Mitarbeiter des Bodenpersonals sorgen dafür, dass den Passagieren geholfen wird.

Die britische Regierung wird schätzungsweise 150.000 gestrandete Touristen aus aller Welt zurückbringen. Es ist die größte zivile Rückholaktion in Friedenszeiten. Bild: DW/S. Bonney-Cox

Am Flughafen herrscht britische Gelassenheit

Die Urlauber in der Warteschlange wirken erstaunlich entspannt und auf die Frage, wie sie mit der Nachricht der Thomas-Cook-Pleite umgegangen sind, zeigen sie britische Gelassenheit: "Was nützt es, sich Sorgen zu machen", seufzt eine Dame aus Birmingham und fügte hinzu: "Wir können nichts ändern." Ihre Freundin bekräftigt: "Wir versprachen uns gegenseitig, uns keine Sorgen zu machen, weil wir wussten, dass wir nach Hause kommen würden, so oder so. Das Einzige, was wir seit Montag machen, ist, das Internet zu checken, um auf dem Laufenden zu bleiben."

Als sie erfahren, dass dieser Bericht für die Deutsche Welle bestimmt ist, heben sie zu einem Loblied auf die Bundesregierung an, die Condor, eine der deutschen Töchter von Thomas Cook, mit einem Überbrückungskredit in Höhe von 375 Millionen Euro unterstützen will. Sie beklagen im gleichen Atemzug, dass die britische Regierung für Thomas Cook nicht dasselbe tut. Der britische Premierminister Boris Johnson sagte, die britische Regierung solle Thomas Cook nicht aus der Patsche helfen und argumentierte, dass dies ein "moralisches Risiko" schaffen würde, da andere Unternehmen in Zukunft eine ähnliche Behandlung erwarten könnten. Die beiden Damen geben mir auch gleich mit auf den Weg, dass sie keine Anhänger des Brexit seien. Für sie ein wesentlicher Faktor für den Niedergang von Thomas Cook .

Bald wieder zu Hause - diese gestrandete Touristen auf Kreta bleiben gelassen.Bild: DW/S. Bonney-Cox

Eine Familie Chester zieht für sich Konsequenzen. In Zukunft wollen sie nur noch Flüge bei namhaften Fluggesellschaften buchen und ihr Hotel online buchen. Pauschalreisen gehören für sie der Vergangenheit an.

Alles wie gehabt

Ich frage beim Management des Flughafens Heraklion nach. Eine Veränderung im Tagesgeschäft sei noch nicht spürbar, heißt es. Die britische Regierung habe unverzüglich zivile Flugbegleiter entsandt, die sich um die gestrandeten Touristen kümmerten, so dass der Flughafen kein zusätzliches Personal bereitstellen musste. Auch über rückläufige Passagierzahlen oder Flüge zeigte sich das Management unbesorgt: "Die Saison endet offiziell am 20. November. Und wir hoffen stark, dass im nächsten Jahr andere Tourismusanbieter die Lücke füllen werden, die die Pleite von Thomas Cook hinterlassen hat."

Gähnende Leere an den Schaltern von Thomas CookBild: DW/S. Bonney-Cox

Nur wenige Thomas-Cook-Mitarbeiter sind an diesem Mittwoch an den Schaltern zu sehen. Sie erzählen mir, dass sie seit  Montag 24 Stunden am Tag im Einsatz sind, um sicherzustellen, dass Urlauber nach Hause kommen. An einem weiteren Gespräch mit der Presse sind sie nicht interessiert.

Hoffen auf das kommende Jahr

Auf Kreta leiden vor allem die Hotels unter der Thomas-Cook-Pleite. Der Präsident der Hotelvereinigung Kretas, Nikos Chalkiadakis, schätzt, dass in den kommenden Tagen 26 Hotels auf Kreta und 48 in Griechenland insgesamt geschlossen werden müssen. Alles exklusive Thomas-Cook-Hotels. "Das ist ein massiver Schlag - so schlimm wie die Finanzkrise vor einigen Jahren."

Nicos Chalkiadakis, Hotelier und Vorsitzender der Hotelvereinigung von Kreta hofft auf die Unterstützung der RegierungBild: DW/S. Bonney-Cox

Die Hoffnung, dass die Katastrophe abgewendet werden könnte, war vergeblich. Thomas Cook hat seit dem 15. Juli 2019 kein einziges seiner Vertragshotels mehr bezahlt. Selbst wenn es den Hotels gelingt, die leeren Zimmer an andere Betreiber zu verkaufen, sind die Verluste immens.

Der 54-jährige Chalkiadakis betreibt fünf Hotels im Küstendorf Stalis an der Nordküste Kretas, etwa 25 Kilometer von Heraklion entfernt. "Die Auswirkungen auf mein Unternehmen werden beträchtlich sein, da Thomas Cook mir etwa 650.000 Euro schuldet.Und ich fürchte, ich werde dieses Geld nie wieder sehen." Er nimmt ständig Anrufe auf seinem Handy entgegen, das immer in Reichweite ist. Denn er leitet eine Delegation, die versucht, mit der griechischen Regierung über Hilfen für die angeschlagenen Hotelbetriebe zu verhandeln.

Auch Chalkiadakis ist überzeugt, dass es bis zum nächsten Jahr viele neue Interessenten gibt, die Thomas Cook ablösen werden. Die Hoteliers hoffen nun auf die Regierung in Athen. Auf eine Befreiung von der Mehrwertsteuer und anderen Steuer- und Sozialversicherungsleistungen, um die Betriebe am Leben zu halten – und damit Arbeitsplätze zu retten.

Von Krise keine Spur - Urlauber auf Kreta genießen Sonne, Sand und MeerBild: DW/S. Bonney-Cox

Glück im Unglück: Die Urlaubssaison geht zu Ende

Ein kurzer Spaziergang von Chalkiadakis‘ Hotel entfernt und man ist am Strand. Hier ist auf den ersten Blick alles wie immer, die Menschen genießen ihren Urlaub. In einer kleinen Hütte verkauft Stephanos Boot- und Paraglidingausflüge. Umsatzeinbußen habe er keine erlitten. "Glücklicherweise ist die Saison fast vorbei, und ich habe meine Jahresziele bereits erreicht. Nächstes Jahr könnte es schwierig werden, falls weniger Touristen kommen." Die Krise werde sich woanders schneller bemerkbar machen. "Wenn Hotels schließen müssen, dann wird die gesamte Infrastruktur darunter leiden. Die Lebensmittelproduzenten, die Landwirte, bis hin zu den Wäscherei- und Reinigungsdienstleistern, alle werden Personal abbauen müssen."

Warten auf Touristen - das kommende Jahr wird zeigen, wie groß der Schaden wirklich istBild: DW/S. Bonney-Cox

Bei einem Spaziergang durch Stalis ist es offensichtlich, dass das kleine Dorf am Meer vom Tourismus lebt. Am Strandboulevard warten Bars und Restaurants auf Kunden. Sie bedienen vor allem deutsche und britische Urlauber. Wie der "Rover's Return Pub", den Kostas mit seiner Frau im britischen Stil betreibt. "Es gibt bereits deutlich weniger Besucher. Nächstes Jahr muss ich vielleicht mein Geschäft und meine Zielgruppe neu erfinden".

 

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