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Griechenland: Reiche Türken bringen Geld

Marianthi Milona z.Zt. Alexandroupolis
16. August 2018

Trotz Krise der Lira reisen türkische Touristen gern nach Griechenland und sorgen dort für volle Kassen. Und das aus gutem Grund. Marianthi Milona berichtet aus Alexandroupolis.

Griechenland Costa Navarino
Bild: DW/I. Anastassopoulou

In der 60.000-Einwohner-Stadt Alexandroupolis tobt der Bär: Die hiesigen Geschäftsleute erleben eine Saison, von der selbst die großen Ägäisinseln nur träumen können. Denn hier gibt es Tourismus das ganze Jahr. "Wir leben hier vorwiegend von türkischen Touristen. Zunächst waren wir alle über die Türken erstaunt und vorsichtig. Inzwischen aber wissen wir: Es konnte uns nichts Besseres passieren", erzählt Kyriakos Stogios und strahlt dabei über das ganze Gesicht.

Sein Fischrestaurant liegt nicht einmal direkt am Wasser, so wie die meisten anderen Lokale seiner Heimatstadt. Und dennoch gilt sein Laden als beliebter Ort für gut betuchte türkische Geschäftsleute und Beamte, die ihre Lira nicht unbedingt dreimal umdrehen müssen, bevor sie sie ausgeben.

Im vergangenen Jahr machten türkische Gäste 80 Prozent des Umsatzes in Alexandroupolis aus. Und auch nach dem Sturzflug der türkischen Lira rechnen die nordgriechischen Geschäftsleute jetzt nur mit einem geringen Verlust. Denn offenbar passieren täglich immer noch unzählige reiche türkische Gäste mit Familie im eigenen Auto den nahen Grenzübergang Kipoi, um ein entspanntes Wochenende in Europa zu verbringen.

Mezedes, Ouzo und kein Erdogan

Dass man es nicht mit dem einfachen türkischen Otto-Normal-Verbraucher zu tun hat, weiß auch Damianos Makarios. Er arbeitet seit 18 Jahren als Kellner und hat die türkischen Gäste genau studiert. "Wenn sie in einem Auto im Wert von 140.000 Euro hier vorfahren, musst du nicht weiter fragen", erklärt der freundliche Mann und läuft zum Nachbartisch, um die nächste Gesellschaft auf türkisch zu begrüßen. "Ich dachte immer, alle sind für Erdogan. Doch die meisten, die herkommen sind es nicht. Und trotz Abwertung der Lira können die meisten hier immer noch günstiger essen als in Izmir oder Bodrum."

Während sie im griechischen Restaurant pro Person mit 30 Euro rechnen müssen, zahlen sie in den kleinasiatischen Küstenstädten bis zu 70 Euro im Restaurant. Viele Türken besuchen Alexandroupolis vor allem wegen der griechischen Fisch-Mezedes. Oder sie genießen unbeschwert Alkohol, der in Griechenland günstiger ist als in ihrer muslimischen Heimat.

Manchmal würden einige gerne offener über die politischen Zustände in ihrer Heimat sprechen, sagt Damianos Makarios: "Da war eine Gruppe hier und sah in den griechischen Nachrichten Erdogan. Das hat sie erzürnt. Sie riefen: Macht die Kiste aus! Wir kommen her, um nichts von ihm zu hören - und sehen ihn bei euch im Fernsehen!"

Hoteldirektor Dimitris Xanthoulis hat sich "komplett auf diese Klientel eingestellt".Bild: DW/M. Milona

Alles was verboten ist

Seine Gäste, sagt Dimitris Xanthoulis, Manager eines 5-Sterne Hotels, kämen auch aus der Türkei, weil sie das Glücksspiel lieben. "Neben unserem Hotel befindet sich das Kasino. Das ist ja in der Türkei verboten. Alexandroupolis hat sich komplett auf diese Klientel eingestellt." Im Hotelbereich machten türkische Touristen bisher ungefähr die Hälfte des Umsatzes aus.

Durch den Fall der Lira befüchtet Xanthoulis aber nur einen geringen Verlust von allenfalls 10 Prozent. Diese Gäste haben offensichtlich für Krisenzeiten vorgesorgt und genügend Euro und Dollar im Sparstrumpf. Xanthoulis: "Sie hoffen allerdings, es kommen keine ausländischen Sanktionen für die Türkei."

Fatma Selim und Alexandra Maladaki sprechen türkisch und verdanken diesem Talent ihre Arbeitsstelle im Hotel.Bild: DW/M. Milona

Finanziell unabhängig, aber nicht frei

Ich hatte erwartet, die türkischen Gäste würden einer Journalistin gegenüber offener über die Situation in der Türkei sprechen. Doch die meisten haben Angst. Sie wollen unerkannt bleiben und nur wenig preisgeben. Bis auf Onur Mustafa. Er ist Stammgast in Alexandroupolis. Aber auch er spricht nur hinter vorgehaltener Hand und möchte seinen richtigen Namen nicht nennen.

"Ich komme aus der 15-Millionen-Metropole Istanbul, weil Alexandroupolis nur 2,5 Stunden von meinem Haus entfernt ist. Wir können hier orientalisch und gleichzeitig europäisch sein. Es gibt zwei Sorten von türkischen Landsleuten. Die einen sind sehr arm, sie sehen überhaupt nichts und wissen nichts. Die anderen sind sehr reich, modern und sehr gut informiert."

Onur Mustafa glaubt an die Wirtschaftsleistung der Türkei und an die türkische Qualitätsarbeit. Vor allem im Elektronik- und im Textilbereich. Außerdem sei es doch momentan günstig, aus der Türkei zu exportieren.

Auch die Belegschaft der Taverne von Kyriakos Stogios lebt gut von den Besuchern aus der Türkei.Bild: DW/M. Milona

Wenn Europa so nah ist ...

Der Absturz der Lira wird nach Ansicht dieses jungen Türken nicht von langer Dauer sein. "Ich komme aber auch deshalb her, weil die Flugtickets nach Europa im Augenblick zu teuer sind. Für mich ist die Anreise mit dem Auto ins europäische Griechenland durchaus eine günstige Alternative zu anderen europäischen Zielen."

Außerdem gäbe es über 20 Millionen Türken, die so reich sind, dass eine geschwächte Lira sie nicht vom schönen Leben abhalten könne, erklärt er. Und von diesen lebt auch der Tavernenbesitzer Kyriakos Stogios noch immer sehr gut: "Dass wir die Krise nicht gespürt haben, verdanken wir in Alexandroupolis definitiv unseren Gästen von nebenan."

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