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Politik

Griechenland: Ruhe nach dem Sturm

27. Januar 2019

Das umstrittene "Prespes-Abkommen" hat in Griechenland für viel Unmut gesorgt. Jetzt ist die Mazedonienfrage offiziell geklärt. Und das Leben in Hellas geht weiter. Aus Thessaloniki berichtet Florian Schmitz.

Griechenland  Statue von Alexander der Größe in Thessaloniki
Bild: Getty Images/AFP/S. Mitrolidis

Seit Freitag Nachmittag gibt es Klarheit zu einem für die Griechen zentralen Thema: Mit einer knappen Mehrheit ratifiziert das Athener Parlament das Abkommen von Prespes. Das bedeutet: Das nördliche Nachbarland wird sich umbenennen in Nord-Mazedonien und ein beinahe 30-jähriger Namensstreit wird ad acta gelegt. Im weit entfernten Athen spielt das Thema nur marginal eine Rolle. In Thessaloniki, der Hauptstadt der griechischen Region Mazedonien, aber wiegt es schwer - vor allem emotional.

Für die Verkäuferin eines Bio-Ladens am Plateia Athonos im Zentrum Thessalonikis bestimmt auch am Wochenende nach der historischen Entscheidung die Routine das Leben. "Irgendwie musste ja eine Lösung gefunden werden", sagt sie. Doch ist sie zufrieden? "Ich bin nicht gerade glücklich darüber, dass sie den Namen Mazedonien verwenden. Aber was soll man machen? Jetzt ist es so und das Leben geht weiter." Ihr Laden ist gut besucht von Touristen. Jedes Wochenende kommen viele Menschen zu ihr und kaufen griechische Qualitätsprodukte - auch Menschen aus dem Nachbarland. Daran wird sich nichts ändern.

Der Alltag ist wieder zurück

Die griechisch-mazedonische Grenze ist nur etwa 40 Minuten von Thessaloniki entfernt. Die vielen Berührungspunkte zwischen den beiden verstrittenen Nationen sind hier besonders spürbar. Strandtouristen und Wochenendbesucher aus Nord-Mazedonien sind zahlreich.

An der griechisch-mazedonischen GrenzeBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Die vielen kleinen Privatunis sind voll von Studenten aus dem Nachbarland. Der Handel zwischen beiden Ländern floriert. Längst haben griechische Unternehmen wie Jumbo oder die Fastfoodkette Goodys jenseits der Grenze Filialen eröffnet. Griechen fahren nach Nord-Mazedonien für preiswertes Benzin, kostengünstige Zahnarztbehandlungen oder einen Kasinobesuch.

Doch gelebte Realität und öffentliche Wahrnehmung driften weit auseinander. Nationalismus und übereifriger Patriotismus beherrschen die Diskussion - und oft auch das Aufeinandertreffen zwischen Menschen aus dem griechischen und dem slawischen Mazedonien. Immer wieder kehrt man in Diskussionen zurück zu einer Schlüsselfigur: Alexander dem Großen.

Ein Mann aus Pella, einem Dorf unweit von Thessaloniki, ist empört über die umstrittene Einigung. Pella war zur Antike die Hauptstadt des mazedonischen Königreichs. Von dort aus ging Alexander der Große auf seine blutigen, in Griechenland gern als Siegeszüge gefeierten Eroberungskriege. "Alles hier ist auf Griechisch geschrieben. Niemand aus dem nördlichen Nachbarland kann auch nur ein einziges Wort lesen", sagt der Mann aus Pella. Für ihn ist der Name Mazedonien nicht verhandelbar. "Sie sind Slawen. Sie hätten sich Vardaskar nennen sollen", echauffiert er sich. Vardaskar basiert auf dem Namen des in Mazedonien entspringenden Flusses Vardar. Vor allem nationalkonservative Stimmen in Griechenland plädieren für diese Lösung.

Lauter Nationalismus - stille Akzeptanz

Der Namensstreit hat in Griechenland viel nationalistisches Sentiment an die Oberfläche befördert. Die Großdemonstration in Athen am vergangenen Sonntag war eine erneute Erinnerung daran, dass vor allem rechte Bewegungen in Griechenland vor dem Hintergrund des "Prespes-Abkommen" Zulauf bekommen. Medien berichteten am Freitag von einem Streit zwischen einem Mazedonier und zwei Griechen. Letztere klauten das mazedonische Nummernschild des Autofahrers, der sich auf dem Weg Richtung Grenze befand. In Thessaloniki zerstörten Unbekannte auf dem Unigelände das jüdische Mahnmal der Stadt. Seit Monaten kommt es regelmäßig zu kleineren Aufmärschen rechter, gewaltbereiter Gruppen, für die die Einigung mit Mazedonien Hochverrat an der griechischen Nation bedeutet.

Im Vorfeld der Abstimmung gab es heftige Proteste gegen das Abkommen mit MazedonienBild: Reuters/A. Konstantinidis

Die meisten Menschen aber nehmen kaum Notiz von solcherlei Vorkommnissen. Aus Angst vor Gewalt oder Übergriffen bekennen sich jedoch auch nur wenige offen für die Einigung mit Mazedonien. "Haben wir uns nicht mit anderen Problemen auseinanderzusetzen?" , fragt eine junge Studentin. Die aus Thessaloniki gebürtige Frau hat genug von den ewigen Diskussionen um einen Namen. "Wir stehen vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen. An vielen Orten der Welt herrscht Krieg. Der Klimawandel macht sich bemerkbar." Den meisten sei doch egal, ob das Nachbarland jetzt Mazedonien heiße oder nicht, meint sie.

Folgen der Entscheidung für die Wahlen

Für Ministerpräsident Tsipras ist die historische Einigung ein außenpolitischer Erfolg. Nach dem Bruch mit dem rechts-konservativen Koalitionspartner Anel, war er auf Stimmen aus der Opposition angewiesen. Die neo-liberale Partei Potami unterstützte ihn. "Das griechische Mazedonien muss sich vor nichts fürchten", erklärte der Partei-Vorsitzende Stavros Theodorakis nach der Abstimmung. Das Parlament habe eine Entscheidung getroffen, die griechische Interessen unterstütze und der Region Stabilität bringe. 

Alexis Tsipras nach der Abstimmung zur Namensänderung - wie hoch sind die politischen Kosten für ihn?Bild: Getty Images/A. Tzortzinis

 Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis sprach dagegen von einem schwierigen Tag für Griechenland. "Ich werde mit aller Kraft versuchen, jene negativen Konsequenzen zu begrenzen, die sich aus dieser Vereinbarung ergeben werden." Man hätte zum ersten Mal die mazedonische Identität und Sprache für die Bewohner des Nachbarlandes anerkannt. Damit hätte sich Tsipras gegen den Willen des Volkes gestellt.

Regulär sollen die Griechen im Oktober an die Urne gerufen werden. Für Tsipras wird sich bis dahin zeigen, welchen Preis er für die historische Einigung zu zahlen hat. Auf den Straßen Thessalonikis nimmt das Leben derweil seinen gewohnten Lauf. Hier hofft man vor allem darauf, dass der Winter bald endet. Dann kommen die Touristen. Und wo genau sie herkommen, spielt im Endeffekt ja doch keine Rolle.

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