1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Schlepper machen wieder Kasse

Pavlos Zafiropoulos glh
17. Dezember 2016

Die Grenze in Nordgriechenland ist seit Anfang 2016 geschlossen. Das bringt das Geschäft der Schlepperbanden in Schwung, denn viele Flüchtlinge suchen ihre Hilfe. Auch in Thessaloniki, wie Pavlos Zafiropoulos berichtet.

Griechenland Flüchtlinge vor wärmendem Feuer im Flüchtlingscamp nahe Thessalonioki
Flüchtlinge in einem Camp nahe Thessaloniki: Viele wollen weiter nach Mittel- und NordeuropaBild: picture alliance/ZUMAPRESS

Vor einem Kebab-Imbiss in der Nähe des Hauptbahnhofs haben sich mehrere kleine Menschentrauben gebildet. Es sind Flüchtlinge, die sich Tee trinkend um ein paar Steckdosen versammelt haben und ihre Smartphones laden. Sie alle kennen diesen Imbiss. Er hat sich in den vergangenen zwei Jahren in einen der Hauptanlaufpunkte für Flüchtlinge entwickelt, die weiter in den Norden Europas wollen und dafür die sogenannte Balkan-Route nehmen wollen.

Evangelia Karanikolas ist die Inhaberin des kleinen familiengeführten Geschäfts. Sie bietet den Menschen, die in den umliegenden leerstehenden Gebäuden und auf dem Bahnhofsvorplatz schlafen, kostenlos den Strom für ihre Handys an, auch dürfen die Flüchtlinge bei ihr das Bad nutzen. Wenn sie es schafft, gibt sie zudem kostenlose Mahlzeiten an die Bedürftigen aus. Und manchen Familien bietet sie in den besonders kalten Nächten sogar einen warmen Schlafplatz an. Kein Wunder also, dass Evangelia Karanikolas keine Unbekannte ist. Ihr Spitzname: "Mammi".

Hier finden Flüchtlinge in Thessaloniki Zuflucht: Ein Imbiss in der Nähe des HauptbahnhofesBild: DW/P. Zafiropoulos

Sie hat vieles miterlebt in den letzten zwei Jahren. Erst die Öffnung der Grenze im Norden Mitte 2015 und dann die Schließung Anfang des Jahres. Auch wenn derzeit Weniger kommen als noch im Sommer 2015, so kommen noch immer Viele: "Es ist ganz egal, wie die Situation an der Grenze ist, die Flüchtlinge werden immer ihren Weg finden", sagt Evangelia Karanikolas. Ein paar der am Imbiss herumstehenden Migranten bestätigen, dass sie derzeit planen, Griechenland an seiner Nordgrenze zu verlassen, um nach Mitteleuropa zu gelangen.

Wer den Tag in dem kleinen Kebabladen verbringt, sieht jedoch nicht nur Flüchtlinge ein und aus gehen. Es gibt auch andere Männer, die durch ihre gepflegte Kleidung auffallen. Einer von ihnen gibt sich als Tourist aus. Mit seinem starken Londoner Akzent erzählt er, er sei bloß in den Imbiss gekommen, um sich mit ein paar anderen Afghanen auszutauschen. Ein paar Stunden später jedoch steht der besagte Tourist in einem nahegelegenen leer stehenden Gebäude und redet heftig auf eine afghanische Familie ein, die bereits ihre Zelte aufgestellt hat für die Nacht. Die Familie hätte erst vor Kurzem versucht, über die Grenze zu kommen, erzählen andere Flüchtlinge, doch die Polizei habe sie in Mazedonien gefasst und zurück nach Griechenland gebracht.

Löchrige Grenzen

"Ich würde sagen, der Menschenschmuggel nimmt zu", sagt ein hochrangiger griechischer Polizeibeamter zur Situation in der Nähe des Kebabladens. Zu den Hauptaufgaben des Beamten gehört die Bekämpfung von Schlepperbanden in Thessaloniki. "Nach der Schließung der Balkanroute gab es eine kurze Periode, die relativ ruhig war." Währenddessen hätten viele Schlepper abgewartet, was passiere, wie sich die Lage entwickele, so der Polizist: "In den letzten Wochen nahmen die Festnahmen wegen Menschenschmuggels wieder zu. Es gibt aktive Organisationen und es gibt Menschen, die über die Grenze wollen. Es ist schlicht eine Sache von Angebot und Nachfrage."

Bilder der Polizei: So bringen Schlepper Flüchtlinge über die GrenzeBild: Griechische Polizei, Thessaloniki

Wie viele Menschen genau über die griechische Grenze geschmuggelt werden, ist unklar. In einem kürzlich erschienenen Artikel des Wall Street Journals werden europäische Einwanderungsbeamte mit der Aussage zitiert, der Aufenthaltsort von rund 13.000 Flüchtlingen und Migranten, die in Griechenland registriert worden waren, sei unbekannt. Griechische und europäische Offizielle sagten der Tageszeitung zudem, dass jede Woche rund 500 Menschen über die nördliche Grenze geschmuggelt würden. Doch Experten betonen, dass es sich bei derartigen Zahlen lediglich um Schätzungen handeln kann.

Nebulöse Netzwerke

Laut Polizei verlangen Schlepper zwischen 800 und 1300 Euro, um einen Flüchtling von Thessaloniki in die serbische Hauptstadt Belgrad zu bringen. Weitere 1500 Euro muss man für den Weg von dort nach Deutschland aufbringen. In den meisten Fällen wird das Geld nicht von den Migranten direkt gezahlt, sondern von den Familien, die oft in vielen Ländern verteilt leben.

Die Preise zeigen nicht nur, dass die Nachfrage nach Schleppern hoch ist, sondern auch, wie schwierig die Grenzüberquerung ist. Als die Grenzen geöffnet wurden, gingen die Preise in den Keller. Von der Schließung profitieren die Schlepper. "Sie haben das auf jeden Fall gefeiert", so der griechische Polizeibeamte, der nicht beim Namen genannt werden will. "Wir haben von Informanten erfahren, dass viele sich freuten, als die Grenzen geschlossen wurden."

Eine von der griechischen Polizei gefasste Bande schmuggelte Menschen in einem LKWBild: Griechische Polizei, Thessaloniki

Die meisten Schlepperbanden seien lose kriminelle Netzwerke, sagt die Polizei. Das macht es einfacher, einzelne Personen festzunehmen. Doch dadurch entstehende Lücken würden auch schnell wieder von neuen Schleppern gefüllt: "Wenn wir eines der Netzwerke besonders hart treffen, dann ziehen sie sich meistens für einige Zeit zurück. Aber sie hören nicht auf", so der griechische Polizeibeamte. Irgendwann kämen die Netzwerke mit neuen Leuten zurück ins Geschäft: "Dieses Phänomen wird nicht aufhören, solange es Menschen gibt, die die Grenze illegal überqueren wollen, solange sie aus ihrer Heimat fliehen aufgrund von Krieg und Armut."

Festung Europa?

Das bestätigt auch die Migrationsexpertin Angeliki Dimitriadi vom Athener Thinktank Elliamep. Es werde immer einen Weg nach Europa geben, so die Forscherin. "Man kann keine 'Festung Europa' errichten, in die kein Mensch mehr unkontrolliert hereinkommt. Das wird nie passieren." Der einzige Weg, das Schlepper-Problem anzugehen, seien legale Wege über die Grenze, so Dimitriadi. Dann bestünde keine Notwendigkeit mehr für Flüchtlinge, sich an Schlepper zu richten. Die Bekämpfung der Banden sei auch wichtig, um die Sicherheit Europas zu wahren, so der griechische Polizeibeamte: "Nicht zuletzt die Anschläge von Paris haben gezeigt, dass Schlepper auch Kriminelle über die Grenze bringen."

Auf politischer Ebene sind die Anzeichen für eine legale Grenzüberschreitung in Nordgriechenland jedoch nicht absehbar. Und so wird das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Schleppern wohl weitergehen - zwischen den Fronten: die Flüchtlinge.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen