1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Griechenland: Tasoulas - erster Präsident ohne Konsens

Kaki Bali (aus Athen)
13. Februar 2025

Vier Wahlgänge brauchte der Kandidat von Regierungschef Mitsotakis, um ins höchste Staatsamt gewählt zu werden. Erstmals seit Jahrzehnten gab es keinen Konsenskandidaten. Wer ist der neue Präisdent Griechenlands?

Ein Mann in einem dunklen Anzug (Konstantinos Tasoulas) steht vor einem holzgetäfelten Hintergrund an einem Rednerpult und spricht in zwei Mikrofone
Der neue griechische Staatspräsident Konstantinos Tasoulas wurde am 12.02.2025 vom griechischen Parlament gewähltBild: Giorgos Kontarinis/ANE/IMAGO

Das neue Staatsoberhaupt Griechenlands heißt Konstantinos Tasoulas. Der Kandidat der Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) wurde am Mittwoch (12.02.2025) im vierten Wahlgang gewählt. Der 65-jährige Jurist erhielt die Stimmen von 160 der insgesamt 300 Abgeordneten. Seine Amtseinführung wird am 13. März 2025 stattfinden.

Direkt nach seiner Wahl sprach Tasoulas von einer "großen Ehre und einer großen Verantwortung". Er wolle mitwirken, die Politik zu stärken, "indem man nach Lösungen sucht, die auf breiter Akzeptanz beruhen und aus einem echten Dialog nicht nur im Parlament, sondern auch in der Gesellschaft hervorgehen". Der erste griechische Präsident, der nicht von einer breiten Mehrheit des Parlaments gewählt und von einer breiten öffentlichen Zustimmung getragen wurde, wollte damit eine Botschaft der Einheit aussenden. 

Präsident ohne Konsens

Tasoulas erhielt die Stimmen der 156 Abgeordneten von Nea Dimokratia und die von vier unabhängigen Abgeordneten: zwei ehemalige Mitglieder der Regierungspartei, einem aus der rechtspopulistischen Elliniki Lysi (Griechische Lösung) und einem von den "Spartiaten", der Nachfolgepartei der verbotenen rechtsextremen Goldenen Morgenröte.

Abgeordnete der Regierungspartei Nia Dimokratia applaudieren im Parlament von Athen nach der Wahl von Konstantin Tassoulas zum neuen Präsidenten Bild: Thanassis Stavrakis/AP/dpa/picture alliance

Die anderen drei Kandidaten, die zur Wahl angetreten waren, konnten sich jeweils nur auf die Zustimmung der Parteien stützen, die sie nominiert hatten. Tassos Giannitsis, der Kandidat der sozialdemokratischen PASOK, erhielt 34 Stimmen, Louka Katseli, der von der linken SYRIZA - oder was davon nach drei Parteispaltungen übrig geblieben ist - ins Rennen geschickt worden war, 29 Stimmen. Der Kandidat der orthodoxen erzkonservativen Partei Niki, Kostas Kyriakou, konnte 14 Stimmen erringen. 39 Abgeordnete enthielten sich, 24 waren bei der Abstimmung absichtlich nicht anwesend - sie wollten Tasoulas ihre Legitimation nicht geben.    

Eine Frage des Vertrauens

Nach dieser Abstimmung muss sich Tasoulas sehr anstrengen, um Vertrauen im Parlament und in der Öffentlichkeit zu gewinnen. Schon am Tag seiner Nominierung (15. Januar 2025) war er umstritten. Dabei galt nicht er selbst als problematisch. Schließlich war er zuvor zweimal - 2019 und 2023 - mit großer Mehrheit als Parlamentspräsident gewählt worden. Umstritten war vielmehr die Entscheidung von Premierminister Kyriakos Mitsotakis, mit der politischen Tradition der letzten 50 Jahre zu brechen und keinen Konsens-Kandidaten zu nominieren. Darum war die Opposition, von extrem rechts bis links, nicht bereit, Tasoulas zu unterstützen.

Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hatte seinen Parteifreund Tasoulas für das höchste Amt im Staat vorgeschlagenBild: One Inch Productions/IMAGO

Seit dem Sturz der Diktatur im Jahr 1974, war es in Griechenland üblich, dass die konservativen Regierungen fast immer einen progressiven Präsidentschaftskandidaten vorschlugen - und linke Regierungen einen konservativen. Mitsotakis aber entschied sich 2025 für einen konservativen Kandidaten, um die eigenen Abgeordneten nicht mit einer liberalen Alternative zu verärgern.

Der griechische Premierminister möchte sich zwar am liebsten als liberaler Reformer präsentieren, doch ein Großteil seiner Partei ist konservativer als er selbst. Gleichzeitig werden die Parteien rechts der ND immer stärker. Um seinen Parteifreunden entgegenzukommen, hatte Mitsotakis eine so konservative Wahl getroffen und die heutige Präsidentin Katerina Sakellaropoulou, die vor fünf Jahren ins höchste Amt des Landes mit 261 Stimmen gewählt wurde, nicht nochmal vorgeschlagen.    

Lange politische Laufbahn

Konstantinos Tasoulas wurde 1959 in der westgriechischen Stadt Ioannina geboren. Er studierte an der juristischen Fakultät der Universität Athen und beschäftigt sich schon seit 1981 mit Politik. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. 

Tasoulas steht dem nationalistischen Flügel der konservativen Nea Dimokratia nahe. Er startete seine politische Karriere als Privatsekretär von Evangelos Averoff, der zwischen 1981 und 1984 Vorsitzender der ND war. Die Arbeit neben dem erzkonservativen Averoff prägte Tasoulas tief. Zum ersten Mal wurde er im Jahr 2000 ins Parlament gewählt und diente unter anderem als Kulturminister und stellvertretender Verteidigungsminister, bis er 2019 Parlamentspräsident wurde. 

Sechs Jahre lang war Konstatinos Tasoulas ParlamentspräsidentBild: Takis Sagias/ANE Edition/IMAGO

Tasoulas war am Anfang seiner politischen Laufbahn nicht unumstritten. Vor seiner Zeit im Parlament war er Bürgermeister des reichen Athener Vororts Kifissia gewesen (1994-2000) und dort von einem Bauunternehmer der versuchten Erpressung bezichtigt worden. Die Klage wurde 2001 eingereicht, als Tasoulas bereits Abgeordneter war und Immunität genoss. Er wies die Vorwürfe als politisch motiviert zurück.

Im Schatten des verheerenden Eisenbahnunfalls

Tasoulas ist gebildet und hat Sinn für Humor. Aber seine wichtigste Eigenschaft ist seine Treue gegenüber seiner Partei und deren Vorsitzendem Mitsotakis. Diese Treue bewies er als Parlamentspräsident oft, besonders im Fall der parlamentarischen Untersuchung des verheerenden Eisenbahnunfalls in Tempi Ende Februar 2023. Damals kamen 57 Menschen ums Leben, die Mehrzahl von ihnen Studentinnen und Studenten.

Demonstration in Athen im Januar 2025 zum Gedenken an die Opfer des Zugunglücks von TempiBild: Sofia Kleftaki/DW

Die Oppositionsparteien und die meisten Angehörigen der Opfer warfen der Regierung von Anfang an vor, alles getan zu haben, um ihre mögliche Verantwortung für den tragischen Unfall zu vertuschen. Parlamentspräsident Tasoulas beschuldigten sie, der Regierung dabei geholfen zu haben.

Die Vorsitzende der Vereinigung der Angehörigen der Opfer von Tempi, Maria Karistianou, die bei dem Unglück ihre Tochter Marti verloren hatte, wirft Tasoulas sogar vor, dass er "sechs Monate lang eine wichtige Akte über das Eisenbahnverbrechen von Tempi in seiner Schublade" aufbewahrt und nicht weitergeleitet habe. 

Konstantinos Tasoulas wird sein Amt fast auf den Tag genau zwei Jahre nach dem Unglück antreten - unter dem Eindruck dieser Vorwürfe und in einer Zeit, in der die überwältigende Mehrheit der Griechen glaubt, dass sie nie Antworten auf die Frage bekommt, wie es zu dieser Katastrophe kommen konnte.