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Politik

Urlaubsparadies in Krisenstimmung

Jannis Papadimitriou
6. Mai 2020

Griechenlands Hoteliers befürchten, dass in Corona-Zeiten keine Touristen mehr kommen. Kaum erholt von der Schuldenkrise, steht Hellas vor einer weiteren harten Bewährungsprobe.

Griechenland-Tourismus
Bild: Jannis Papadimitriou

Jorgos Katikas genießt die sonnigen Frühlingstage und den selbstgemachten Eiskaffee im Garten. Gemeinsam mit seinen Eltern betreibt er eine Herberge in seiner Heimatstadt Rethymnon auf der Insel Kreta - gepflegte Zimmer, Strandnähe, keine Extravaganzen. Anfang Mai sollte Hochbetrieb herrschen, da wären die ersten Buchungen für den Sommer eingetroffen. Doch in Corona-Zeiten ist alles anders. "Noch überlege ich, ob es sich lohnt, in diesem Sommer das Hotel für Gäste überhaupt zu öffnen", sagt Katikas im Gespräch mit der DW. "Aus heutiger Sicht würde ich sagen, es lohnt sich nicht", fügt er hinzu.

Zum einen dürften aufgrund der Reisebeschränkungen kaum Gäste aus dem Ausland kommen. Zum anderen seien aufwendige Hygienemaßnahmen nötig, wobei niemand sagen könne, welche Maßnahmen wirklich erforderlich wären. Im Gespräch ist aber alles möglich - etwa, dass der Frühstücksraum geschlossen wird und das Frühstück aus Hygienegründen aufs Zimmer gebracht wird. "Aber dann müsste ich allein schon fürs Frühstück neue Mitarbeiter anstellen und das kann ich mir nicht leisten", moniert der Hotelbesitzer.

Vermutlich wird Katikas eine wirtschaftlich vernünftige Lösung finden, schließlich ist der Mann studierter Volkswirt. Nach seinem Studium in Athen arbeitete er lange Zeit als Wirtschaftsjournalist für diverse TV-Sender und Printmedien. 2012, auf dem Höhepunkt der griechischen Schuldenkrise, welche auch die Medien mit voller Wucht erwischte, kehrte Katikas nach Kreta zurück. Die Rechnung ist aufgegangen: "Für den Tourismus war das Krisenjahr 2012 eine Katastrophe, doch seitdem geht es aufwärts und wir dürfen jeden Sommer neue Besucherrekorde melden", freut sich der 45-jährige. Gerade der Norden Kretas profitiere von Besuchern aus Skandinavien, die seit zehn oder 15 Jahren der Insel treu bleiben, als hätten sie ihr eigenes Ferienhaus dort, sagt er. Doch in diesem Jahr mache Corona allen Hoteliers einen Strich durch die Rechnung.

Sollte die Sommersaison in Griechenland ins Wasser fallen, könnten über 900.000 Arbeitsplätze in Gefahr seinBild: Jannis Papadimitriou

Angst vor einem Preiskrieg wegen Corona

Wirtschaftlich mache der Hotelbetrieb fast keinen Sinn mehr, klagt auch Alexandros Angelopoulos, Chef der renommierten Hotelkette Aldemar und Generalsekretär des Hotelverbands in Herakleion, der Hauptstadt Kretas. Angelopoulos sagt der DW, vor allem Luxusherbergen in Hellas hätten derzeit ein gewaltiges Finanzierungsproblem. Der Grund: "Viele Gasthäuser wurden über den Winter aufwendig renoviert; die Arbeiten wurden zu 90% bereits abgeschlossen und müssen auch bezahlt werden, doch die erhofften Einnahmen bleiben in diesem Sommer aus". Dazu kämen mögliche Extrakosten für Hygienemaßnahmen in Corona-Zeiten, die der Hotelier bei einem Fünf-Sterne-Haus auf 2 bis 3 Prozent seines Jahresbudgets schätzt.

Und dann gebe es noch ein ganz anderes Problem: "Sollten alle Hotels in Heraklion öffnen und, sagen wir mal, 4000 Betten zur Verfügung stellen, aber nur noch 1000 Gäste bekommen, dann stünden wir vor einem Preiskrieg, der uns alle wirtschaftlich ruiniert". Ausländische Reiseveranstalter würden die Preise nach Belieben drücken, das dürfe einfach nicht passieren. Es gehe darum, Angebot und Nachfrage abzustimmen, erklärt der studierte Betriebswirt. Anders ausgedrückt: "Ich verstehe, dass Reiseveranstalter ihren Job machen, aber das müssen wir ja auch tun".

Während die EU um eine gemeinsame Linie für die Aufhebung der aktuellen Reisebeschränkungen ringt, will Österreich einen ungewöhnlichen Weg einschlagen: Einzelne EU-Mitgliedstaaten könnten sich bilateral einigen und ihre Grenzen öffnen, auch wenn die Reisefreiheit in Europa über den Sommer eingeschränkt bleibt, erklärt Tourismusministerin Elisabeth Köstinger. In Hellas stößt der Vorschlag auf gemischte Reaktionen. Lysandros Tsilidis, Chef des griechischen Reisebüroverbands (FEDHATTA) kritisiert den Vorstoß, der aus seiner Sicht den gemeinsamen EU-Markt aushöhlt. "In diesem Fall würden wir im Tourismusgeschäft wie beim Eurovision Song Contest vorgehen und die uns freundlich gesinnten Länder bevorzugen" moniert der Lobbyist mit einem Hauch Ironie im TV-Interview. Dagegen steht Angelopoulos dem österreichischen Vorschlag aufgeschlossen gegenüber und sagt, wertvolle Zeit sei ohnehin verloren gegangen und eine Einigung aller EU-Staaten würde noch mehr Zeit in Anspruch nehmen. Daher sein Fazit: "Bilaterale Vereinbarungen sind die schnellste und sicherste Möglichkeit, um doch noch etwas zu bewegen". Voraussetzung sei allerdings, dass für alle interessierten Länder gemeinsame Reinigungs- und Hygieneprotokolle gelten.

Der venezianische Hafen von Rethymnon auf Kreta Bild: Jorgos Katikas

Griechenlands Wirtschaftsmotor stottert

Für die Griechen geht es nicht nur um die nächste Sommersaison. Mit 24 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gilt der Tourismus als größter Wirtschaftsmotor des Landes und hat erheblich dazu beigetragen, dass Griechenland die Schuldenkrise einigermaßen intakt überstanden und 2018 das Rettungsprogramm der EU-Partner erfolgreich abgeschlossen hat. Auf Urlaubsinseln wie Kreta oder Rhodos sorgt der Fremdenverkehr mittlerweile für 80 Prozent der Wirtschaftsleistung. Sollte die Sommersaison nun ins Wasser fallen, seien über 900.000 Arbeitsplätze in Gefahr, mahnt Hotelchef Angelopoulos.

Auch Jorgos Katikas macht sich Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft Griechenlands. Dem Wirtschaftsjournalismus hat er nicht ganz abgeschworen. Schon lange vor der Pandemie hat der zweifache Vater sein Homeoffice auf Kreta eingerichtet - und kommentiert heute regelmäßig das Börsengeschehen für Athener Medien. "Den Indexverlauf während der Börsensitzung verfolge ich online, meine Kontakte pflege ich, alles kein Problem" versichert der Ökonom. Ob als Hotelier oder als Analyst - auf die Frage, ob die griechische Wirtschaft eine zweite Depression innerhalb von nur wenigen Jahren überstehen kann, gibt Katikas die gleiche Antwort: "Es wird sehr, sehr schwierig…"