1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Griechenlands ehemaliger Premier Kostas Simitis ist tot

7. Januar 2025

Er galt als Reformer und überzeugter Europäer: Griechenlands ehemaliger Regierungschef Kostas Simitis. Mit 88 Jahren ist der Sozialdemokrat in seinem Ferienhaus am Golf von Korinth nun gestorben.

Ein älterer Mann (Kostas Simitis) in einem dunklen Anzug und einem gestreiften Hemd
Der ehemalige griechische Ministerpräsident Kostas Simitis ist im Alter von 88 Jahren gestorbenBild: Zumapress/imago images

Oft wurde Kostas Simitis unterschätzt, als langweiliger Buchhalter verspottet, von innerparteilichen Gegnern gemobbt. Drei Mal entließ der legendäre Volkstribun und langjährige Regierungschef Griechenlands, Andreas Papandreou, seinen Minister Simitis aus dem Kabinett. Doch jedes Mal sorgte der smarte Jurist für ein unerwartetes Comeback. Die allergrößte Überraschung feierte Simitis im Januar 1996, als er zum neuen Premier und Vorsitzenden der sozialistischen Regierungspartei PASOK ernannt wurde - drei Tage nach dem Rücktritt des todkranken Papandreou.

22.02.1996: Der griechische Ministerpräsident Kostas Simitis bei einer Pressekonferenz in BonnBild: IMAGO

Nach mehreren Regierungskrisen, Finanzskandalen und chaotischen Szenen im Parlament sehnten sich die griechischen Wähler Mitte der neunziger Jahre nach Stabilität und Verlässlichkeit. Anscheinend war Simitis in dieser Situation der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.

Die Krise um Imia

Kaum zehn Tage im Amt, wurde Simitis mit der heftigsten Krise seiner Regierungszeit konfrontiert. Nach einem Zwischenfall auf der unbewohnten Felseninsel Imia standen Griechenland und die Türkei kurz vor einem Krieg in der Ägäis. Zur Räson kamen die Hitzköpfe auf beiden Seiten auf Druck der USA. Simitis bedankte sich ausdrücklich für die US-Vermittlung und erntete dafür jede Menge Kritik von links und rechts.

Der griechische Ministerpräsident Kostas Simitis und US-Präsident Bill Clinton am 19.11.1999 in AthenBild: epa/dpa/picture alliance

Bis heute werfen rechtskonservative Kreise den Sozialisten "Nachgiebigkeit" gegenüber der Türkei vor. In einem Beitrag für das deutsche Journal für Internationale Politik und Gesellschaft 2008 erläutert Simitis seine ganz persönliche Sicht der Dinge: Ihm sei es damals darum gegangen, den bewaffneten Konflikt zu vermeiden, eine Aggression seitens der Türkei abzuwenden und den "Status quo ante" in der Ägäis wiederherzustellen.

Ein Politiker, der seine Ziele erreicht

Das ist auch verständlich. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte der Sozialisten-Chef ganz andere Prioritäten: Die Inflation und das Haushaltsdefizit stark zu reduzieren, den Weg Griechenlands in die Europäische Währungsunion zu ebnen, die Republik Zypern an die EU heranzuführen und Infrastrukturprojekte umzusetzen, die seine Vorgänger verschlafen hatten. Dazu gehörten die U-Bahn und ein neuer Flughafen in der Hauptstadt Athen, die längste Hängebrücke der Welt auf dem Peloponnes und die "Egnatia-Straße", Griechenlands längste Autobahn.

Der internationale Flughafen von AthenBild: Markus Mainka/dpa/picture alliance

Simitis hat fast alle seine Ziele erreicht. Wichtige Vorarbeit für die Annäherung an die Türkei leistete sein Außenminister, der spätere Regierungschef Giorgos Papandreou. Auf dem EU-Gipfel in Helsinki 1999 gab Griechenland sein Veto gegen die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei endgültig auf - möglicherweise als Gegenleistung für den späteren EU-Beitritt Zyperns.

Korruptionsvorwürfe gegen die Sozialisten

Bei allem Erfolg: Skandale und Korruptionsvorwürfe überschatteten die Amtszeiten von Simitis. 2013 wurde sein Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos wegen Geldwäsche und Bestechlichkeit zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Athener Richter sahen es als erwiesen an, dass er Bestechungsgelder für den Kauf von U-Booten aus Deutschland und Abwehrraketen aus Russland kassiert hatte.

Tassos Mandelis, einst Verkehrs- und Transportminister unter Simitis, gestand 1998, Schmiergeld von Siemens erhalten zu haben. Allerdings war die Straftat bereits verjährt. Wie auch immer: Dass Simitis persönlich in Skandale involviert war, glauben selbst seine politischen Gegner nicht.

Der Kampf um den Euro

2002 durfte Griechenland der gemeinsamen europäischen Währung beitreten - für Simitis der Höhepunkt seiner politischen Laufbahn. Doch wenige Jahre später erlebte das Mittelmeerland eine der schwersten Wirtschaftskrisen der Nachkriegsgeschichte und konnte nur durch Kredithilfen seiner Gläubiger vor dem Bankrott gerettet werden. Während der Schuldenkrise kam die Frage auf: Waren die Griechen reif für den Euro oder haben sie sich in die Euro-Zone geschummelt?

2002 führte Griechenland den Euro ein: Griechische Euro-Münzen Bild: Gouliamaki/epa/picture-alliance

Diesen Vorwurf wiesen Kostas Simitis und sein Zentralbankchef Jannis Stournaras vehement zurück. In einem Beitrag für die Süddeutsche Zeitung im Mai 2012 erklärten sie, Griechenland habe sich seit Mitte der neunziger Jahre enorm angestrengt, um die Konvergenzkriteriender europäischen Währungsunion zu erfüllen und sei beitrittsbereit gewesen. Und immerhin seien auch andere Mitgliedstaaten der Euro-Zone mit einem höheren Staatsdefizit beigetreten. 

Etwas deutlicher wurde Nikos Christodoulakis, Finanzminister in der Regierung Simitis, im Gespräch mit Spiegel Online 2013: Die Konvergenzkriterien würden für alle Gründungsmitglieder des Euro "flexibel ausgelegt", denn sonst hätten sich nur die Niederlande und Luxemburg für den Euro qualifiziert, gab er zu bedenken. Nicht zuletzt Deutschland hätte "etwas Ähnliches gemacht" und die staatlichen Krankenhäuser nicht mehr zum öffentlichen Sektor gezählt, wodurch das Defizit nachträglich um 0,1 Prozentpunkte und mehr gedrückt worden sei.

Enge Verbindung zu Deutschland

Geboren wurde Kostas Simitis am 23. Juni 1936 in Piräus. Deutschland war er besonders verbunden. Er studierte Jura in Marburg und promovierte dort auch. In London studierte er Wirtschaftswissenschaften. Während der griechischen Militärdiktatur (1967-1974) engagierte er sich im Widerstand gegen die Obristen, musste nach Deutschland fliehen und lehrte Jura an deutschen Universitäten. Im Exil kam er in Kontakt mit Andreas Papandreou und war an der Gründung von PAK beteiligt - einer Vorgängerorganisation der sozialistischen Partei PASOK.

Als hoch angesehener Hochschullehrer galt auch sein Bruder Spiros Simitis, der 2023 verstorben ist - ebenfalls mit 88 Jahren. 1970 hatte Spiros Simitis in Hessen das erste Datenschutzgesetz geschaffen. Anschließend war er lange Zeit hessischer Datenschutzbeauftragter und Vorsitzender des Deutschen Ethikrats.