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Vergangenheitsbewältigung

Panagiotis Kouparanis2. Oktober 2012

Das Thema Entschädigung für die Opfer der deutschen Besatzung in Griechenland ist juristisch ad acta gelegt worden, aber dennoch nicht ganz verschwunden. Jugendliche aus beiden Länder wollen die Vergangenheit überwinden.

Ansicht von Paramythia (Foto: DW/P. Kouparanis)
Paramythia, Kommune in Nordwest-GriechenlandBild: DW/P. Kouparanis

Nachdem Anfang Februar der Internationale Gerichtshof in Den Haag bestätigt hat, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht wegen Nazi-Kriegsverbrechen auf Entschädigung verklagt werden kann, ist das Thema für die Opfer der deutschen Besatzung in Griechenland vom Tisch - zumindest juristisch. Wie präsent aber die Vergangenheit noch immer im kollektiven Gedächtnis der Griechen ist, zeigt sich in der griechischen Schuldenkrise. Die Reaktionen auf die als ungerecht empfundene Kritik aus Deutschland waren Bilder, auf denen Kanzlerin Merkel in SS-Uniform gezeigt wurde und immer lautere Forderungen nach deutschen Reparationszahlungen an Griechenland.

Außerdem trug die deutsche Haltung der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte, mit Diplomaten an den Gedenkfeiern für die Opfer der deutschen Besatzung teilzunehmen, aber ansonsten mit Verweis auf das doch "weit zurückliegende" Ende des Krieges Wiedergutmachungsforderungen abzulehnen, nicht gerade zur Entspannung bei.

Anestis Ossipis will Jugendliche zusammenbringenBild: DW/P. Kouparanis

Erinnerungskultur und Jugendzusammenarbeit

Welche Lehren können aus dieser Vergangenheit gezogen werden, damit deutsche und griechische Jugendliche gemeinsam nach vorne schauen? Diese Frage stellte die Friedrich-Ebert-Stiftung auf einer deutsch-griechischen Tagung in Paramythia, einer Kommune im Nordwesten Griechenlands. Paramythia ist einer von fast 100 griechischen Orten, die während des Zweiten Weltkrieges von deutschen Truppen zerstört wurden und wo Massaker an der Zivilbevölkerung begangen wurden. In Paramythiá erinnert daran ein Mahnmal.

350 km östlich, nahe der Stadt Kilkis, gibt es keinen Hinweis, warum in den einst bewohnten drei Ortschaften nur noch Ruinen stehen. Das soll sich jetzt ändern. Eine Initiative von Unternehmern und in Deutschland lebenden Griechen, die aus der Gegend stammen, will den Gebäudekomplex einer früheren Herberge zu einem europäischen Jugend- und Begegnungszentrum ausbauen. Die privaten Spenden aus Deutschland und Griechenland sollen nur für das Material sein, nicht für die Arbeit, so der Initiator des Projekts, der Reiseunternehmer Anestis Ossipidis: "Die Idee ist, Freiwilligengruppen aus deutschen und griechischen Jugendlichen zu bilden. Sie sollen während ihres Aufenthalts, der zwischen drei und sechs Wochen dauern wird, die Gebäude renovieren.“

Malerei in Paramythia - Erinnerung an die Opfer des Massakers vom 29.9.1943Bild: DW/P. Kouparanis

Rechtsextreme Propaganda verhindern

Das ist aber nicht alles. Ein Teil der Zeit soll für gemeinsame Exkursionen in die Umgebung und für Diskussionen über die Geschichte der Gegend genutzt werden: Wie kam es dazu, dass die Ortschaften von deutschen Truppen zerstört und ihre Bewohner getötet wurden?

Ein Jugendfreizeitzentrum will man auch in Paramythia errichten - auf Initiative von einheimischen Jugendlichen. Das Gebäude dafür gibt es bereits, aber nicht das Geld. Der Kommunalhaushalt erlaubt nur noch dringend notwendige Ausgaben. Und dennoch könnte das Jugendzentrum Realität werden, davon ist der Geschäftsführer des "Aktuellen Forums" aus Gelsenkirchen, Klaus Amoneit, überzeugt: "Das können wir uns als eines auf mehrere Jahre angelegtes Projekt für junge Handwerker aus Deutschland und aus Griechenland vorstellen.“

Das Aktuelle Forum engagiert sich in zehn europäischen Staaten, die im Krieg von der Wehrmacht besetzt waren. Junge Deutsche im Ausbildungsalter aus sozial schwachen Familien gehen mit ihren Ausbildern für eine bestimmte Zeit dorthin, um bei der Realisierung eines baulichen Projekts mitzuhelfen. Für diese Jugendlichen sind solche Reisen auch eine politische Weiterbildung, die sie weniger anfällig für rechtsextremistische Propaganda machen soll.

Zusammenarbeit von Jugendlichen wirkt auch als Prevention gegen Rechtsradikalismus - Klaus AmoneitBild: DW/P. Kouparanis

Praktische Ausbildung der Jugendlichen

So wurden die Jugendlichen von Paramythia nach Deutschland eingeladen, um hier über gemeinsame, weitergehende Projekte zu sprechen. Ein weiteres Anliegen der Jugendlichen von Paramythia ist die Schaffung beruflicher Perspektiven in ihrer Heimatregion. Und die liegen vor allem in der Landwirtschaft, glaubt die Abiturientin Christina Lióliou: "Angesichts der Tatsache, dass viele Universitätsabsolventen arbeitslos sind, überlegen sich das immer mehr junge Menschen. Natürlich ist jetzt kein Run auf die Landwirtschaft ausgebrochen. Aber nur, weil keine dementsprechenden Bedingungen geschaffen werden. Wenn es aber die Chance einer praktischen Ausbildung im Agrarbereich gäbe, dann würden sich viele zur Landwirtschaft hin orientieren.“

Die meisten Jugendlichen in Paramythia arbeiten neben der Schule von Kindesbeinen an auf dem elterlichen Hof mit. So haben sie sich landwirtschaftliche Fertigkeiten angeeignet, die sie ausbauen wollen. Die griechischen Jugendlichen wünschen sich von ihren deutschen Partnern, dass sie ihnen bei der Weiterbildung mit Agrarexperten unter die Arme greifen - entweder in Griechenland oder in Deutschland. Zur Finanzierung eines solchen Projektes könnten Mittel aus Deutschland oder aus dem Europäischen Sozialfonds (EFS) beantragt werden.

Wichtig ist, eine berufliche Perspektive zu schaffen, meint Christina LióliouBild: DW/P. Kouparanis

Schon Anfang 2000 hatte der damalige Bundespräsident Johannes Rau beim Besuch des von der Wehrmacht zerstörten Dorfes Kalavryta die Idee, deutsch-griechische Projekte mit Jugendlichen aus den Opferorten zu realisieren. In Anlehnung an das erfolgreiche Modell des Deutsch-Französischen Jugendwerks sollten Jugendbegegnungsstätten eingerichtet werden, Schüleraustauschprogramme ins Leben gerufen sowie Berufsausbildungsstipendien der griechischen Jugendlichen in Deutschland gesichert werden. Dazu ist es damals nicht gekommen. Nun versucht man, wenn auch in kleinerem Umfang, das Modell zu realisieren: Ein wichtiges Zeichen der Solidarität in der Krise.

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