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Politik

Syriza im Umbruch

Jannis Papadimitriou
12. Oktober 2016

Premier Tsipras will das einstige Bündnis marxistischer Splittergruppen zu einer starken, ihm treuen Volkspartei umbilden. Doch der Syriza-Parteitag steht im Zeichen des Konflikts zwischen Ideologie und Sparpolitik.

Griechenland Athen Parlament Alexis Tsipras
Bild: Reuters/A. Konstantinidis

"Gemessen werden wir an unserer Fähigkeit zu regieren", mahnte der griechische Premier Alexis Tsipras seine Syriza-Parteigenossen im Februar 2015. Das war nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt - und der junge Premier hatte schon einen schweren Rückschlag hinnehmen müssen: Keine Umschuldung für Griechenland, stattdessen eine Verlängerung der einst verteufelten Kreditvereinbarung mit den Geldgebern. Die innerparteilichen Gegner probten den Aufstand, im Sommer 2015 kam es tatsächlich zur Syriza-Spaltung: Der radikale Linksflügel um den damaligen Energieminister Panagiotis Lafazanis verließ Tsipras, drohte mit "Kampfkomitees gegen die EU-Spardiktate", versuchte vergeblich sein Glück bei einer umgehend anberaumten Parlamentswahl und versank daraufhin in der Bedeutungslosigkeit. Seitdem bleibt Syriza eine ständige Baustelle. Ein Parteitag zur Klärung der Machtverhältnisse wurde in den vergangenen Monaten immer wieder verschoben.   

Nun ist es endlich soweit: Am Donnerstagabend kommen 3.300 Delegierte aus ganz Griechenland für vier Tage in der Hafenstadt Piräus zusammen. Gleich zum Auftakt des Parteitags will Tsipras die Syriza-Mitglieder mit einer Grundsatzrede auf seine Linie einschwören. Kein einfaches Unterfangen. "Die Syriza-Partei ist eine ungewöhnliche, in Europa wohl einmalige Erscheinung: Sie besteht aus vielen verschiedenen Strömungen und das ist ihr Reichtum, aber auch ihre Schwäche", erläutert Nikolas Voulelis, Direktor der linksgerichteten "Zeitung der Redakteure" in Athen. Entgegen mancher Erwartungen im In- und Ausland werde sich die Syriza auch bei diesem Parteitag nicht der Sozialdemokratie nähern, sondern ihrer Ideologie treu bleiben, sagt Voulelis im Gespräch mit der DW. Doch wie verträgt sich ideologische Treue mit der Umsetzung einer verhassten Sparpolitik? Voulelis glaubt, das Sparpaket für Griechenland sei eine "Niederlage" für Syriza gewesen. Er fügt aber hinzu: "Zusätzlich oder parallel zur Regierungspolitik gehört eine linke Agenda auf den Tisch. In dieser Hinsicht soll die Partei mit eigenen Inhalten und Vorschlägen eine Vorreiterrolle übernehmen."

Proteste von Rentnern gegen die Sparpolitik Bild: picture-alliance/dpa/Y. Kolesidis

Machenschaften im Hintergrund

Ein "linkes Parallelprogramm für die sozial Schwachen" hatte Tsipras persönlich versprochen, als er im Juli 2015 erneut einen Rückzieher machte und weitere Sparmaßnahmen schluckte. Der Athener Politikwissenschaftler Levteris Koussoulis glaubt, dass der Linkspremier beim Parteitag seine Wandlungsfähigkeit zum wiederholten Mal unter Beweis stellen werde, indem er Kritik von links zur Herzensangelegenheit ausruft. "Ein Hauch von Revolution liegt in der Luft, in Piräus werden wir den alten Tsipras erleben", sagt Koussoulis im Gespräch mit der DW. Tsipras werde von seiner eigenen Regierungspolitik Abstand nehmen und den Delegierten versichern, er habe seine linke Vergangenheit und seine Visionen nicht verraten. "In der Regierung wird gesündigt, dafür wird in der Partei die Genossen-Seele gerettet", meint der Analyst. Außerdem trifft Tsipras Vorkehrungen, um breite Mehrheiten in den Parteigremien zu sichern: Die Zahl der Mitglieder des Syriza-Zentralkomitees wird von 201 auf 150 gesenkt. Ab sofort sollen nur 25 Prozent dieser Posten an Kandidaten vergeben werden, die Regierungsverantwortung tragen, im Parlament sitzen oder in staatlichen Institutionen beschäftigt sind. Durch diese Regelung würden sämtliche Politiker der alten Garde aus dem Zentralkomitee ausgeschlossen - und vermutlich könnten Tsipras-Anhänger nachrücken.

"Alexis Tsipras wird einen starken Auftrag bekommen, indem er mit überwältigender Mehrheit als Syriza-Chef wiedergewählt wird", sagt der EU-Parlamentarier Dimitris Papadimoulis. Als wichtigste parteiinterne Oppositionsgruppe gilt derzeit die sogenannte "Bewegung der 53". Dazu gehören 53 Syriza-Politiker, die grundsätzlich für die Sparauflagen Griechenlands stimmen, aber bestimmte rote Linien fordern. Ausgerechnet Finanzminister Euklid Tsakalotos gilt als Führungsfigur dieser Gruppe. Neulich sorgte er mit einer eher beiläufig formulierten Aufforderung an die Abgeordneten für Aufregung, man müsse sich überlegen, ob Griechenland in der heutigen Eurozone überlebensfähig sei. Anschließend fühlte sich der Minister missverstanden - und meinte, seine Worte seien aus dem Kontext gerissen worden. Oder kommt mit Tsakalotos die Agenda der Dogmatiker erneut auf den Tisch? "Ich glaube nicht, dass die 'Gruppe der 53' eine Bedrohung darstellt. Tsipras hat die Partei eigentlich im Griff", versichert Nikolas Voulelis.

Tsipras donnert gegen die Opposition

Zum neuen Selbstbewusstsein von Tsipras gehörten nicht zuletzt scharfe Töne gegen die konservative Opposition, meint Politikwissenschaftler Koussoulis. Die Trennlinie sei klar für den Syriza-Chef: Wir sind die Guten, ihr seid die Korrupten. Einen Vorgeschmack lieferte der Linkspremier bei der Parlamentsdebatte zum Thema Korruption am Dienstag: Der konservative Oppositionschef Kyriakos Mitsotakis sei "ein Kind von Siemens", donnerte Tsipras. Es war eine deutliche Anspielung auf die Siemens-Korruptionsaffäre, für die - aus der Sicht des Linkspremiers - die in den vergangenen Jahrzehnten in Athen abwechselnd regierenden Konservativen und Sozialisten mitverantwortlich seien. Von seiner Rolle als Anti-Korruptionskämpfer werde Tsipras auch beim Parteitag erzählen, meint Politikwissenschaftler Koussoulis. Denn: "Es ist geradezu die Aufgabe solcher Parteitage, gegen die Realität ins Feld zu ziehen."

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