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Politik

Großbrände: Die Hölle auf Erden in Athen

24. Juli 2018

Ein Land im Schockzustand: In Griechenland sind bei verheerenden Waldbränden mindestens 74 Menschen gestorben. Die Zahl der Opfer könnte noch steigen. Von Jannis Papadimitriou, Athen.

Griechenland Waldbrände 2018
Flammenfront in der Ortschaft Rafina Bild: DW/Giannis Papadimitriou

Im Ferienort Rafina, nordöstlich von Athen, scheint bis Montagnachmittag die Welt noch in Ordnung: Großfamilien sonnen sich am Strand, junge Pärchen genießen ihren Kaffee, die Bauern arbeiten auf den Feldern. Plötzlich bricht das Feuer aus, verbreitet sich bei starkem Wind so schnell wie noch nie zuvor in der Region, gerät außer Kontrolle. Tausende Menschen verharren am Strand oder auf dem Weg dorthin, umzingelt vom Feuer. Nicht alle können sich rechtzeitig ins Wasser retten oder den Fluchtweg nach Athen antreten. Zu diesem Zeitpunkt kämpfte die griechische Feuerwehr bereits an einer weiteren Flammenfront in der Ortschaft Kineta, westlich von Athen, und konnte nicht auf Anhieb alle Kräfte für die Region Rafina mobilisieren.       

Am Dienstagvormittag erklärte Regierungssprecher Dimitris Tzannakopoulos, mindestens 50 Menschen seien gestorben. Inzwischen hat die Feuerwehr 74 Opfer gemeldet. Mehr als 150 Menschen sind verletzt oder leiden an schweren Verbrennungen, darunter viele Kinder. Die genaue Zahl der Vermissten bleibt noch unklar. "150 Ingenieure der zuständigen Ministerien sind ab Dienstag in unserer Stadt unterwegs und begutachten alle beschädigten Häuser. Wir müssen befürchten, dass wir dort weitere Opfer finden, etwa ältere Menschen, die es nicht geschafft haben, rechtzeitig zu fliehen", sagt Myron Tsakirakis, Mitarbeiter der Stadt Rafina. Außerdem sind in der Region Landarbeiter aus asiatischen Ländern tätig, die von den Behörden vermutlich gar nicht registriert waren. "Eine Apokalypse" titelt die auflagenstärkste Athener Zeitung Ta Nea. Ein junger Mann erklärt im TV-Sender Alpha, er könne sein Glück im Unglück nicht fassen: "Die Flammen hätten mich fast erwischt in Hafennähe. Ich wusste gar nicht, was ich tun soll, und bin einfach ins Wasser gesprungen. Zum Glück kam irgendwann ein Rettungsboot vorbei…"

Ein Feuerwehrmann hat einen Hund aus einem brennenden Haus in der Nähe von Athen gerettet Bild: picture-alliance/A. Vafeiadakis

Drei Trauertage in Griechenland

Auf Anordnung von Regierungschef Alexis Tsipras gelten ab Dienstag drei Trauertage in Griechenland. "Wir werden nichts und niemanden vergessen, die Zeit der umfassenden Analyse wird kommen, aber in diesen Stunden gibt es keine (politischen) Auseinandersetzungen. Es geht darum, zu mobilisieren und zu kämpfen", erklärte Tsipras in einer TV-Ansprache am Dienstagnachmittag. Das soll heißen: Über Unzulänglichkeiten oder Fehlbesetzungen bei den Behörden soll man vorerst nicht klagen; dadurch würde die ohnehin harte Arbeit der Feuerwehrleute und Retter nur noch mehr erschwert. Die meisten Griechen halten sich daran - allein schon deshalb, weil sie das ganze Ausmaß der Brandkatastrophe noch nicht fassen können und Kritik zu diesem Zeitpunkt zudem als ein Mangel an Respekt gegenüber den Opfern aufgefasst würde. Selbst der konservative Oppositionsführer Kyriakos Mitsotakis, derzeit schärfster Gegner von Linkspremier Tsipras, erklärte am Dienstag bei einem Besuch in der Region Rafina, nun sei die Stunde der Solidarität und Einheit. 

Und trotzdem wird die eine oder andere Stimme der Kritik laut: "Natürlich erwarten wir keine Wunder, aber wir erwarten durchaus die richtige Vorbereitung und den richtigen Plan, auch für den allerschlimmsten Fall. Und diesen Plan gibt es nicht, das bezeugt doch die hohe Zahl der Toten", moniert das Athener Nachrichtenportal In.Gr. Wo der Staat nicht helfen kann, ist Eigeninitiative gefragt. Über Facebook bieten viele Menschen in der Region Rafina ihre Hilfe an. Sie wollen Mitbürger unterstützen, die ihr Hab und Gut durch den Brand verloren haben und auf der Suche nach einer vorübergehenden Bleibe sind. Andere wollen gezielt verletzten Haustieren helfen. Lokalbehörden und NGOs rufen zu Spenden oder zur freiwilligen Mitarbeit auf. Auch ausländische Politiker melden sich bei Premier Tsipras und bieten Hilfe an - unter ihnen der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan. 

Verbrannte Strandmöbel in der Nähe von Athen Bild: picture-alliance/dpa/L. Partsalis

Kritik an gewissenlosen Fahrern

Bei aller Kritik an den Behörden: Viele Griechen müssen sich zunächst an die eigene Nase fassen. Etwa deshalb, weil manche Fahrer auf ihrer Flucht aus der Ortschaft Kineta am Montag die Notfallspur auf der Autobahn nach Athen belegten und dadurch die Anfahrt der Feuerwehr erheblich behinderten. "Das ist ein Verbrechen, das kannst du nicht bringen, vielleicht sind die Feuerwehrleute ja gerade zu deinem eigenen Haus unterwegs und du behinderst die trotzdem", schimpft Iaveris, ein in Griechenland hoch angesehener Rennfahrer, im TV-Sender Skai. Nach Medienberichten musste die Polizei immer wieder einschreiten, um die Notfallspur auf der Autobahn nach Athen freizuhalten. Es ist nicht bekannt, dass irgendeiner der sorglosen Fahrer mit einem hohen Bußgeld belegt oder anderweitig belangt wurde. 

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