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Ein neuer Ansatz im britischen Naturschutz

Greg Norman
24. März 2019

Auch Naturschützer kochen oft ihr eigenes Süppchen. Für die Rettung bedrohter Arten arbeiten Organisationen in Großbritannien erstmals Hand in Hand - mit Erfolg.

Die Kreuzkröte ist in Großbritannien vom Aussterben bedroht. Ein Zusammenschluss von Naturschutzorganisationen versucht jetzt gemeinsam sie und andere gefährdete Arten zu retten.
Bild: picture-alliance/Arco Images/J. Fieber

Über das Wetter zu reden ist ein Volkssport für die Briten und das Gespräch unter den Freiwilligen in den Dünen von Sefton Coast ist keine Ausnahme. Sie haben sich hier an einem traumhaften Wintertag versammelt, um die Kreuzkröte zu retten. Die Sonne glänzt auf den Dünen an Englands Nordwestküste, unweit von Liverpool, einer Gegend, die nicht gerade für ihr schönes Wetter bekannt ist. 

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Das Team gräbt Teiche aus, um ein geeignetes Habitat für die seltenen Kröten zu schaffen. Letztes Jahr um diese Zeit hätte das bedeutet, Schnee schaufeln zu müssen, doch an diesem Tag haben die Temperaturen die 20-Grad-Marke geknackt. Wie sich später herausstellte, war es der heißeste Wintertag in der Geschichte des Vereinigten Königreichs. Es gab sogar Berichte von Bränden in Moorlandschaften in der Nähe von Lancashire.

Brauchen wir alle Arten?

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Während die Menschen die ungewöhnlich sommerlichen Temperaturen genießen, sind diese für die Kröten eine echte Bedrohung. "Viel schlimmer könnte es kaum werden. Wir hatten so einen trockenen Winter", sagt Andrew Hampson von der Amphibian and Reptile Conservation Trust (ARC),  der die über 20 Freiwilligen koordiniert.

"Es soll kommende Woche Regen geben und es wäre großartig für uns, wenn der zwei Wochen lang nicht mehr aufhören würde", hofft Hampson. Die Kröten gedeihen am besten nach einem langen, nassen Winter und einem trockenen Sommer, fügt er hinzu.

Gemeinsam für den Naturschutz

Der Tag der freiwilligen Helfer ist Teil des Gems-in-the-Dunes-Projekts und soll die Zahl der Kreuzkröten erhöhen, ebenso wie die der landesweit bedrohten Zauneidechsen.

Gems in the Dunes ist wiederum Teil des national koordinierten Projekts Back From The Brink,  in dem sieben der größten Naturschutzorganisationen Großbritanniens gemeinsam versuchen, 20 der bedrohtesten Arten des Vereinigten Königreichs zu retten und hoffentlich die Überlebenschancen von 200 weiteren zu verbessern.

Es ist das erste Mal, dass Organisationen wie ARC, die Royal Society for the Protection of Birds (RSPB),  Buglife und Plantlife so eng zusammenarbeiten.

Freiwillige heben einen Teich aus, um die Dünen von Sefton Coast zu einem attraktiven Brutgebiet für die seltenen Kreuzkröten zu machenBild: Greg Norman

"Es gibt wachsende Bestrebungen, Wege zu finden, wie sich diese unterschiedlichen Organisationen gegenseitig unterstützen können", sagte James Harding-Morris, einer der nationalen Koordinatoren von Back From The Brink gegenüber der DW.

Er sagt, bei der Initiative ginge es darum, "wie wir mehr erreichen können, indem wir zusammenarbeiten, als wir alleine erreichen können. Noch nie zuvor wurde etwas in diesem Ausmaß versucht."

Sefton Dunes, eines des größten ursprünglichen Dünensysteme des Landes ist ein gutes Beispiel. Fiona Sunners, die Projektmanagerin von Gems in the Dunes erklärt, neben einer bedeutenden Reptilien- und Amphibienpopulation beheimate das Gebiet auch seltene Insekten wie den Dünen-Sandlaufkäfer und Pflanzen wie Birnmoose und Lebermoose.

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Durch die Zusammenarbeit mit Experten aus verschiedenen Bereichen des Naturschutzes können sie ihr Wissen erweitern, mehr erreichen und ganze, voneinander abhängige Ökosysteme schützen, statt sich nur auf einzelne Arten zu konzentrieren.

"Vorher haben wir unser eigenes Süppchen gekocht", sagte Sunners gegenüber DW. "Aber wenn wir jetzt ein Problem mit Lebermoos haben, können wir zum Hörer greifen und Plantlife anrufen. Und wenn ich etwas zum Dünen-Sandlaufkäfer brauche, kann ich mit Buglife sprechen."

Für Back From the Brink ist der erfolgreich wieder angesiedelte Gelbwürfelige Dickkopffalter eine ErfolgsgeschichteBild: picture-alliance/Photoshot

Ungewöhnliche Herangehensweise

Einige Arten, die das Projekt retten will, wie die Kreuzkröte und die Zauneidechse sind in anderen Teilen Europas noch immer verbreitet, aber zunehmend selten in Großbritannien. Die Populationen einiger der Top 20, wie der Weidenmeise, sind in den vergangenen 40 Jahren um mehr als 90 Prozent eingebrochen. Und dann gibt es Arten, die in ihren alten Lebensräumen wieder neu angesiedelt wurden – wie der Baummarder in Northumberland.

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Manche Arten sind äußerst selten. "Die Moosart Ditrichum cornubicum gibt es nur an zwei Orten in Cornwall und nirgendwo sonst auf der Welt", sagt Harding Morris. "Zusammengenommen sind beide Flächen nur 0,61 Quadratmeter groß, das entspricht etwa 2 Seiten Din-A4-Papier."

Back From The Brink wurde erst 2018 gegründet, aber liefert schon jetzt Resultate. Letztes Jahr wurde der Gelbwürfelige Dickkopffalter in Northamptonshire wieder angesiedelt, wo es ihn seit 1948 nicht mehr gegeben hatte und ein Projekt in Dorset belebte eine seltene Pflanzenpopulation wieder – mit einem ungewöhnlichen Ansatz.

"In Dorset arbeiten wir mit dieser seltenen Pflanze, dem Sumpf-Bärlapp", erklärte Trevor Dines, Botaniker bei Plantlife gegenüber der DW. "Etwa 85 Prozent der Pflanzen waren aus der Gegend verschwunden, aufgrund der Erschließung des Gebiets, unter anderem auch zur Kohleförderung."

Amphibien, Säugetiere, Pflanzen und Vögel: Zusammenarbeit im Naturschutz berücksichtigt die Vielfalt der Arten in einem Ökosystem, statt sich auf nur eine Art zu spezialisierenBild: picture-alliance/blickwinkel/P. Espeel

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Oft bedeutet Naturschutz, dass sich der Mensch aus einem Ökosystem zurückzieht und die Natur in Ruhe lässt, aber manche Arten profitieren davon, gestört zu werden, erklärt Dines. Eine davon ist der Sumpf-Bärlapp.

"Und so haben wir beschlossen, mit einem fünf Tonnen schweren Traktor über eine Kolonie von 3000 dieser Pflanzen hin und her zu fahren", sagt er. Inzwischen ist ihre Zahl auf schätzungsweise 12.000 angewachsen.

"Die Regel 'Lauf nicht über das Gras' gilt nicht immer", witzelt Dines.

"Wir brauchen einen Perspektivwechsel"

Dauerhaft Gelder für den Erhalt solch winziger Arten zu bekommen ist eine Herausforderung. Back From The Brink hat sich vom National Lottery Heritage Fund der britischen Regierung 7 Millionen Pfund (8,1 Millionen Euro) über drei Jahre gesichert. Was nach 2021 geschieht, bleibt offen. Konkrete, vorzeigbare Ergebnisse würden die Chancen des Projekts auf zukünftige Gelder erhöhen, aber im Naturschutz ist das nie sicher.

Die Faktoren, die den langfristigen Rückgang von Insekten-, Pflanzen-, Vogel- und Säugetierpopulationen verursachen – Zerstörung von Lebensraum, intensive Landwirtschaft und natürlich der Klimawandel – werden nicht verschwinden. Der traumhafte frühe Sonnenschein belastet nicht nur die Kreuzkröten. Das Klima verändert sich und dadurch werden Tiere und Pflanzen aus ihrem angestammten Lebensraum vertrieben.

"Die meisten Arten sind wegen des Klimawandels in Bewegung, denn einige Teile ihres Verbreitungsgebiets werden klimatisch weniger geeignet für sie, als sie es einmal waren", sagte Chris Thomas, ein Evolutionsbiologe an der University of York der DW.

Dadurch bedarf es auch eines differenzierteren Ansatzes für den Naturschutz.

Der Baummarder war im Vereinigten Königreich ausgestorben. Jetzt ist er zurückBild: picture-alliance/prisma/B. Reiner

"Wir brauchen einen Perspektivwechsel", sagt Thomas. "Wir sollten es völlig in Ordnung finden, wenn sich eine neue Art ansiedelt und nicht wehklagen, wenn beispielsweise ein früherer Bewohner eines Schutzgebiets verschwindet – gesetzt den Fall, dass die Art als Ganze nicht gefährdet ist."

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Trotzdem, am Ende eines langen, arbeitsreichen Tages hoffen die Freiwilligen in den Dünen von Sefton Coast, dass ihr neuer Teich den Kreuzkröten so gut gefallen wird, dass sie ihn in der Paarungszeit nutzen und so zum Erhalt der lokalen Population beitragen.

Aber Hampson bremst die Hoffnung auf schnelle Erfolge. "Bei der Kreuzkröte dauert es acht bis zehn Jahre bis man wirklich sagen kann, wie sich eine Population verändert", sagt er. "Für eine gesunde Population braucht man wirklich eine Mischung verschiedener Größen. Wenn sie alle etwa gleich groß sind, zeigt das nur, dass es ein gutes Brutjahr war. Es braucht Zeit."

 

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