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Großbritannien: Wird lokaler Schlachthof zum Vorbild?

Alexandra Genova
16. August 2020

Es gibt Schlachthöfe wie Tönnies. Lokale Schlachthöfe sind eine Alternative. Kunden in Wales schätzen dies und freuen sich über ihren Schlachter vor Ort. Trendsetter für den Wandel?

Großbritannien: William Llyod in seinem Schlachthaus. Er zeigt sich überzeugt: Das Fleisch soll von bekannten Bauerhöfen kommen.
Bild: DW/A. Genova

Machynlleth ist ein kleiner Ort im Nordwesten von Wales, 2000 Einwohner. Auf dem Höhepunkt des Corona-Lockdowns war die Hauptstraße so gut wie menschenleer. Nur in die Metzgerei von William Llyod strömten die Kunden. Sie wollten jetzt sicher sein und Fleisch von "von nebenan" kaufen.

William Llyod schlachtet in einem kleinen Schlachthof. Direkt daneben hält er auf der Weide seine eigenen Kühe und Schafe. Die Metzgerei ist nur einen kurzen Spaziergang entfernt. "William hält die Tiere auf einem freien Feld - damit sie keinen Stress haben", sagt die Kundin Joy Neal. "Er ist gut zu den Tieren und liefert den Einheimischen gutes Fleisch. Dafür wird er sehr geschätzt!"

Viele Verbraucher denken nicht darüber nach, wie Tiere getötet werden für das Fleisch, meint Neal. Sie zeigt sich beruhigt, dass das Fleisch von einem regionalen Schlachter stammt. "Es gibt nur noch sehr wenige davon. Mir liegt sehr viel daran, dass wir diesen Metzger hier haben."

Die Kunden schätzen es: Gutes Fleisch aus nachhaltiger Tierhaltung von William Lloyd Bild: DW/A. Genova

Lokale Schlachter gingen fast alle pleite 

Der Schlachthof von William Llyod befindet sich seit den 1950er Jahren in Familienbesitz. Das Handwerk hat er von seinem Vater gelernt. Im Alter von acht Jahren hat er Schafsköpfe ausgetragen, mit 17 begann er eine richtige Ausbildung.

In den 1980er Jahren gab es in der walisischen Grafschaft Montgomeryshire sieben regionale Schlachthöfe, heute nur noch die von William Llyod. Nach Angaben des Sustainable Food Trust (SFT) ging die Zahl der regionalen Schlachtbetriebe in Großbritannien zwischen 1930 und 2017 um 99 Prozent zurück.

Der Grund: Kleinere Unternehmen waren nicht profitabel genug, um mit dem Fleisch der Großschlachter in den Supermärkten konkurrieren zu können. Und auch die zunehmende Belastung durch mehr Papierkram und Bürokratie habe ihre Lage erschwert. Laut SFT seien viele Vorschriften mit Blick auf große Schlachthöfe entstanden, für kleine Schlachter seien sie jedoch unnötig oder ungeeignet.

Regionalwirtschaft mit Vertrauen: Landwirt John Jones nimmt ein Teil seiner Tiere als Fleisch wieder gerne zurückBild: DW/A. Genova

In Großbritannien wurde so "die lokale Infrastruktur zerstört", sagt Patrick Holden, Gründer von SFT. Das Netzwerk für nachhaltige Lebensmittel startete 2018 eine Kampagne für regionale Schlachthöfe.

Nun könne nach der Pandemie wieder eine regionalere Infrastruktur entstehen. Wichtig dafür sei die Verbindung zwischen Produzenten und Verbraucher, mit regionalen Schlachthöfen und Fleisch aus artgerechter Haltung.

Immense Schäden durch industrielle Fleischproduktion 

Nach Angaben der britischen Lebensmittelbehörde gibt es die meisten Probleme mit dem Tierschutz beim Transport vom Bauernhof zum Schlachthof. Laut Standards der Royal Society for the Prevention of Cruelty to Animals (Königliche Gesellschaft zur Prävention von Tierquälerei) sollten die Tiere so nah wie möglich am Ort der Haltung geschlachtet werden. 

Die Massentierhaltung und weite Transporte sind aber nicht nur schlecht für den Tierschutz. Ein weiteres Problem sind Krankheiten durch die Enge im Stall. Landwirte geben deshalb Antibiotika ins Futter und dies führe zu multiresistenten Keimen warnt die WHO . Hinzu kommt der große Bedarf an Tierfutter aus Monokulturen. Um die Schädlinge auf den Soja- oder Getreidefeldern fernzuhalten, werden diese mit Pestiziden wie Glyphosat getötet. Das führt jedoch auch zu einer Verschlechterung der Bodenqualität, zu Verschmutzung und dem Verlust an biologischer Vielfalt.

Tierquälerei vermeiden: Für William Lloyd ist es wichtig, wie man Tiere aufzieht und schlachtetBild: DW/A. Genova

Die Bauern, deren Fleisch Lloyd verkauft, sind auf einem Schild in seinem Schaufenster aufgelistet. Von Woche zu Woche wird es aktualisiert. Die Tiere kommen von Höfen im Umkreis von bis zu 32 Kilometer, die meisten liegen weniger als 16 Kilometer entfernt. Gefüttert wird hauptsächlich mit Gras.

"Die Tiere ruhen sich nach der Ankunft noch eine Nacht bei mir aus. Sie stehen auf sauberem Stroh und haben Wasser. Und es ist ein kurzer Weg vom Feld bis zum Schlachthof", sagt Lloyd. "Das Töten ist die Aufgabe. Das muss passieren, aber ohne damit verbundene Qualen."

Beginnt ein Umdenken in Großbritannien?

Von der britischen Regierung gab es bislang wenig Unterstützung für den Erhalt lokaler Schlachthöfe. Die Parlamentsgruppe für Tierschutz, die All-Party Parliamentary Group for Animal Welfare (APGAW), veröffentlichte im Juni 2020 einen Report zur Bedeutung von lokalen Schlachthöfen.

Ein Sprecher des britischen Ministeriums für Umwelt, Ernährung und ländliche Angelegenheiten teilte der DW mit, dass es "derzeit eine Überprüfung der einschlägigen Vorschriften gäbe und dabei der APGAW-Bericht berücksichtigt werde."

Im Jahr 2018 führte die walisische Regierung das Investitionsprogramm "Small Slaughterhouse Food Business Investment Scheme" für kleine Schlachthöfe ein, um den Sektor zu unterstützen. Derzeit wird über Änderungen des britischen Landwirtschaftsgesetzes diskutiert - und dabei auch über die Frage, ob das Schlachten in die Liste der Tätigkeiten aufgenommen werden soll, die finanzielle Unterstützung bekommen. "Es ist ein großartiges Gefühl, diese wertvolle Anerkennung zu bekommen," sagt Llyod. "Aber es bleibt noch viel zu tun." 

Und die Pandemie hat die Dringlichkeit dieser Aufgabe noch deutlicher gemacht. "Man sieht, dass die industrielle Tierhaltung zur Entstehung, Verbreitung und Verstärkung von Krankheiten beiträgt", sagt Peter Stevenson, von der Tierschutzorganisation Compassion in World Farming. Laut Tierschutzorganisation PETA UK seien industrielle Schlachthöfe weltweit zu COVID-19-Hotspots geworden. Der wahrscheinliche Grund seien die niedrigen Temperaturen und beengten Verhältnisse.

Von Kunden geliebt und empfohlen: Die preisgekrönte Metzgerei William LloydBild: DW/A. Genova

Billigfleisch durch Folgekosten viel teurer als gedacht

Nachhaltiges Fleisch vom lokalen Betrieb erscheint auf dem ersten Blick teurer als aus der Massentierhaltung. Die Folgekosten der industriellen Landwirtschaft sehen der Kunde auf den Preisschildern der Supermärkte jedoch nicht.

"Große Einzelhändler sprechen von Größenvorteilen. Aber in Wirklichkeit schadet diese Lebensmittelindustrie den Menschen und dem sozialen Gefüge vor Ort", sagt Holden. "Kurzfristige Gewinne auf der einen Seite stehen langfristigen Kosten auf der anderen Seite gegenüber. Und wir fangen gerade erst an, uns dessen bewusst zu werden."

Die Tierhaltung ist für 14,5 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich und davon laut Vereinten Nationen die Produktion von Rindfleisch und Milch für 65 Prozent. Mit weniger Fleisch, nachhaltiger und artgerechter Haltung, ließen sich die negativen Folgen drastisch reduzieren.

Laut William Lloyd wollen auch immer mehr Kunden wissen woher ihr Fleisch komme. Die Geschichte der Herkunft sei eine Geschichte, die er seit Jahrzehnten erzählt – so wie es sein Vater vor ihm getan hat.

"Die Bauern verkaufen nicht das Produkt, sie verkaufen die Geschichte: Dies sind meine Kinder, und dies ist der Schlachthof, der acht Kilometer entfernt ist", so Lloyd. Wenn das Fleisch eine Entfernung "von mehr als 30 Kilometer hat, dann ist es nicht mehr tierfreundlich und der Wert ist geringer."

Fluch aus der Fleischfabrik

04:49

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