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Große Erwartungen in Myanmar

Rodion Ebbighausen1. August 2015

Die Parlamentswahlen in Myanmar werden als nächster wichtiger Meilenstein im Öffnungsprozess eingeschätzt. Erst in jüngster Zeit haben sich die Rahmenbedingungen für einen ordnungsgemäßen Verlauf geklärt.

Nachwahlen in Birma 2012
Ein Frau mit der traditionellen Thanaka-Gesichtsbemalung gibt ihre Stimme bei den Nachwahlen von 2012 abBild: dapd

Für den 8. November 2015 sind mehr als 50 Millionen Einwohner Myanmars aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Der in Yangon arbeitende Journalist Zeya Thu ist überzeugt: "Die Wahlen werden das Land stark verändern, und zwar in eine gute Richtung." Auch Marco Bünte von der Monash Universität in Kuala Lumpur, der sich seit Jahren mit der Politik Myanmars befasst, hält die Wahlen für sehr bedeutend: "Zum ersten Mal seit langem gibt es einen echten Wettbewerb zwischen mehreren Parteien und Personen. Die Wahlen sind richtungsentscheidend, da sie den Reformprozess der letzten vier Jahre weiter vorantreiben können."

Dabei war noch im Frühjahr 2015 keineswegs entschieden, ob und unter welchen Bedingungen die Wahlen stattfinden würden. Die zentrale Oppositionspartei Nationale Liga für Demokratie (NLD) unter der Führung von Aung San Suu Kyi ließ bis Anfang Juli offen, ob sie überhaupt an den Wahlen teilnehmen würde. Zentraler Streitpunkt war dabei die Verfassung von 2008. Sie reserviert nicht nur ein Viertel aller Sitze in beiden Kammern des Parlaments für das Militär, das damit über eine Sperrminorität bei Verfassungsänderungen verfügt, sondern verbietet auch Bürgern die Kandidatur für das Präsidentenamt, die einen ausländischen Ehepartner oder Kinder haben. Aung San Suu Kyis verstorbener Ehemann war Brite, und auch ihre beiden Söhne sind britische Staatsbürger. Aung San Suu Kyi und die NLD sahen darin eine Benachteiligung.

Ende Juni (25.06.2015) kam die nötige Mehrheit für einen Antrag zur Verfassungsänderung nicht zustande. Aung San Suu Kyi ist der Weg ins Präsidentenamt damit versperrt. Trotzdem erklärte die NLD sich im Juli (11.07.2015) bereit, an den Wahlen teilzunehmen.

Aung San Suu KyiBild: picture-alliance/dpa

Freie und faire Wahlen

"Insgesamt stimmen die Rahmenbedingungen. Alle politisch wichtigen Akteure haben zugestimmt, an den Wahlen teilzunehmen", resümiert Bünte. Was allerdings Details, wie etwa die Wählerlisten, die ganze Wahlverwaltung und dergleichen angehe, müsse sich in den nächsten Wochen und Monaten noch zeigen, ob der Prozess wirklich frei und fair ist.

Der wichtigste politische Akteur neben der NLD ist die amtierende Solidaritäts- und Entwicklungspartei (USDP). Bis 2013 wurde sie vom amtierenden Präsidenten Thein Sein geführt. Der gab den Vorsitz an den Parlamentssprecher Shwe Mann ab. Die beiden Ex-Generäle sind die bekanntesten Gesichter ihrer Partei. Während Thein Sein noch offen gelassen hat, ob er 2015 erneut als Präsident kandidiert, hat Shwe Mann seine Ambitionen verschiedentlich geäußert.

Bei den Parlamentswahlen im Jahr 2010, die von der NLD boykottiert wurden und bei der keine internationalen Beobachter oder Medien zugelassen waren, konnte die USDP noch über 70 Prozent aller Sitze im Parlament für sich gewinnen. Doch bei den Nachwahlen von 2012, bei der Beobachter zugelassen waren und die gemeinhin als frei und fair eingeschätzt wurden, gingen fast alle zur Wahl stehenden Sitze an die NLD.

1990 hatte die NLD einen großen Wahlsieg davongetragen, aber das Militär weigerte sich, die Macht zu übergeben.Bild: picture alliance/AP Images/M. Sato

Wahlprognosen schwierig

Viele Beobachter im In- und Ausland schließen aus dem Ergebnis der Nachwahlen, dass die NLD bei den Parlamentswahlen im November einen Erdrutschsieg einfahren könnte. Doch Bünte mahnt zur Zurückhaltung. "Wahlprognosen sind ganz schwierig." Es gebe keine verlässlichen Umfragen. Entscheidend sei, wer von den großen Parteien den Reformprozess der vergangenen vier Jahre überzeugender für sich reklamieren könne.

Für die USDP spricht, dass sie in den vier Jahren der Öffnung die politische Verantwortung getragen hat. Gegen sie spricht die Nähe zur verhassten Vorgängerregierung. "Für viele ist die USDP ist die Reinkarnation der vorherigen Regierung", so Zeya Thu.

Die NLD hat vor allem deswegen gute Chancen, weil sie für den herbeigesehnten Neuanfang steht, wie Bünte erklärt: " Die Menschen wollen den Wechsel, je schneller desto besser." Dabei sei es unmöglich vorherzusagen, wie gut die Parteien abschneiden. In den Minderheitengebieten, die etwa ein Drittel der Bevölkerung umfassen, könnten vor allem die ethnischen Parteien die Mehrheit gewinnen, sagt Bünte. "Das bedeutet, dass das neue Parlament voraussichtlich einem Flickenteppich aus Parteien ähneln wird. Mit der NLD an der Spitze, gefolgt von der USDP und einer ganzen Reihe ethnischer Parteien." Wobei immer zu bedenken ist, dass ein Viertel der Plätze ohnehin für das Militär reserviert ist.

Rolle des Militärs

Armeechef Min Aung Hlaing legte in einem Interview mit der BBC die Position des Militärs dar. Die Armee werde weiterhin eine zentrale Rolle im politischen Prozess spielen, zumindest für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Zeya Thu schenkt den Aussagen des Armeechefs Glauben: "Es sieht so aus, dass das Militär das Wahlergebnis akzeptieren wird, solange es im Parlament vertreten bleibt und seine 25 Prozent Sperrminorität behält."

Das Militär ist in Myanmar ein Machtfaktor, mit dem immer gerechnet werden mussBild: AFP/Getty Images

Dabei begreift sich das Militär selbst als stabilisierende Kraft, die über aller Politik steht und die Einheit des Landes garantiert. "Das Militär versucht seine Sichtweise einer 'disziplinierten Demokratie' durchzusetzen, in der nur wenig Spielraum für die Opposition bleibt", sagt Bünte und fügt hinzu: "Das Militär misstraut allen Politikern." Bestes Beispiel: Vor kurzem scheiterte eine von der USDP eingebrachte Verfassungsänderung an der Sperrminorität des Militärs, obwohl die Partei eigentlich als militärnah galt. Die Änderung sollte die Einsetzung der Chefminister der 14 Verwaltungsbezirke neu regeln. Bisher werden sie vom Präsidenten direkt bestimmt, ohne Einbeziehung der Regionalparlamente. Die USDP wollte das ändern, um Vertrauen zwischen Zentralregierung und den Regionen zu fördern. Doch das Militär spielte nicht mit.

Umstrittenes Wahlsystem

Bei den Wahlen bleibt nicht nur die Position des Militärs unangetastet, sondern es wird auch das umstrittene Mehrheitswahlrecht zum Einsatz kommen. Das hat zur Folge, dass nur der Gewinner eines Wahlkreises berücksichtigt wird, während die Stimmen für andere Kandidaten unter den Tisch fallen. Die Repräsentation der Parteien im Parlament können insofern erheblich von der landesweiten Gesamtzahl der gewonnen Wählerstimmen abweichen. Eine von der USDP unterstützte und von der NLD abgelehnte Änderung des Wahlsystems war im Dezember 2014 nicht zustande gekommen. Die USDP versprach sich von einer Änderung Zugewinne, die NLD fürchtete um Sitze im Parlament. Zieht man das eine Viertel der vom Armeechef berufenen Abgeordneten ab, stehen 330 Sitze im Unterhaus und 168 im Oberhaus zur Wahl.

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