Kaum jemand kennt sie: die Etrusker, die erste Hochkultur im antiken Italien. Das soll sich ändern, denn in Karlsruhe wird mit der ersten großen deutschen Etrusker-Schau seit vielen Jahren an dieses Volk erinnert.
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Die Kunstschätze der Etrusker
Von den Etruskern gibt es nur wenige schriftliche Hinterlassenschaften. Umso mehr erzählen archäologische Funde über die erste Hochkultur und Großmacht Italiens. 400 davon sind im Karlsruher Schloss zu bestaunen.
Bild: Polo Museale della Toscana
Wo sich Diesseits und Jenseits berühren...
Zwischen dem 7. und 2. Jh. v. Chr. schmückten die Etrusker das Innere ihrer Gräber mit Wandmalereien. Diese beinhalten Jenseitsbezüge, sind aber zugleich Spiegel der etruskischen Lebenswirklichkeit, in der Wohlstand und Daseinsfreude stolz zur Schau gestellt werden. Das Bild zeigt die Nachbildung einer Grabkammer.
Bild: Badisches Landesmuseum, Foto: Uli Deck
Feine Kunst in Terracotta
Die vielfältigen Formen der etruskischen Gräber bargen in Südetrurien meist Sarkophage, in Nordetrurien Urnen. Die Gräber variierten im Laufe der Zeit. Sie folgten regionalen Traditionen und waren abhängig von Vermögen und gesellschaftlichem Rang des Verstorbenen. Hier ein kunstvoll gestaltete Urnendeckel aus Terracotta .
Bild: Polo Museale della Toscana
Ein älteres Paar
Dieser Urnendeckel, ebenfalls aus Terracotta, zeigt ein gelagertes Ehepaar. Er entstand Ende des 3. Jahrhunderts vor Christi Geburt. Den Etruskern war der Glaube an ein Leben nach dem Tod sehr wichtig. Mit ein Grund dafür, dass sie ihre Toten mit Zeremonien ehrten, ihnen Opfer darbrachten und ihnen Beigaben in die Gräber legten.
Bild: SABAP per l’area metropolitana di Roma, la provincia di Viterbo e l’Etruria meridionale
Das Ei der Etrusker
Dieses aufwendig bemalte Straußenei stammt aus dem östlichen Mittelmeerraum und ist phönizisch-punischen Ursprungs. Es entstand Mitte des 7. vorchristlichen Jahrhunderts. Das Mittelmeer war von großer Bedeutung für die Entwicklung der etruskischen Kultur. Es war das Medium für schnelle Mobilität, für Waren- und Personenverkehr und ermöglichte weitreichende Handelskontakte.
Bild: Polo Museale del Lazio
Schwarz, erlesen und edel
Um ca. 675/650 v. Chr. trat eine typisch etruskische Keramikgattung in Erscheinung, der sogenannte Bucchero, was übersetzt "wohlriechende Töpfererde" bedeutet. Er besaß eine schwärzlich glänzende Oberfläche. Dieser Bucchero-Aryballos stammt aus Montalto di Castro in der Region Latium und wurde etwa Mitte des 7. Jahrhunderts vor Christi Geburt hergestellt.
Bild: Museo Nazionale Etrusco di Villa Giulia, Rom
Griechischer Import
Nicht alle keramischen Produkte stellten die Etrusker selbst her. Links steht eine Nikosthenische Amphora. Dieser Typ wurde im späten sechsten Jahrhundert v. Chr. vom Athener Töpfer Nikosthenes erfunden und war für den Export nach Etrurien bestimmt. In der Mitte eine Caeretaner Hydrien, eine besonders farbenfrohe Gattung der griechischen Vasenmalerei.
Bild: Badisches Landesmuseum, Foto: Uli Deck
Lebensgroße Rednerfigur
Der vermutlich spektakulärste Fund überhaupt: normalerweise steht die lebensgroße Bronzestatue des Etruskers Avle Metele in Florenz. Der "Aringatore" (Redner) trägt eine römische Toga. Die Figur stammt aus dem 2. bis 1. Jahrhundert vor Christus und ist nur ein weiteres Beispiel für die handwerklich-künstlerischen Spitzenleistungen dieses antiken italienischen Volks.
Bild: Polo Museale della Toscana
Praktisch und schön
Wer einen Avle Metele erschaffen kann, der ist auch in der Lage, dieses Bankettgeschirr aus Bronze herzustellen. Es ist von herausragender Produktion und besonderem Design.
Bild: Soprintendenza ABAP per l’area metropolitana di Bologna e le Province di Modena, Reggio Emilia e Ferrara
Pures Gold
Die nächste Steigerung: goldene Traubenohrringe. Etruskische Goldschmiede beherrschten meisterlicher noch als Phöniker und Griechen die kompliziertesten Techniken. Diese Ohrringe stammen aus einer Totenstadt, der Banditaccia-Nekropole. Solche baulich gestalteten Begräbnis- und Weihestätten finden sich in Etrurien häufig. Die Nekropolen lagen zumeist außerhalb der Wohnsiedlungen.
Bild: Soprintendenza ABAP per l’area metropolitana di Roma, la Provincia di Viterbo e l’Etruria Meridionale
Weibliche Schönheit
Da die Etrusker einen ausgeprägten Totenkult pflegten, waren die Grabbeigaben sehr verschieden. Auch diese weibliche Büste stammt aus der Banditaccia-Nekropole und wurde zwischen dem 4. und 3. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung gefertigt.
Bild: Polo Museale del Lazio
Der Rest von Hermes
Dieser Kopf ist alles, was von der Hermes-Statue übrig blieb, die einst den berühmten Tempel von Veji zierte. Die Ursprünge der etruskischen Religion sind nicht bekannt. In späteren Perioden war sie jedoch stark von der griechischen Mythologie beeinflusst. Hermes ist darin ein Schutzgott. Als Götterbote verkündet er die Beschlüsse des Zeus und führt die Seelen der Verstorbenen in die Unterwelt.
Bild: Badisches Landesmuseum, Foto: Uli Deck
Etruskischer Götterhimmel
Der Glaube der Etrusker war also von griechischen Einflüssen durchsetzt. Doch die etruskische Religion war im Kern ihres Wesens völlig ungriechisch. Sie verkündete die totale Unterwerfung des Menschen unter den göttlichen Willen und reichte bis tief in die individuelle Lebensführung. Wie der etruskische Götterhimmel aussieht, versucht die Ausstellung durch eine Projektion zu inszenieren.
Bild: Badisches Landesmuseum, Foto: Uli Deck
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Vor rund 2900 Jahren traten die Etrusker aus dem Dunkel der Geschichte - und wie: Bis zum 1. Jahrhundert v. Chr. bestimmte diese frühe Hochkultur Italiens das Schicksal des westlichen Mittelmeerraums. Das bedeutet auch, dass die Etrusker neben den Griechen die römische Kultur am meisten beeinflusst haben. Sie selbst nannten sich Raśna. Etrurien, ihr Siedlungsgebiet, lag in Mittel- und Norditalien. Es umfasste die Toskana, den nördlichen Teil des heutigen Latium und Teile Umbriens. In seiner größten Ausdehnung reichte es 500 v. Chr. von Mantua im Norden bis einschließlich Rom im Süden. Vielleicht sollte man besser sagen, einschließlich des Stadtgebiets des späteren Roms. Immerhin waren es Etrusker, die die Dörfer auf den sieben Hügeln zu einer Stadt zusammenfassten und dort ein Königreich gründeten.
Ein besonderes Volk
Der Abschnitt vom 7. bis zum 5. vorchristlichen Jahrhundert war zugleich die Blütezeit der Etrusker. Der antike Historiker Dionysios von Halikarnassos bewunderte sie als "uraltes, von allen anderen sich unterscheidendes Volk". Über dessen Herkunft streiten Wissenschaftler bis heute. Eine Mehrheit vertritt die These, sie seien aus Kleinasien (heutige Türkei) eingewandert. Andere halten sie für einen alteingesessenen Stamm, der sich im Laufe der Zeit entwickelte. Allerdings stützen DNA-Untersuchungender Bevölkerung derToskana die erste These. Danach soll es Hinweise darauf geben, dass hier einst eineEinwanderung ausAnatolien stattgefunden hat. Ihre Sprache ist jedenfalls mit fast keiner bekannten Sprache vergleichbar - außer Lemnisch, und das wurde vermutlich in einer Region der Ägäis gesprochen, also auf der anderen Seite der italienischen Halbinsel.
Da Schrift und Sprache der Etrusker nur bruchstückhaft verständlich sind und es nicht viele schriftliche Aufzeichnungen gibt, vermag nur die Archäologie ihre Geheimnisse zu entschlüsseln. Fest steht, dass dieses Volk nicht nur aus guten Landwirten oder Händlern bestand. Sie waren auch hervorragende Handwerker. In der Metallverarbeitung und im Töpfern vollbrachten sie Spitzenleistungen, wie zahlreiche archäologische Funde eindrucksvoll belegen - und wovon sich die Besucher der Schau im Karlsruher Schloss mit eigenen Augen überzeugen können.
Liebe zur Schönheit
Aktuelle Forschungen werfen ein neues Licht auf die rätselhafte Zivilisation der Raśna: Ein blühendes Städtewesen und eine vielfältige Alltagskultur bezeugen Wohlstand und Lebensfreude, Kunstwerke von eigenwilliger Ausdrucksstärke die Liebe zur Schönheit. Prachtvolle Heiligtümer und monumentale Gräber mit farbenfrohen Wandmalereien sowie kostbaren Grabbeigaben geben Aufschluss über die Religiosität der Etrusker. Dabei verdanken sie Inspiration und Innovation, vielleicht sogar ihre einzigartige Identität, auch der intensiven Begegnung und dem Austausch mit anderen Zivilisationen des Altertums - Phöniziern, Griechen, Kelten oder Römern. Immerhin waren die Etrusker auch hervorragende Seefahrer, sodass auch mit entfernteren Gegenden der damalig bekannten Welt ein Kulturtransfer gepflegt werden konnte.
Im Schatten der Römer
Dass die Etrusker heute kaum geschichtlich wahrgenommen werden, ist der Tatsache geschuldet, dass sie etwa vom dritten vorchristlichen Jahrhundert an allmählich untergingen und im immer stärker werdenden römischen Reich aufgingen. So verwundert es nicht, dass zahlreiche Entwicklungen, die vermeintlich den Römern zugeschrieben werden, eigentlich etruskischen Ursprungs sind. Ihre Städte hatten bereits befestigte Straßen, bewusst geplante öffentliche Räume und Plätze, Wasserversorgung und Kanalisation. Auch in Architektur und Technik waren sie so weit fortgeschritten, dass die Römer auf diesem Wissen übergangslos aufbauen konnten. Man kann die Etrusker mit Fug und Recht als die Lehrmeister der Römer bezeichnen, in deren Schatten sie bis heute stehen.
Allerdings haben einige Begriffe der Etrusker über Umwege auch Eingang in diverse Sprachen genommen. So leitet sich das Wort "Person" vom Namen des etruskischen Dämons Phersu ab und kommt über das lateinische Wort "persona" (Maske) in die modernen europäischen Sprachen.
Gaius Maecenas, um 70 v. Chr. geboren, hatte eine etruskische Mutter. Der Vertraute und politische Berater des römischen Kaisers Augustus war außerdem ein Förderer der Künste. Sein Name stand Pate für den Begriff Mäzen, den wir heute noch verwenden, wenn ein Wohlhabender Kunst und Kultur fördert.
Außerdem ist das kleinste Säugetier der Welt nach den Etruskern benannt: Die im Mittelmeerraum verbreitete Etruskerspitzmaus hat eine Körperlänge von maximal 4,8 Zentimetern und frisst täglich das Doppelte ihres Körpergewichts.
Hochkarätige Exponate
Vom 16.12.2017 - 17.06.2018 können Besucher die beeindruckende und einmalige etruskische Kunst und Kultur entdecken. Von uralten Reliefs über Statuen, Waffen und Schmuck bis hin zu Alltags- und Kultgegenständen. Anhand von rund 400 hochkarätigen Exponaten, die teils noch nie in Deutschland gezeigt wurden, wird diese bemerkenswerte antike Hochkultur vorgestellt - und sogar eine Etruskerspitzmaus ist mit von der Partie.