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Politik

Hilfsbereitschaft nach dem Beben

Verónica Calderón
21. September 2017

Mexiko-Stadt hat sich noch längst nicht von dem schweren Erdbeben erholt, das über 200 Tote gefordert hat. Überall helfen Freiwillige, Überlebende zu bergen - Tag und Nacht. Verónica Calderón berichtet aus Mexiko-Stadt.

Mexiko Erdbeben in Mexiko Stadt
Erdbeben in Mexiko: In der ganzen Stadt sind Freiwillige unterwegs Bild: DW/V. Calderon

Anwohner und Bergungstrupps suchen weiter nach Überlebenden des schweren Erdbebens, das in Mexiko-Stadt und einigen umliegenden Gebieten dutzende Häuser zum Einsturz gebracht hat. Die Stimmung auf den sonst belebten Straßen der Hauptstadt ist gedrückt. Steigende Opferzahlen erinnern die Menschen an das Beben von 1985, das auf den Tag genau 32 Jahre zuvor mit einer Stärke von 8,0 auf der Richterskala zuschlug und rund 5000 Todesopfer forderte.

Das wohlhabende Viertel La Roma hat schwere Schäden davongetragen und bietet ein Bild dessen, was jetzt überall in Mexiko-Stadt passiert. Die ungewohnte Stille wird nur ab und zu durch Sirenengeheul und das Geknatter von Hubschraubern unterbrochen. Eine Frage wird jetzt überall gestellt, so wie immer nach einer Katastrophe: "Todos bien?" - "Alles in Ordnung?"

Kaum jemand hatte die erste Nacht nach dem Erdbeben geschlafen: Die einen, weil sie nicht wussten, ob sie in ihre möglicherweise einsturzgefährdeten Häuser zurückkehren konnten und viele andere, weil sie helfen wollten.

Manche Gebäude sind völlig in sich zusammengestürztBild: picture-alliance/MAXPPP/Kyodo

Kein Strom, kein Internet

Kurz nach dem Erdbeben fiel in vielen Gegenden der Strom aus. Laut Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto seien fast 40 Prozent der Stadt betroffen. Internetverbindungen brachen immer wieder zusammen. Viele versuchten, mit ihren Verwandten zu telefonieren, aber auch das Telefonnetz war zusammengebrochen. Die wohl größte Ironie: Freunde und Angehörige im Ausland wussten oft besser über die Lage in Mexiko-Stadt Bescheid als die Bewohner der Stadt.

Aber die Bürger reagierten auf die Katastrophe so, so wie sie schon auf die von 1985 reagiert hatten. Innerhalb von Minuten übernahmen sie die Arbeit der Verkehrspolizisten auf der Avenida de los Insurgentes, der größten Ausfallstraße Lateinamerikas. Die Ampeln waren ausgefallen. Und die Autofahrer richteten sich sogar nach ihnen.

Ohne Strom und Internetverbindungen erfuhren viele Einwohner erst allmählich vom Ausmaß der Zerstörungen. Genauso wie nach dem Beben vor 32 Jahren sind batteriebetriebene Radios wieder zur Hauptinformationsquelle geworden, aber auch zu einem Medium, über das Hilfe organisiert werden kann. Langsam werden jetzt auch die Fernmeldeverbindungen wiederhergestellt. In den Notunterkünften bittet man freiwillige Helfer, sich bei den Bergungsarbeiten abzuwechseln, weil sich so viele Helfer gemeldet haben. Ärzte, Ingenieure, Architekten, Dolmetscher, Bauarbeiter, Busfahrer - sie alle kommen zusammen, um zu helfen.

In manchen Koordinierungsstellen muss man Freiwillige sogar abweisen, weil es so viele sindBild: DW/V. Calderon

Hoffnung inmitten der Tragödie

Mindestens 32 tote Kinder und fünf Erwachsene wurden im Colegio Enrique Rebsamen, einer Schule in Villa Coapa südlich von Mexiko-Stadt, gefunden. Fatima Navarro, einem kleinen Mädchen, gelang es, mitten in der Nacht aus dem eingestürzten Gebäude eine SMS zu schicken. Sie wurde gerettet, ebenso wie weitere 70 Überlebende.

Das Epizentrum des Bebens befand sich nach Angaben des Seismologischen Instituts der USA 55 Kilometer südwestlich der Stadt Puebla im gleichnamigen Bundesstaat. Puebla ebenso wie der Nachbarbundesstaat Morelos, wo dutzende Menschen ums Leben kamen, erlitten schwere Schäden.

Mancherorts ist die Hilfsbereitschaft so groß, dass freiwillige Helfer auch abgelehnt werden. Salvador González, ein Busfahrer aus der Stadt Ecatepec, bekam in der Notunterkunft in Lindavista zu hören, man habe bereits zu viele Freiwillige. "Ich bin gekommen, um meinen Brüdern zu helfen! Ich will helfen!", rief er. Jemand riet ihm, er solle zu einer anderen Notunterkunft gehen, wo noch Helfer gebraucht würden. "Da gehe ich jetzt hin", sagte er, "ich muss das Gefühl haben, dass ich etwas Sinnvolles mache", sagte González.

Die Firma Corona, eine der bekanntesten Biermarken Mexikos, hat ihre Lastwagen zur Verfügung gestellt. Viele private Krankenhäuser haben ihre Türen für kostenlose Behandlung geöffnet. Restaurants bieten Helfern einen Imbiss an. Doch der größte Unterschied zum normalen Leben ist: Die sonst so lebendige Stadt wirkt still. Es ist, als sei allen schmerzlich bewusst, dass jetzt eben nicht alles in Ordnung ist, eben nicht: "todos bien".

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