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Literatur

Heinrich Riethmüller über den Deutschen Buchpreis

Andrea Horakh5. Oktober 2016

Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels steht hinter dem Deutschen Buchpreis. Und seit 2006 ist die Deutsche Welle Medienpartner. Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins, über Ziele und Literatur in Bildern.

Börsenverein des Deutschen Buchhandels Heinrich Riethmüller
Bild: Claus Setzer/Börsenverein

DW: Der Deutsche Buchpreis wurde 2005 ins Leben gerufen. Was war der Grund?

Heinrich Riethmüller: Wir wollten den deutschen Roman international bekannter machen. Die Engländer und Franzosen waren da schon weiter. Sie hatten bereits große Publikumspreise. In Deutschland gab es so etwas noch nicht.

Gab es internationale Vorbilder?

Natürlich. Wir haben uns am Prix Goncourt und dem Man Booker Prize orientiert. Die Idee war, eine Liste von Büchern auszuwählen, diese auf eine Longlist und später auf eine Shortlist zu setzen, statt von vornherein ein Buch oder einen Autor zu fokussieren.

Den Deutschen Buchpreis gibt es erst seit zwölf Jahren. Der Man Booker Prize und der Prix Goncourt haben eine viel längere Tradition. Ist ein Vergleich mit diesen internationalen Pendants nicht unfair?

Nicht unbedingt! Gleich der erste Buchpreis-Gewinner, Arno Geiger, hatte zum Beispiel eine unglaubliche Resonanz – auch im Ausland! Viele der ausgezeichneten Romane wurden später übersetzt. Ausländische Verleger bestätigen mir, dass selbst die Nominierung für die Shortlist einen Unterschied macht, wenn es um die internationale Vermarktung oder die Lizenzverkäufe geht.

Gab es in all den Jahren Korrekturen im Auswahlprozedere?

Nur leichte Veränderungen. Die großen Verlage haben sich nicht damit begnügen wollen, nur ein oder zwei Bücher einzureichen. Jetzt dürfen sie bis zu fünf weitere Titel empfehlen.

Wie wird die Jury für den Deutschen Buchpreis jedes Jahr zusammengestellt?

Heinrich Riethmüller im Gespräch mit DW-Redakteurin Andrea HorakhBild: Monique Wüstenhagen

Wir achten zunächst darauf, dass die Jury sehr ausgewogen ist. Das heißt, dass ebenso viele Frauen wie Männer vertreten sind, um sozusagen den weiblichen und den männlichen Blick auf die Literatur abzudecken. Und die Juroren zeichnen sich durch eine große Unabhängigkeit aus. Das merkt man immer wieder bei den Jurysitzungen. Da wird über jeden Autor, jedes Buch heiß diskutiert und nicht alles durchgewunken. Juroren äußern auch sehr klar, wenn zum Beispiel ihr Lieblingsbuch auf der Liste fehlt.

In der Buchpreis-Jury sitzen nicht nur Literaturkritiker, sondern auch Buchhändler. Warum?

Weil uns ihre Erfahrung sehr wichtig ist. Buchhändler sind sehr nah am Leser. Dadurch haben sie einen anderen Blick auf die Literatur, als zum Beispiel ein Kritiker.

Es gehört schon fast zur Buchpreis-Tradition, dass jede Juryentscheidung medienwirksam kritisiert wird, teilweise auch sehr vehement. Wie sehr stört Sie das?

Ich als Vorsteher des Börsenvereins vertraue da voll und ganz auf die Kompetenz der Jury und habe auch keinen Einfluss auf ihre Entscheidungen. Als eifriger Leser kann es schon mal passieren, dass ich den einen oder anderen Titel persönlich vermisse. Aber das ist, glaube ich, ganz normal. Das Tolle ist doch, dass drei Monate lang im Herbst über Bücher diskutiert wird – in den Feuilletons, in den Buchhandlungen.

Was sagen Sie zu Kritik, dass die Jury oft am Leser vorbei entscheidet?

Das kann man so überhaupt nicht sagen. Nehmen sie das Beispiel von Julia Franck. Sie war vorher nicht sehr bekannt und hat durch den Buchpreis-Gewinn extrem viel Aufmerksamkeit bekommen. Selbst der Gewinner von 2015, Frank Witzel hat mit seinem zugegebenermaßen etwas sperrigen Roman den Weg zum Leser gefunden. Ich glaube, es wurden rund 75.000 Exemplare verkauft. Es ist nicht im Sinne des Deutschen Buchpreises, Bücher, die bereits auf den Bestsellerlisten stehen, auszuzeichnen. Das kann manchmal passieren, ist aber nicht das einzige Kriterium.

Publikumsfavoriten wie die Bücher von Joachim Meyerhoff oder unglaubliche Erfolgsromane wie "Tschick" schaffen es fast nie auf die Shortlist. Viele Buchpreis-Gewinner geraten dagegen in Vergessenheit.

Gewinner-Roman 2011

Es gibt sicherlich den einen oder anderen Roman, der nicht in Erinnerung bleibt und auch im Verkauf keine Rolle mehr spielt. Aber auf die meisten trifft das nicht zu. Ein Beispiel: Eugen Ruge! Vor seinem Gewinn war er völlig unbekannt. Mit dem Buchpreis hat er sich in die erste Liga der deutschsprachigen Autoren geschrieben. Auch seine neuen Bücher haben sehr hohe Auflagen.

Kathrin Schmidt, Terézia Mora – viele der ausgezeichneten Romane prägt doch eine gewisse Schwere. Warum?

Große Literatur zeichnet sich auch dadurch aus, dass sie große Themen anpackt. Und die sind oftmals – nicht immer – mit einer gewissen Schwere verbunden.

Ja, vor allem in Deutschland…Gibt es nach all den Jahren den Wunsch, etwas zu verändern, eine Art Reformbedarf beim Deutschen Buchpreis?

Nein, eigentlich nicht. Man kann sicherlich überlegen, ob man in Richtung Neue Medien etwas ausprobiert oder vielleicht mehr Leser einbezieht. Aber sonst läuft es doch, so wie es ist, sehr gut.

Die Deutsche Welle ist seit 2006 Medienpartner beim Deutschen Buchpreis und produziert die Videoporträts zu den Shortlist-Kandidaten. Wie wichtig ist so eine visuelle Ebene in der Literatur?

Das wird zunehmend wichtiger, gerade in einer von Bildern geprägten Zeit. Nur das gedruckte oder gesprochene Wort erreicht nicht mehr so viele Menschen. Deswegen sind wir sehr glücklich, einen Kooperationspartner gefunden zu haben, der diesen visuellen Aspekt realisieren kann.

Heinrich Riethmüller ist seit 2013 Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Der gelernte Buchhändler führt auch die Geschäfte der Osianderschen Buchhandlung. Das Familienunternehmen gehört zu den ältesten und größten Buchhandlungen Deutschlands.