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Politik

Große Mehrheit für britische Konservative

13. Dezember 2019

Premier Johnson kann sich freuen. Für seinen Brexit-Kurs erhält er eine absolute Mehrheit im Parlament. Labour-Chef Corbyn zieht Konsequenzen. Aus London Bernd Riegert.

UK Wahlen 2019 | Erste Hochrechnung
Leuchtreklame am BBC-Gebäude in London: 368 Sitze für Johnson prognostiziertBild: Getty Images/AFP/T. Akmen

Premier Boris Johnson hat einen großen Sieg eingefahren. Mindestens 362 der insgesamt 650 Sitze bescheren dem Brexit-Vorkämpfer eine komfortable absolute Mehrheit im britischen Unterhaus. Boris Johnson schrieb in einer E-Mail an seine Parteimitglieder: "Ich hoffe, ihr könnt heute Nacht feiern." Die sozialdemokratische Labour-Opposition ist empfindlich geschlagen. Damit hat der konservative Wahlsieger jetzt freie Bahn, das Austrittsabkommen mit der EU schnell durch das neue Parlament zu bekommen und sein Wahlversprechen wahr zu machen: Brexit am 31. Januar.

Labour-Chef Jeremy Corbyn kam nur auf 203 Sitze und hat damit eines der schlechtesten Ergebnisse in der britischen Geschichte erzielt. Corbyn versprach "echten Wandel", den die Wähler offenbar nicht wollten. Als Konsequenz kündigte er an, nicht mehr als Spitzenkandidat anzutreten. Für einen nun anstehenden "Reflexionsprozess" wolle er jedoch Labour-Vorsitzender bleiben.

An der Mehrheit für Johnson ist nicht mehr zu rütteln

Boris Johnson hatte die absolute Mehrheit bereits vor der Auszählung aller 650 Wahlkreise. Der konservative Premierminister hatte vor der Wahl keine einzige entscheidende Abstimmung im Parlament mehr gewinnen können, weil ihm sein Koalitionspartner, die nordirische Nationalistenpartei DUP, die Unterstützung entzogen hatte. Der Wahlkampf hatte sich auf etwa 30 Wahlkreise konzentriert, wo die beiden bestplatzierten Kandidaten sehr nahe aneinander lagen und wenige Wechselwähler reichten, um den Wahlkreis zu erobern. Im britischen Wahlrecht gewinnt der Abgeordnete mit den meisten Stimmen das Mandat eines Wahlkreises. 

Die Auszählung läuft in Turnhallen und Gemeindezentren in Großbritannien, hier in HartlepoolBild: Reuters/L. Smith

Das Wahlvolk will den Brexit

Beide Lager, Konservative und Labour, hatten die Wahl zur historischen Richtungsentscheidung erklärt. Premierminister Boris Johnson hatte von der "wichtigsten Wahl in unserer Generation" gesprochen. Die Engländer, Waliser, Schotten und Nordiren waren quasi zu einer zweiten Volksabstimmung über den Brexit, den Ausstieg des Vereinigten Königreiches aus der EU aufgerufen. Die Wahlbeteiligung war deshalb wohl auch höher als bei der letzten Wahl trotz des nasskalten Winterwetters.

Der Brexit war das alles beherrschende Wahlkampfthema. Boris Johnson versprach den Brexit nach jahrelangen Verhandlungen mit der EU und zahlreichen Abstimmungen im Unterhaus nun tatsächlich über die Bühne zu bringen. "Wäre es nicht toll, wenn wir den Truthahn zu Weihnachten mit der Gewissheit essen könnten, der Brexit ist durch?" fragte Johnson seine Anhänger bei der letzten großen Wahlkampfveranstaltung. Er will die Abstimmung über den von ihm mit der EU im Oktober veränderten Austrittsvertrag wahrscheinlich am Samstag vor Weihnachten auf die Tagesordnung des neuen Parlaments setzen.

Spitzenkandidaten bei der Stimmabgabe: Labour-Chef Corbyn, Boris Johnson mit Hund DilynBild: AFP/T. Akmen/L.eal-Olivas

Absage an zweites Referendum

Der Labour-Chef Jeremy Corbin, dem in Umfragen viel weniger Wähler das Zeug zum Premierminister bescheinigten, warb mit einem anderen Brexit-Weg. Er wollte das Austrittsabkommen erneut mit der Europäischen Union nachbessern. Dann sollte der Vertrag in einer zweiten Volksabstimmung auf den Prüfstand. In diesem zweiten Referendum sollten dann die Wähler auch die Möglichkeit bekommen den Brexit ganz zu stoppen.

Die Liberaldemokraten und die schottische Nationalpartei SNP wollten den Brexit ebenfalls stoppen. Die schottische Partei, die für Unabhängigkeit des Landesteils im Norden eintritt, hätte zu diesem Zweck eine Minderheitsregierung von Labour toleriert. Die Brexit-Partei um den ehemaligen Europa-Abgeordneten Nigel Farage schnitt bei der Wahl nur schwach ab, obwohl sie glasklar für den Ausstieg zur Not auch ohne Brexit-Vertrag am 31. Januar eintrat. Viele Anhänger der Ein-Thema-Brexit-Partei haben nach der Meinung von Wahlanalysten wohl doch lieber die Konservativen gewählt, um eine Mehrheit der Konservativen von Boris Johnson zu sichern. In vielen Wahlkreisen hatte Farage darauf verzichtet, eigene Kandidaten aufzustellen. In wieder anderen Wahlkreisen bekamen die Sozialdemokraten von Labour "Leihstimmen" von Liberaldemokraten, um den stärkeren Kandidaten zu stützen. Das sogenannte taktische Wählen war bei dieser Parlamentswahl auch von den Parteien in ihren Werbekampagnen im Internet und in sozialen Medien forciert worden.

Höhere Wahlbeteiligung bei historischer Wahl: Schlangen im Wahllokal in LondonBild: picture-alliance/Zumapress

Boris Johnson liefert herausragenden Wahlsieg ab

Aus der dritten Unterhauswahl seit 2016 gehen die schottischen Nationalisten gestärkt hervor. Die Regierungschefin von Schottland, Nicola Sturgeon, will so bald wie möglich ein zweites Referendum zur Unabhängigkeit Schottlands abhalten lassen. Ihr Argument ist, dass die Schotten in der EU bleiben wollen und deshalb aus der Union mit England, Wales und Nordirland aussteigen müssten, sobald der Brexit Wirklichkeit wird.

Boris Johnson hat während des Wahlkampfs einen Wirtschaftsboom, mehr öffentliche Investitionen in das Gesundheitswesen und die Polizei versprochen. Er behauptete sogar, es würden mehr Babies in Großbritannien geboren werden, weil die Menschen nach dem Brexit glücklicher sein würden. Sollte der Brexit Ende Januar stattfinden, würde sich praktisch für die Briten und die EU erst einmal wenig ändern. Es bräche eine 11 Monate während Übergangsfrist an, in der EU-Recht in Großbritannien einfach weiter gilt und die Briten im Binnenmarkt blieben. Bis Ende nächsten Jahres will der Premierminister ein umfassendes Handelsabkommen mit der EU aushandeln. Parallel will er auch mit anderen Weltregionen, zum Beispiel seinem Verbündeten US-Präsident Donald Trump, verhandeln. EU-Chefunterhändler Michel Barnier nennt das sehr ehrgeizig. Viele EU-Diplomaten halten das für unmöglich.

Britische Parlamentarier von der Labour-Opposition fürchten deshalb, dass am 31.12.2020 trotz aller Irrungen und Wirrungen doch noch ein "harter Brexit" ohne Handelsabkommen drohen könnte. Aber diese Aussicht konnte die Wählerinnen und Wähler offenbar in ihrer Mehrheit nicht schrecken. Sie folgten dem Slogan von Boris Johnson: "Bringen wir den Brexit hinter uns!" Sollte sich die Projektion bestätigen, dann hätte Boris Johnson die größte Mehrheit seit der konservativen Premierministerin Margret Thatcher, der "Eisernen Lady", erreicht, die vor vierzig Jahren ihre erste Wahl gewann.

 

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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