"House of Cards" gilt als Geniestreich in Sachen Polit-Unterhaltung. Dabei hat sich Hollywood schon früh für Politik interessiert: Der Blick wurde dabei zunehmend schonungsloser.
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US-Politik im amerikanischen Film
Kino und Fernsehen haben die US-Politik schon immer begleitet. Früher waren es Ikonen wie James Stewart und Henry Fonda, die als US-Politiker auf der Leinwand strahlten. Heute ist es Kevin Spacey in "House of Cards".
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Fiktion und Wirklichkeit: House of Cards
Als die US-Serie "House of Cards" 2013 erstmals ausgestrahlt wurde, dachten viele noch, so übel könne es in der echten Politik gar nicht zugehen. Mit der Wahl von Donald Trump hat sich das verändert. Schonungslos zeigt "House of Cards", mit welchen Mitteln Wahlkampf geführt werden kann. Heute erscheint die Serie vielen Beobachtern leider als allzu realistisch.
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Politischer Idealismus I: Mr. Smith geht nach Washington
Vor knapp 80 Jahren sah es noch anders aus in Hollywood. Damals zeichneten die Regisseure und Produzenten ihre Politiker im Kino noch voller Heroismus und Idealismus. Ein schönes Beispiel für diese "hoffnungsvollen" Politfilme jener Zeit ist "Mr. Smith geht nach Washington" mit James Stewart aus dem Jahre 1939.
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Politischer Idealismus II: Young Mr. Lincoln
Neben James Stewart sorgte vor allem Henry Fonda dafür, dass den Kinozuschauern ein eher positives Bild von ihren Politikern gezeigt wurde. Fonda war im Film "Young Mr. Lincoln" von 1939 ein angehender Präsident voller Güte und Menschlichkeit.
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Desillusionierung: Der Kandidat
Ein anderes Politiker-Bild zeichneten die Regisseure in den 1960er Jahren. Einer der herausragenden Filme des Genres war 1964 Franklin J. Schaffners "Der Kandidat". Zwei Politiker (Cliff Robertson, l.) treten hier gegeneinander an, beide wollen Präsident werden. Der von Robertson gespielte Kandidat ist ein purer Opportunist, sein Gegenspieler Henry Fonda ist weniger negativ gezeichnet.
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Nachdenklich: Bill McKay - Der Kandidat
Wiederum ein paar Jahre später hielten sich in "Bill McKay - Der Kandidat" Idealismus und Pessimismus die Waage. Robert Redford spielt im Film von 1972 den sympathischen Kandidaten der Demokraten, der am Ende auch siegt. Zurück bleiben allerdings viele Einsichten über die Verdorbenheit der Politik.
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Einblick in die Wirklichkeit: Primary Colors
Durchaus realistisch waren wohl auch die Einblicke, die der Film "Primary Colors" im Jahre 1998 vermittelte. Der Roman eines zunächst anonymen Autors, dem die Filmhandlung zugrunde liegt, hatte sich mit dem Wahlkampf des späteren Präsidenten Clinton auseinandergesetzt. Für Hollywood ein gefundenes Fressen.
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Wahlkampf-Satire I: Wag the Dog
1997 entfachte Regisseur Barry Levinson in "Wag the Dog" ein Feuerwerk an politischen Gags und satirischen Seitenhieben. Ein Filmproduzent (Dustin Hoffman) und ein Wahlkampfmanager (Robert de Niro) greifen zu allen möglichen Mitteln, um den US-Präsidenten im Amt zu halten. Wohl selten zuvor hatte ein amerikanischer Film so unverfroren den US-Politikbetrieb auf die Schippe genommen.
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Wahlkampf-Satire II: Bulworth
Ein Jahr später gelang Regisseur und Hauptdarsteller Warren Beatty im Film "Bulworth" ein ebenso scharfer wie schonungsloser Blick auf die Verwerfungen der US-Politik und des Wahlkampfes. Die Darstellung eines demokratischen Senators, der vor seiner Wiederwahl steht, ist frei von jeglichem Idealismus.
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Wahlkampf-Satire III: Election
1999 variierte Regisseur Alexander Payne im Film "Election" die Geschehnisse rund um einen Wahlkampf, indem er die Basis ins Visier nahm. Hier geht es nicht um die Wahl von Politikern und Präsidenten, sondern um die Wahl zu einer Schulsprecherin. Die Mechanismen, so Paynes Fazit, ähneln sich stark.
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Politik im Serienformat: Commander in Chief
Seit einigen Jahren haben auch Amerikas Fernsehproduzenten und Serien-Autoren das Thema Politik entdeckt. Jahre bevor "House of Cards" zum umjubelten Medienereignis wurde, stellte der US-Sender ABC mit "Commander in Chief" ein geradezu sensationelles Szenario vor: Die erste US-Präsidentin betritt die Bühne, verkörpert von der Schauspielerin Geena Davis.
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House-of-Cards-Vorläufer: The West Wing
"The West Wing" handelt vom Alltag eines US-Präsidenten und war zwischen 1999 und 2006 ein großer Erfolg: Die Serie sammelte viele Fernseh-Preise ein und hatte ein Millionenpublikum. In insgesamt sieben Staffeln und nicht weniger als 154 Folgen vermittelte die Serie dem Zuschauer ein - wie viele Experten lobten - durchaus realistisches Bild der Politik im Weißen Haus.
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Politikkomödie: Swing Vote
Hollywood-Star Kevin Costner (hier bei der Premiere des Films) verkörperte 2008 in der Politikkomödie "Swing Vote" einen Wähler, dessen Stimme Gewicht hat. Ausgerechnet sein Votum soll bei der Wahl zwischen Demokraten und Republikanern entscheidend sein. "Swing Vote" erzählt in komödiantisch-freundlichem Tonfall vom Opportunismus vieler US-Politiker, die um die alles entscheidende Stimme buhlen.
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Wahlkampf-Mechanismen: The Ides of March
In der Tradition des engagierten Politfilms der 1970er Jahren stand 2011 George Clooneys Film "The Ides of March". Clooney, der hier einen demokratischen Präsidentschaftskandidaten spielt, wird von dem jungen Wahlkämpfer Stephen Meyers (Ryan Gosling) unterstützt. "The Ides of March" zeichnet intelligent und vielschichtig ein Bild von den Mechanismen US-amerikanischer Wahlkämpfe.
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Satire auf die Spitze getrieben: The Campaign
Ein Jahr später trieb Regisseur Jay Roach das Gelächter über Wahl und Wahlkampf à la USA auf die Spitze. In "The Campaign" arbeitete er vor allem mit derben Späßen, Humor unter der Gürtellinie und einem völlig respektlosen Blick auf den Politikbetrieb. Den Zuschauern in den USA gefiel das gut - sie machten "The Campaign" zu einem der kommerziell erfolgreichsten Filme über Wahlen und Politik.
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Wahlberatung als US-Exportschlager: Die Wahlkämpferin
2015 zeigte der Film "Die Wahlkämpferin" mit Sandra Bullock, dass amerikanische Wahlkampfmethoden auch exportfähig sind. Bullock spielt eine US-Wahlkampfstrategin, die einen Präsidentschaftskandidaten in Bolivien unterstützen soll. Der Film stützt sich dabei auf authentische Geschehnisse aus dem bolivianischen Wahlkampf 2002.
Bild: Imago/Cinema Publishers Collection
Notfallplan: Designated Survivor
Die seit September 2016 ausgestrahlte Netflix-Serie "Designated Survivor" hat einen ganz neuen Dreh gefunden. Hier muss sich niemand zur Wahl stellen - weil alle entscheidenden US-Politiker und Amtsträger bei einem Anschlag ums Leben gekommen sind. Einzig der Wohnungsbauminister (Kiefer Sutherland) ist verschont geblieben - und wird so über Nacht zum neuen US-Präsidenten.
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Moore vs. Trump: Michael Moore in Trumpland
Wenige Wochen vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen 2016 veröffentlichte Michael Moore seinen Film "Michael Moore in Trumpland". Der streitlustige Regisseur zeigte dabei Trump sowie dessen Wahlkampf in dokumentarischer Form - und ließ Bilder und Töne für sich sprechen.
Bild: picture-alliance/dpa/Dog Eat Dog Films
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"Halten Sie mich für einen Heuchler? Das sollten Sie! Der Weg zur Macht ist mit Scheinheiligkeit und Opfern gepflastert. Bereuen Sie nichts!" Man kann Frank Underwood alias Kevin Spacey ja nun wirklich nicht vorwerfen, er spreche in der Serie "House of Cards" keinen Klartext.
Auch wenn nicht alles ganz so neu war in "House of Cards", wie manche Experten in den Jahren seit der Erstausstrahlung der US-Serie 2013 behaupteten, zumindest der Grad an Zynismus und die schonungslose Darstellung von purem Machtstreben war selten in dieser Deutlichkeit von amerikanischen Film- und Fernsehmachern vorexerziert worden. Hollywood und die großen US-Fernsehsender beschäftigen sich seit vielen Jahren intensiv mit Politik und Wahlkampf. Nur eben nicht ganz so drastisch in der Darstellung von Politikern und deren Agieren.
"House of Cards" wurde vielfach ausgezeichnet
Es ist viel geschrieben worden über "House of Cards", auch in Deutschland. Dabei wurde die Serie um den Aufstieg von Frank und Claire Underwood zunächst überwiegend gelobt. Vor allem im Vergleich mit ähnlich gearteten Serien und Filmen aus Deutschland schnitt "House of Cards" meist gut ab. In jüngster Zeit mischen sich aber durchaus auch kritische Stimmen in die überwiegend positiven Besprechungen.
So merkte eine große deutsche Tageszeitung ("Die Welt") vor kurzem in einer Feuilleton-Serie unter dem Obertitel "Denkmalsturz" an: "'House of Cards' sieht aus, als hätte es Leni Riefenstahl gedreht. Ganz Washington scheint ein von unten beleuchteter Nazi-Bau, und wenn Robin Wright als Claire Underwood das starke Kinn in die Kamera reckt, könnte man glatt glauben, dass sie schon 1936 im Berliner Olympiastadion zum Speerwurf angetreten ist." Offenbar gebe es in "House of Cards" noch Herrenmenschen. Das war starker Tobak, aber auch ein Zeichen dafür, dass die US-Serie nicht nur positive Reaktionen auslöst.
Die Serie ist handwerklich gut gemacht und hat Fans in aller Welt
Und der Vergleich mit deutschen Serien? "Halten Sie 'Derrick' daneben, die flimmernde Nemesis der Bonner Republik - vom Budget abgesehen, sind die Unterschiede lässlich", spottete der Rezensent "Der Welt". Darüber kann man natürlich streiten. "House of Cards" hat weltweit viele Fans. Sicher nicht ganz zu Unrecht. Die Darsteller sind glänzend, die meisten Spannungsbögen gut gesetzt, die Aufsplitterung von Politik in viele Facetten ist überzeugend dargestellt. Und dass die Produzenten der Serie die Politiker in ein glorifizierendes Licht setzen würden, kann nun wahrlich niemand ernsthaft behaupten.
Hollywood (und später auch das US-Fernsehen) haben schon vor vielen Jahren ihre Kameras auf das Geschehen in der Politik gerichtet. Anfangs mit meist heroischem Impetus und stark emotionalem Charakter mit Darstellern wie James Stewart und Henry Fonda. Später, in den 1960er Jahren, auch zunehmend kritisch, als das New-Hollywood-Kino die Wirklichkeit gleichberechtigt neben das Unterhaltungsbedürfnis des Publikums stellte. "House of Cards" ist so nur eine zugespitzte Fortsetzung dieses Genres.
"House of Cards" hat Konkurrenz bekommen - in der Wirklichkeit
Spätestens mit der fünften Staffel hat "House of Cards" jedoch ein gewichtiges Problem, eines, mit dem 2013 bei Serienstart niemand ernsthaft rechnen konnte: Donald Trump. Die Wirklichkeit hat die Fiktion eingeholt und droht sie zu überholen. Als die fünfte Staffel von "House of Cards" im Mai 2017 über die Bildschirme flimmerte, war Trump ein halbes Jahr im Amt. Im Vergleich zu dem, was der 45. Präsident der Vereinigten Staaten in diesen sechs Monaten (und zuvor schon im Wahlkampf) geboten hatte, wirkte vieles in der Filmfiktion plötzlich gar nicht mehr so aufregend.
Wer also inzwischen den größeren Unterhaltungswert hat, die täglichen Auftritte und Twitter-Botschaften von Trump oder das serielle Auftreten der Underwoods, das muss jeder für sich selbst entscheiden.