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Politik

Großeinsatz in Asylunterkunft

Ben Knight cb
3. Mai 2018

Angespannt nennt die Polizei die Lage in einer süddeutschen Flüchtlingsunterkunft, wo Bewohner am Montag eine Abschiebung verhindert hatten. Drei Tage später gab es Festnahmen und Grundsatz-Kritik von Asyl-Experten.

Deutschland Polizeieinsatz im Flüchtlingsheim
Bild: picture-alliance/dpa/S. Puchner

Polizisten im süddeutschen Ellwangen haben am Donnerstag einen ungewöhnlichen Großeinsatz beendet. Die Beamten waren nach Montag bereits das zweite Mal diese Woche in eine Flüchtlingsunterkunft in der Kleinstadt in Baden-Württemberg ausgerückt. Sie nahmen den 23-jährigen Togoer in Gewahrsam, dessen Abschiebung nach Italien am Montagmorgen von knapp 200 Asylbewerbern verhindert wurde. Der Mann wurde inzwischen in Abschiebehaft genommen.

Rund 27 Asylbewerber leisteten der Polizei am Donnerstag Widerstand. An dem Einsatz waren hunderte bewaffnete Polizisten beteiligt. Einige Asylbewerber verletzten sich bei Sprüngen aus den Fenstern der Unterkunft. Nach Polizeiangaben wurden fünf Asylbewerber wegen Verdachts auf Diebstahl- oder Drogendelikte festgenommen. 17 Bewohner sollen in andere Unterkünfte verlegt werden.

"Einen rechtsfreien Raum und die Gefahr, dass sich dieser rechtsfreien Raum etabliert, das kann man nicht zulassen", sagte Bernhard Weber, Vizepräsident der Polizei Aalen, bei einer Pressekonferenz am Donnerstagmorgen. Peter Hönle, der leitende Beamte des Einsatzes am Donnerstag, beschrieb die Lage als sehr angespannt und aufgeheizt.

Ankerzentrum für Flüchtlinge

02:13

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Vor den Vorfällen am Montag und Donnerstag wurden Abschiebungen "hunderte Male" ohne gewalttätige Zwischenfälle durchgeführt, sagte Weber dem deutschen Nachrichtensender N24. Die Situation sei sehr ungewöhnlich gewesen. Vier Beamte hätten den Togoer am frühen Morgen nach Italien abschieben sollen. "Daran sind sie sehr massiv gehindert worden, und zwar gewalttätig, von etwa 150 bis 200 schwarzafrikanischen Flüchtlingen, die hier in der LEA Ellwangen wohnhaft sind", sagte Weber.

Sean McGinley, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats in Baden-Württemberg, sagte der DW, dass die Flüchtlingsunterkunft bisher nicht als problematisch galt. Er gab allerdings auch zu, dass es generell Schwierigkeiten mit den Erstaufnahmeeinrichtungen gebe. "Es gibt da Umstände, die nicht okay sind und in einigen Fällen auch rechtlich fraglich - aber ich weiß nicht, inwiefern das die Ereignisse der letzten Tage erklären kann", sagte McGinley: "Ich weiß, dass Menschen, die nach Italien abgeschoben werden, oft auf der Straße landen. Es ist verständlich, dass Menschen, die sich wie in einer Notsituation fühlen, viel Angst haben und alles tun, was sie können, um ihre Abschiebung zu verhindern."

"Ein Schlag ins Gesicht"

Deutschlands Innenminister Horst Seehofer (CSU) sagte auf einer Pressekonferenz, die Vorgänge in Ellwangen seien ein "Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung". Für ihn sei klar, "dass das Gastrecht nicht mit Füßen getreten werden darf".

Innenminister Horst Seehofer verurteilte den Widerstand der Asylbewerber scharfBild: picture-alliance/dpa/J. Carstensen

Seehofer ist für den Bau von "Anker"-Zentren (Ankunft, Entscheidung, Rückführung), in denen Asylbewerber für die gesamte Dauer ihrer Antragsprüfung untergebracht werden sollen. Erst im vergangenen Jahr wurde das Gesetz geändert, so dass die Länder Asylbewerber nun für bis zu zwei Jahre in Erstaufnahmeeinrichtungen wie Ellwangen unterbringen kann. Kritiker sagen, diese Praxis verhindere eine Integration der Flüchtlinge. Die Polizeigewerkschaft lehnt die Anker-Zentren ab und sagt, ihre Beamten seien nicht dafür ausgebildet, "Gefängnisse" zu leiten.

Nichtsdestotrotz will Seehofer in den kommenden Monaten fünf oder sechs Pilot-Anker-Zentren testen lassen. Der Innenminister ist zugleich Vorsitzender der Christlich-Sozialen Union (CSU), der bayrischen Schwesterpartei von Angela Merkels Regierungspartei CDU. Die konservative CSU kämpft im Vorfeld der bayrischen Landtagswahlen im September um jede Stimme - besonders gegen die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD), die vor allem für ihre flüchtlingsfeindliche Politik bekannt ist.

Politiker anderer Parteien kritisieren nach den Vorfällen von Ellwangen die Errichtung noch größerer, zentralisierter Flüchtlingsaufnahmeeinrichtungen. "Da entsteht eine Dynamik und ein Gewaltpotenzial, und das alles auch auf dem Rücken der Einsatzkräfte der Polizei", sagte die Innenexpertin der Grünen, Irene Mihalic.

Rumsitzen und warten - monatelang

Stephan Dünnwald vom Bayrischen Flüchtlingsrat beschreibt die Lebensbedingungen in den großen Aufnahmezentren als nicht haltbar. "Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit drei- oder vierhundert anderen Menschen da fest. Jede zweite Nacht kommt die Polizei und nimmt einen von Ihnen mit und Sie wissen nicht, ob Sie vielleicht als nächster dran sind", sagte Dünnwald der DW: "Das sorgt natürlich für eine enorme Anspannung unter den Bewohnern."

In Deutschland wird seit Jahren gegen die Dublin-Regelung für Asylbewerber demonstriertBild: picture-alliance/dpa/M. Murat

Asylbewerber warten oft monatelang in den Unterkünften darauf, dass ihr Asylantrag bearbeitet wird. Währenddessen dürfen sie keine Arbeit suchen, keine Ausbildung anfangen und offiziell nicht mal Deutschkurse besuchen. "Sie sitzen rum und warten darauf, was mit ihnen passiert", sagt Dünnwald: "Einen Monat lang mag das ja wie Urlaub sein, aber wenn man da ein halbes Jahr lang sitzt und nichts machen darf - wirklich gar nichts - dann fängt man natürlich an zu überlegen: Soll ich hier bleiben? Soll ich mich woanders verstecken? Soll ich versuchen, auf illegale Weise einen Job zu finden? Oder fange ich was Kriminelles an?"

Die Asylpolitik in der Europäischen Union wird durch das sogenannte Dublin-System geregelt. Danach müssen Flüchtlinge sich in dem Land um Asyl bewerben, in dem sie zuerst EU-Boden betreten haben. Für viele ist das Griechenland oder Italien, wohin der Togolese in Ellwangen abgeschoben werden sollte. Laut Dünnwald werden Flüchtlinge in diesen Ländern aber häufig nicht unter menschlichen Bedingungen untergebracht.

"In Italien kümmert man sich um die meisten gar nicht. Sie bekommen kein Dach über dem Kopf, sie leben auf der Straße. Weil sie kein Geld bekommen, überleben sie durch illegale Arbeit, Betteln oder Prostitution", sagt Dünnwald. "Natürlich wollen die Menschen dahin nicht zurück."

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