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Politik

Großes Palaver um einen Baby-Namen

Austin Davis phi
7. Mai 2019

Ist Mohammed der beliebteste Name für Neugeborene in Berlin? Nicht ganz. 280 kleine Jungen wurden in der Hauptstadt 2018 nach dem Religionsstifter des Islam benannt. Für Rechtspopulisten dennoch ein gefundenes Fressen.

Symbolbild - Kleinkinder in Kita
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Marie und Paul ganz oben, gefolgt von Sophie und Alexander. Über die Statistik der beliebtesten Vornamen in Deutschland berichteten die Medien auch in diesem Jahr wieder gerne. Schließlich interessieren sich nicht nur werdende Eltern für die Hitliste, die von der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) seit 1977 veröffentlicht wird.

Doch wenn sie sogar der britischen Boulevardzeitung Daily Mail und dem ultrarechten US-Portal Breitbart eine Meldung wert ist, dann muss in diesem Jahr etwas anders sein als sonst. In der Tat hat sich an der GfdS-Liste der beliebtesten Vornamen 2018 politischer Streit entzündet. Und zwar wegen etwa 280 kleinen Mohammeds, Mohamads und Mahmuds in Berlin.

Angst vor "Umvolkung"

Zwar liegen bei den Vornamen insgesamt auch in Berlin Alexander, Maximilian und Paul vorn. Bei Jungs mit mehreren Vornamen jedoch sorgen die 280 Babys dafür, dass der Name des Propheten in seinen 25 verschiedenen Schreibweisen als "Erstname" Spitzenreiter in Berlin ist. Dann nämlich, wenn man bei mehreren Namen nur den ersten in der Geburtsurkunde betrachtet. Ganz schön kompliziert.

Bei Breitbart, der Daily Mail und zahlreichen deutschen Medien jedoch lautete die Schlagzeile schlicht und einfach: "Mohammed auf Platz 1 in Berlin". Rechtspopulistische Aktivisten und Politiker teilten die Meldung fleißig im Netz. Viele von ihnen vertreten die These, das deutsche Volk solle "ersetzt" werden durch Menschen aus anderen Ländern und Kulturkreisen. Ein Mehr an Mohammed - auch wenn es nur um 280 von 22.000 neu geborenen Jungen in Berlin geht - ist für sie Beweis dieser Theorie.

Twitter sperrt Account

Sawsan Chebli, palästinensischstämmige Staatssekretärin des Landes Berlin, teilte im Netz eine Fotomontage der rechtspopulistischen AfD, die ein Kleinkind mit langem Bart zeigt. Die SPD-Politikerin schrieb dazu, dass der Name Mohammed - in ihrer Familie weit verbreitet - nicht verschwinden werde.

Für diesen Tweet wurde Cheblis Account von Twitter vorübergehend gesperrt. Die Algorithmen der Plattform hatten darin einen Versuch der Wahlmanipulation vor den Europawahlen am 26. Mai gesehen. Twitter hat Regeln, die das "Veröffentlichen von irreführenden Informationen zu Wahlen" verbieten. Darin heißt es: "Es ist nicht erlaubt, die Dienste von Twitter mit dem Ziel zu nutzen, Wahlen zu manipulieren oder zu beeinträchtigen." Bis zur Wahl haben Nutzer die Möglichkeit, Tweets zu melden, die ihrer Meinung nach gegen diese Richtlinie verstoßen. Dies könnte zur Sperrung von Cheblis Account geführt haben.

"Weniger Namen zur Auswahl"

Neben der Debatte um die Löschregeln von Twitter wird aber auch weiter über die Namensstatistik der GfdS selbst diskutiert. Sie habe ihre Ergebnisse nicht ausreichend kontextualisiert, sagt Gabriele Rodriguez vom Namenkundlichen Zentrum der Universität Leipzig im Gespräch mit der DW.

Angst vor Vielfalt? Fußgängerzone in Braunschweig im Norden DeutschlandsBild: imago/Schöning

Sie bestätigt, dass der Name Mohammed durch Einwanderung in Deutschland an Bedeutung gewonnen habe. Rodriguez fügt aber an, dass es in vielen Familien aus der arabischen Welt Tradition sei, mindestens einem Familienmitglied den Namen des Propheten zu geben. "Es stehen zudem weniger Namen zur Auswahl als im Deutschen", sagt sie. Auch die populärsten deutschen Kindernamen kämen auf einen Anteil von gerade einmal zwei bis drei Prozent bei den Neugeborenen.

Zwei Listen sorgen für Verwirrung

Betrachtet man auch zweite und dritte Namen in der Geburtsurkunde, dann landet der Name Mohammed laut GfdS deutschlandweit auf Platz 24 der Beliebtheits-Liste. Insgesamt sei die Methodik der GfdS-Statistik zu wenig transparent, sagt Rodriguez. Das mache es der Bevölkerung schwer, Schlüsse daraus zu ziehen.

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Bis 2017 wurden alle Namen, also auch Zweit- und Drittnamen, gesammelt betrachtet. Seitdem jedoch veröffentlicht die GfdS zwei unterschiedliche Listen für Erstnamen und Vornamen allgemein. Frauke Rüdebusch von der GfdS bestätigt im Gespräch mit der DW, dass die Ergebnisse zunächst etwas verwirrend erscheinen könnten. Durch die Unterscheidung von Erstnamen und Vornamen insgesamt habe man nun aber weitere Vergleichsmöglichkeiten. In Zukunft werde man größere Transparenz herstellen und klarer zwischen beiden Listen unterscheiden.

Veränderung hat viele Namen

Dass die bislang völlig unpolitische Namensliste nun für hitzige Diskussionen sorge, zeige, wie groß die Angst vieler Deutscher vor gesellschaftlicher Veränderung sei, meint Rodriguez von der Universität Leipzig. "Die meisten neuen Babynamen stammen aus dem Ausland und wirken auf deutsche Ohren erst einmal einmal exotisch", sagt sie. In städtischen Gegenden sei das kein Problem, anderswo aber werde es als Bedrohung empfunden, besonders in Dörfern, in denen der Ausländeranteil sehr niedrig sei. Der Name Mohammed dürfte für manche Deutsche dabei zum Synonym für alles Fremde und Islamische geworden sein.

Eine direkte Begegnung mit einem Baby namens Mohammed könnte ihre Einstellung vielleicht verändern. Das lächelt, brabbelt und schreit nämlich nicht anders als andere Babys auch. Und eines ist klar: Laut Verfassung genießen Mohammed und Maximilian in diesem Land die gleichen Rechte.

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