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Schlechter Start

1. April 2009

Viele israelische Regierungen haben ihre volle Amtszeit nicht geschafft, aber manchmal kann man auch in kurzer Zeit großen Schaden anrichten. Das Schadenspotenzial der neuen Regierung ist groß, findet Peter Philipp.

Bild: DW

Der neue israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bezeichnet sein am Dienstagabend (01.04.2009) vorgestelltes Kabinett gerne als "Regierung der Einheit" und er will damit wohl den Eindruck erwecken, dass man es hier mit einer Koalition zu tun hat, deren Hauptaufgabe es ist, die großen Probleme des Landes zu meistern. Denn nur für solche Aufgaben haben große Koalitionen quer durch die ideologischen Reihen doch eine Daseinsberechtigung. Der Eindruck täuscht aber und Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit der Israelis das ebenso sehen: In einer Umfrage der liberalen Zeitung "Haaretz“ erklärten sich 54 Prozent der Befragten unzufrieden mit der neuen Regierung. Ein denkbar schlechter Start.

Peter Philipp, DW-Nahostexperte

Das Spektrum der Gründe für solche Unzufriedenheit ist breit. Vor allem aber wirft man Netanjahu vor, die größte Regierung in der Geschichte Israels gebildet und bei der Besetzung der vielen Minister- und Vizeminister-Posten kaum einen Fachmann berufen zu haben. Politiker und ihre Parteien wurden bedient, um eine Mehrheit zu erlangen, nicht aber, weil sie geeignet sind, die Probleme des Landes zu lösen.

Nicht von langer Dauer?

Und deswegen geben selbst israelische Beobachter dieser Regierung keine allzu großen Chancen, in Ehren zu altern. Solches war zwar kaum einer israelischen Regierung je vergönnt, aber auch eine kurze Regierungszeit reicht manchmal aus, um großen Schaden anzurichten. Das Schadenspotenzial bei dieser Regierung jedenfalls ist größer als bei ihren Vorgängerinnen.

Das fängt schon beim neuen Außenminister an: Avigdor Lieberman war einst Türsteher in seiner moldawischen Heimat und sein politischer Stil erinnert sehr stark daran: Gegner werden brüskiert, diffamiert und bedroht. Und seine "Gegner" sind in erster Linie die Palästinenser, die "Araber an sich", dann der Iran. Die einen möchte Lieberman am liebsten ausbürgern oder ausweisen, die anderen mit Angriffsdrohungen in Schach halten und den Iran würde er am liebsten aus dem Atomzeitalter rausbomben.


Konfrontationskurs mit den USA

Unvorstellbar, wie so ein Außenminister sich das diplomatische Parkett mit einer Hillary Clinton teilen kann, die sich im Auftrag ihres Präsidenten um Ausgleich und Annäherung bemühen soll, gegenüber den Arabern wie auch gegenüber dem Iran. Die Berufung Liebermans ist aber nicht nur Ergebnis der Koalitions-Arithmetik, sondern sie entspricht durchaus den Vorstellungen Netanjahus und das macht die Sache umso schlimmer.

Besonders fatal ist auch die Beteiligung der Arbeitspartei Ehud Baraks: Der bisherige Verteidigungsminister bleibt im Amt – was bei ihm auch oberste Priorität hatte – obwohl er zuletzt im Gazakrieg Anfang des Jahres erneut unter Beweis stellte, dass er außer Muskeln nicht viel zu bieten hat.

Und vom Frieden spricht niemand in Israel. Diese Aufgabe fällt nun umso mehr dem Ausland zu. Sicher: Weder die EU, noch nicht einmal die USA, können Frieden erzwingen. Solches funktioniert nicht unter Zwang. Sie können und sollten nun aber umso resoluter Frieden einfordern: Jahrzehnte lang hat man unzähligen israelischen Regierungen geglaubt, dass sie nichts dringlicher als Frieden wollten. Inzwischen hört man solche Worte von arabischer Seite, nicht aber von der neuen Regierung Netanjahus. Bisher strafte man Hamas und andere Araber für deren Weigerung, Frieden zu schließen, mit Missachtung. Zu Recht. Nur: Diese Regel muss auch gegenüber einer ähnlich gestrickten israelischen Regierung gelten.

Autor: Peter Philipp
Redaktion: Ina Rottscheidt