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Großes Vertrauen in Wissenschaft - solange sie nicht stört

21. Januar 2025

Laut einer globalen Befragung vertrauen viele den Forschenden und wünschen sich mehr Einfluss der Wissenschaft auf Gesellschaft und Politik. Aber nur, solange Forschung nicht die eigenen Freiheiten einschränkt.

Forschende mit Petrischale im Labor für medizinische Studie
Wenn die Politik auf Grundlage wissenschaftlicher Ergebnisse unpopuläre Entscheidungen trifft, stößt die Akzeptanz schnell an GrenzenBild: Yuri Arcurs/Zoonar II/IMAGO

Laut einer weltweiten Befragung von knapp 72.000 Personen in 68 Ländern gibt es keine generelle Vertrauenskrise der Wissenschaft. Trotz der einschneidenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie haben sich die Menschen nicht wie befürchtet oder behauptet von der Wissenschaft abgewandt.

Bei der TISP-Studie handelt es sich um die größte Befragung zum Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit der Pandemie. Demnach wünschen sich viele Befragte ein stärkeres Einbringen der Wissenschaft in Gesellschaft und Politik.

Insgesamt glauben 78 Prozent aller Befragten, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler qualifiziert sind, um hochwertige Forschung durchzuführen. 57 Prozent nehmen sie als ehrlich wahr und 75 Prozent sind der Auffassung, dass wissenschaftliche Methoden der beste Weg sind, um die Wahrheit herauszufinden.

Was ist notwendig, was ist verhältnismäßig? Die Corona-Pandemie war eine Belastungsprobe für Politik und WissenschaftBild: Georg Wendt/dpa/picture alliance

Laut Studie haben Frauen, ältere Personen, Personen mit hohem Bildungsstatus, höherem Einkommen und städtischem Wohnsitz ein größeres Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Auch liberale politische Einstellungen und Religiosität wirken sich positiv auf das Vertrauen in Wissenschaft aus.

Dagegen wirke sich soziale Dominanzorientierung negativ aus. Soziale Dominanzorientierung (SDO) beschreibt den Wunsch, dass stärkere Gruppen schwächere Gruppen kontrollieren, und steht in einem negativen Zusammenhang mit Werten wie Gleichheit und sozialer Gerechtigkeit.

Massiver Druck auf die Wissenschaft unter Trump

Die globale Befragung wurde passend zu Trumps Amtseinführung veröffentlicht. Der Druck auf Forschung und Wissenschaft in den USA wird weiter zunehmen. Bereits in seiner ersten Amtszeit ging Trump auf Konfrontation zu großen Teilen der Wissenschaft und stellte wissenschaftliche Erkenntnisse offen in Frage.

Präsident Trump leugnet die Klimakrise und hat wissenschaftskritische Mitstreiter an zentralen Entscheidungspositionen platziert: Gesundheitsminister Kennedy ist ein Impfgegner, Energieminister Wright kommt aus der Frackingindustrie, Verteidigungsminister Hegseth glaubt nicht an Infektionen, Bildungsministerin McMahon will Bildung vor allem den Eltern überlassen, da vielen Lehrerinnen und Lehrern und der Professorenschaft nicht zu trauen sei.

Vor allem Wissenschaftsbereiche wie z.B. Klima- und Geschlechterforschung oder Ethnologie fürchten eine massive politische Einflussnahme, da sie in rechtsnationalen Kreisen als linke bzw. „woke" Wissenschaften angesehen werden. Es steht zu befürchten, dass unliebsame Forschung nicht mehr gefördert oder gar behindert wird, dass sich Forschende von sich aus einschränken oder dem wichtigen Forschungsstandort USA den Rücken kehren.

Reichsflagge mit dem Konterfei von US-Präsident Trump bei einer Demonstration gegen die Corona-MaßnahmenBild: picture-alliance/dpa/C. Gateau

Überwiegend positive Resonanz in der Fachwelt

Der Begriff "Vertrauen" ist zunächst einmal schwammig. Deshalb begrüßt die Fachwelt, dass für die globale Befragung vier verschiedene Aspekte der Vertrauenswürdigkeit von Forschenden mithilfe von zwölf verschiedenen Fragen untersucht wurden: die wahrgenommene Kompetenz von Forschenden, deren Aufrichtigkeit, deren Offenheit für Kritik und deren Interesse am Wohlergehen der Gesellschaft.

Besonders positiv bewerten Forschende wie Hans Peter, Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin, dass die Befragung "den Mythos einer globalen Krise des Vertrauens in Wissenschaft widerlegt."

So sieht es auch Mathias Frisch, Professor am Institut für Philosophie der Leibniz-Universität Hannover: "In jüngster Zeit wurde in öffentlichen Diskursen vielfach der Eindruck erweckt, dass das Vertrauen in die Wissenschaften in den vergangenen Jahren und insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie signifikant gesunken sei. Die Ergebnisse der vorliegenden internationalen, in ihrem Umfang beeindruckenden Studie widersprechen diesem weitverbreiteten Narrativ."

Soll sich Wissenschaft stärker in Politik und Gesellschaft einmischen?

Überrascht zeigt sich die Fachwelt allerdings, dass sich weltweit eine Mehrheit der Befragten dafür ausspricht, dass sich Forschende stärker politisch engagieren sollten. Dies sei bemerkenswert, sagt Mathias Fritsch, zumal viele Forschende "einer aktiven Unterstützung von politischen Positionen durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eher kritisch gegenüberstehen, da sie befürchten, (…) für politische Einflussnahme missbraucht" zu werden.

"In der Corona-Pandemie haben wir aber prototypisch beobachten können, dass die Politik Wissenschaft und Wissenschaftler geradezu umgekehrt dazu benutzt, selbst nicht entscheiden zu müssen. Anstatt als Regierung auch öffentlich die Verantwortung für eine Entscheidung zu übernehmen, wenn die Wissenschaft sich uneins ist, hat man behauptet, ,die Wissenschaft‘ habe festgestellt, dass man so und nicht anders handeln müsse", so Kommunikationswissenschaftler Kohring von der Universität Mannheim.

Frank Marcinkowski von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf deutet diesen Wunsch als "Unzufriedenheit mit demokratischer Politik. Wer fordert, dass sogenannte Experten, Wissenschaftler oder smarte Technologien mehr Einfluss auf politische Entscheidungen bekommen sollen, tut das in der Regel, weil er oder sie Parteien und Politik nicht (mehr) zutraut, die Probleme zu lösen", so der Medienwissenschaftler.

Allerdings versprechen nur Populisten einfache Lösungen, die es aber selten gebe. Vielmehr, so Marcinkowski, "haben wir es global wie national mit immer komplexeren Problemlagen zu tun, die immer schwieriger zu 'lösen' oder wenigstens zu befrieden sind. Für viele der Probleme verfügt weder die Wissenschaft noch die Politik über 'Lösungen', ohne das freilich zugeben zu können. Entsprechend härter werden die politischen Konflikte ausgetragen und unversöhnlicher stehen sich Interessengruppen gegenüber."

Bei der persönlichen Freiheit endet das Vertrauen

Wenn die Politik auf Grundlage wissenschaftlicher Ergebnisse unpopuläre Entscheidungen trifft, die zum Beispiel persönliche Freiheiten oder das Lebensniveau einschränken, dann stoße die gewünschte Einbindung der Wissenschaft in den Entscheidungsprozess sehr schnell an Grenzen.

Das zeige sich nicht nur beim Thema Klimawandel, erklärt Matthias Kohring von der Universität Mannheim. "Die Corona-Zeit hat gezeigt, dass sich viele Menschen genau dieses Einbringen, wie beispielsweise durch Masken tragen, zu Hause bleiben oder nicht in Urlaub fahren, verbitten", konstatiert der Medienwissenchaftler. Letztlich liefere die Wissenschaft nur die Entscheidungsgrundlagen, die Entscheidungen aber muss die Politik treffen. "Natürlich ist es sinnvoll, wenn Politik ihre Entscheidungen auf der Basis des besten verfügbaren Wissens trifft – und das ist in der Regel wissenschaftliches Wissen", so Kommunikationswissenschaftler Marcinkowski.

Quelle:

Cologna V et al. (2025): Trust in scientists and their role in society across 68 countries. Nature Human Behaviour. DOI: 10.1038/s41562-024-02090-5. 

 

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