Das Berliner Dreigestirn am Morgen danach
7. Februar 2018Drei Rednerpulte, einige Stuhlreihen, müde Gesichter: Als die Vorsitzenden von CDU, CSU und SPD den Koalitionsvertrag am frühen Nachmittag im Konrad-Adenauer-Haus erstmals kommentieren, liegt nicht viel Feierstimmung in der Luft. Weder gibt es Sekt, noch ist das 177-seitige Regierungsprogramm zu diesem Zeitpunkt schon gedruckt. Stattdessen sind die Reste einer durchwachten Nacht in der CDU-Parteizentrale noch deutlich sichtbar.
Nachdem der gestrige Tag noch keinen Durchbruch brachte, hatten die Unterhändler von CDU, CSU und SPD die ganze Nacht hindurch weiter verhandelt - bis sich dann am Morgen endlich jene Einigung abzeichnete, die Angela Merkel den Weg zu ihrer vierten Amtszeit als Bundeskanzlerin ebnen könnte. Voraussetzung dafür ist, dass die SPD-Basis das Ergebnis mit einem "Ja" beim Mitgliedervotum honoriert.
"Es hat sich gelohnt"
Nun steht die CDU-Chefin im grünen Blazer zwischen CSU-Chef Horst Seehofer und SPD-Chef Martin Schulz und will nicht jammern über die Mühen der Ebene. Es sei ein langer Weg gewesen, sagt sie, "aber es hat sich gelohnt". Der Koalitionsvertrag stärke sowohl die deutsche Wirtschaft als auch den sozialen Zusammenhalt im Land. Auch mit den weitreichenden Zugeständnissen könne sie leben, die die CDU beim Ringen um die Ministerien an die SPD gemacht hat.
Zwar bekommen CDU und SPD je sechs Ministerien und die CSU drei. Dass die viel kleinere SPD aber mit den drei Schlüsselressorts Finanzen, Äußeres und Arbeit vom Platz geht, hat Merkel bereits parteiintern Kritik eingebracht. "Puuuh! Wir haben wenigstens noch das Kanzleramt!", spottete ein CDU-Abgeordneter via Twitter. Dafür bekomme die CDU ja das Wirtschaftsministerium, kontert Merkel, die sich dennoch die Frage gefallen lassen muss, ob sie zum Zweck des Machterhalts nicht zu viele Positionen geräumt hat.
Schulz will Chefdiplomat werden
Für SPD-Chef Schulz bringt dieser Tag Umwälzungen mit sich, die weit über den Koalitionsvertrag hinausgehen. Diesen lobt er als Werk mit "sozialdemokratischer Handschrift", der das Leben der Menschen verbessern werde. Daher könnten die SPD-Mitglieder ihm getrost zustimmen. Tun sie dies, dann will Schulz als Außenminister ins Kabinett eintreten - entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung, dass er keinesfalls Minister unter Angela Merkel werden wolle.
Die Voraussetzungen hätten sich geändert, sagt Schulz nun, der lange Präsident des Europaparlaments war und sich in der Bundesregierung um sein Herzensthema Europa kümmern möchte. Doch er greift nicht nach dem Posten, der oft mit dem Außenamt verbunden ist: Vizekanzler will Schulz nicht werden. Diesen Posten könnte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz übernehmen, der als künftiger Finanzminister im Gespräch ist.
Schulz wiederum will den SPD-Vorsitz, den er erst seit einem Jahr innehat, an Andrea Nahles abgeben. "Die Partei muss jünger und weiblicher werden", begründete er seine Entscheidung. Die 47-jährige Nahles, die einflussreiche Chefin der SPD-Fraktion im Bundestag, soll künftig beide Ämter innehaben und die Erneuerung der SPD vorantreiben, die bei der Bundestagswahl auf klägliche 20 Prozent der Stimmen abstürzte. Es sei besser, wenn diese Aufgabe jemand übernehme, der nicht in der Regierung sei, erklärte Schulz. Nahles wäre die erste Frau an der Spitze der vor mehr als 150 Jahren gegründeten SPD. Sie trüge dann aber auch die doppelte Last der beiden wichtigsten Parteiämter.
Warten auf das Mitgliedervotum
Zunächst einmal wollen Nahles und Schulz in sieben Regionalkonferenzen für die Zustimmung zur Großen Koalition werben, über die die 463.000 Mitglieder zwischen dem 20. Februar und dem 2. März abstimmen werden. Gleichzeitig machen die Gegner der "GroKo" mobil. Einfacher ist der Entscheidungsprozess bei der CDU: Die Christdemokraten kündigten einen Parteitag für den 26. Februar an, auf dem sie grünes Licht für die Große Koalition geben wollen. Über das endgültige Personaltableau soll erst entscheiden werden, wenn die "GroKo" tatsächlich steht.
Innenministerium geht an die CSU
Sichtlich zufrieden mit dem Koalitionsvertrag zeigte sich CSU-Chef Seehofer. Die drei Parteien hätten eine "Antwort gefunden auf das für uns alle so schwierige Wahlergebnis" vom 24. September. Auch wenn es nun erneut eine "GroKo" gebe, sei das kein "Weiter so", versicherte der bayerische Ministerpräsident, der als Innenminister ins Kabinett Merkel wechseln soll - in ein Ressort, das um die Bereiche "Heimat" und "Bau" erweitert und damit deutlich gestärkt wird.