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Politik

GroKo: Jetzt entscheiden die SPD-Mitglieder

Nina Werkhäuser
19. Februar 2018

Die Stunde der Sozialdemokraten schlägt. Ihnen flattert bis spätestens diesen Dienstag Post ins Haus. Darin ein Stimmzettel mit der alles entscheidenden Frage: GroKo - ja oder nein? Und wenn die Genossen "Nein" sagen?

SPD - Mitgliedervotum
Bild: picture-alliance/dpa/P. Steffen

"Soll die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) den mit der Christlich-Demokratischen Union (CDU) und der Christlich-Sozialen Union (CSU) ausgehandelten Koalitionsvertrag vom Februar 2018 abschließen?" Das ist die Frage, die gut 463.000 SPD-Mitglieder nun beantworten müssen. Ihre Antwort sollen sie bis zum 2. März in einem pinkfarbenen Umschlag an den SPD-Vorstand schicken. Alle Briefe, die nach dem 2. März um 24 Uhr im Postfach des Parteivorstands eingehen, werden nicht mehr berücksichtigt. Verkündet wird das Ergebnis am 4. März in der SPD-Parteizentrale in Berlin, wo auch die Stimmen unter der Aufsicht eines Notars ausgezählt werden. Wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder abgestimmt haben, ist es bindend für den Parteivorstand, auch wenn die Antwort "Nein" lauten sollte. 

Die Basis ist am Zug

Genau wie vor vier Jahren sind es also auch jetzt die Sozialdemokraten, die das letzte Wort über den Koalitionsvertrag mit CDU und CSU haben. Auch Neumitglieder dürfen ihr Votum abgeben, sofern sie bis zum 6. Februar in die Partei eingetreten sind. Gegner der GroKo hatten zu Parteieintritten aufgerufen, um ein solches Bündnis in der Mitgliederbefragung zu verhindern. Tatsächlich verzeichnet die SPD seit ihrem Sonderparteitag am 21. Januar, der mit knapper Mehrheit grünes Licht für Koalitionsverhandlungen gegeben hatte, eine Eintrittswelle. Ob die Neumitglieder allerdings mehrheitlich pro oder kontra GroKo eingestellt sind, ist für die Parteispitze schwer abzuschätzen.

GroKo-Chefin Merkel: Schmerzhafte Erfahrung für die SPDBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Anders als nach der Bundestagswahl 2013, als 76 Prozent der SPD-Mitglieder die neue Regierung bejahten, könnten die Genossen die Große Koalition diesmal zu Fall bringen. Viele Sozialdemokraten sehen wichtige Forderungen ihrer Partei nicht umgesetzt, etwa beim Familiennachzug für Flüchtlinge. Auch hadern sie mit dem Schwenk, den der damalige Parteichef Martin Schulz nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen vollzogen hat: Sah er den Platz der SPD zunächst einzig und allein in der Opposition, wollte er die SPD nun zum dritten Mal als Juniorpartner in eine große Koalition führen. Seine designierte Nachfolgerin Andrea Nahles kämpft genau dafür. Und das trotz der schmerzhaften Erfahrung, dass die SPD in den Regierungen unter Kanzlerin Angela Merkel am Ende immer Schaden genommen hat. In aktuellen Umfragen ist die Zustimmung zur Partei auf einen historischen Tiefstand gesunken. Sollte die einst so stolze Volkspartei in der Wählergunst weiter absacken, könnte sie das in existenzielle Nöte bringen.

Angst vor dem Absturz

Es sind vor allem die Jusos, die Jugendorganisation der SPD, die die Mitglieder zu einem "Nein" aufrufen. Sie haben die Nase voll von der "Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners". Die Wähler hätten die große Koalition am 24. September abgewählt, und zwar mit einem Minus von knapp 14 Prozentpunkten. "Die Demokratie lebt von der Auseinandersetzung der politischen Lager, und diese Auseinandersetzung findet in einer großen Koalition kaum noch statt", argumentieren die Jusos, deren redegewandter Vorsitzender Kevin Kühnert einer der einflussreichsten Wortführer des Anti-GroKo-Lagers ist.

Was aber wird passieren, wenn die SPD-Mitglieder gegen die große Koalition stimmen? "Dann gibt es Neuwahlen", heißt es oft. Aber so einfach ist es nicht. Weder kann der Bundestag sich selbst auflösen, noch können Merkel oder Nahles Neuwahlen vorschlagen. Das verstieße gegen die Verfassung, die auf Stabilität ausgerichtet ist. Häufige Neuwahlen, wie es sie in der Weimarer Republik gab, wollten die Väter und Mütter des Grundgesetzes ausdrücklich erschweren.

Überzeugungsarbeit: die designierte SPD-Vorsitzende Nahles bei einer "Regionalkonferenz"Bild: picture-alliance/dpa/I. Fassbender

Was also sind die nächsten Schritte, wenn SPD und Union keine Regierungskoalition zustande bringen? Dann ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Zug. Dem Staatsoberhaupt alleine steht es zu, dem Bundestag einen Kanzlerkandidaten oder eine Kandidatin zur Wahl vorzuschlagen. Das muss er laut Verfassung sogar. Denn bevor das Volk wieder an die Wahlurnen gerufen wird, müssen zuerst die gewählten Volksvertreter zur Wahl eines Bundeskanzlers oder einer Bundeskanzlerin im Bundestag zusammenkommen. Ob er oder sie einer Mehrheits- oder einer Minderheitsregierung vorstehen wird, ist dabei zunächst zweitrangig. Vom Ausgang dieser Wahl hängt dann alles Weitere ab.

Erster Schritt: Die Kanzlerwahl

Der Bundespräsident wird dem Bundestag also in jedem Fall einen Kanzlerkandidaten oder eine Kanzlerkandidatin zur Wahl vorschlagen. Auch wenn die Bildung einer GroKo scheitern sollte, wäre das aller Wahrscheinlichkeit nach die CDU-Vorsitzende Merkel. Denn sie ist die Vorsitzende der Partei, die bei der Bundestagswahl die meisten Stimmen erhalten hat. Für eine erfolgreiche Wahl, die ohne Aussprache und geheim stattfindet, bräuchte sie die absolute Mehrheit der 709 Abgeordnetenstimmen, die sogenannte Kanzlermehrheit. Bisher wurden alle deutschen Bundeskanzler, auch Merkel bei ihren drei bisherigen Wahlen, bereits im ersten Wahlgang gewählt.

In diesem Fall ginge die Geschichte aber vermutlich anders aus: Nach dann zwei gescheiterten Versuchen, eine Koalition zu schmieden, würde Merkel die absolute Mehrheit wahrscheinlich verfehlen. Danach beginnt eine Frist von 14 Tagen - auch das ist in Deutschlands Verfassung geregelt. In dieser Zeit kann der Bundestag auf Grundlage eigener Vorschläge einen Kandidaten zum Kanzler oder zur Kanzlerin wählen. Auch dabei wäre die absolute Mehrheit der Stimmen erforderlich. Gelingt dies ebenfalls nicht, müsste nach Ablauf der Frist "unverzüglich ein neuer Wahlgang" stattfinden. So steht im Artikel 63 des Grundgesetzes, das die Hürden erst zu diesem Zeitpunkt absenkt: Beim finalen Wahlgang reicht die einfache Mehrheit der Stimmen.

Minderheitsregierung oder Neuwahlen?

Anschließend wäre erneut Steinmeier am Zug: Der Bundespräsident müsste dann entscheiden, ob er den gewählten Kandidaten zum neuen Bundeskanzler oder zur Bundeskanzlerin einer Minderheitsregierung ernennt, die sich dann im Parlament wechselnde Mehrheiten für ihre politischen Vorhaben suchen müsste. Alternativ könnte er den Bundestag auflösen und innerhalb von 60 Tagen Neuwahlen ansetzen.

Noch will die SPD-Spitze von Neuwahlen aber nicht reden, bei denen - so die Befürchtung - die rechtspopulistische AfD an den Sozialdemokraten vorbeiziehen könnte. Vielmehr ist sie zur Zeit auf Werbetour bei den Mitgliedern für die Zustimmung zum Koalitionsvertrag.

Nina Werkhäuser Reporterin
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