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Politik

Kontingente durch die Hintertür

Rupert Wiederwald
1. Februar 2018

Der Bundestag hat beschlossen, den Familiennachzug für viele Flüchtlinge weiter auszusetzen. Ab Sommer sollen dann 1000 Menschen pro Monat kommen dürfen. Solche Kontingente wollten die konservativen Parteien nie.

Bundestag Debatte Familiennachzug Demonstration Flüchtlinge
Bild: Reuters/A. Schmidt

Es ist das erste Gesetz einer Koalition, die noch gar nicht beschlossene Sache ist. Aber da zum Ende des Monats die Regelungen zum Familiennachzug für Flüchtlinge auslaufen, musste der Bundestag schon jetzt entscheiden. Das hat er mit den Stimmen von Union und SPD getan, den beiden Fraktionen, die gerade über die Bildung der nächsten Bundesregierung beraten. Beschlossen haben sie, dass es das uneingeschränkte Recht auf Familiennachzug in Zukunft nicht mehr geben wird. Bis August wollen beide Seiten ein Gesetz auf den Weg bringen, das es monatlich maximal 1000 Angehörigen von Flüchtlingen erlaubt, ihren Töchtern, Söhnen, Vätern oder Müttern nach Deutschland zu folgen.

"Damit wird das Recht auf Familiennachzug für alle Zeiten abgeschafft," klagte Katrin Göring-Eckhardt, Fraktionschefin der Grünen: "Stattdessen etablieren wir ein Gnadenrecht, das für nur für eine wie auch immer bestimmte Zahl von Menschen ausgeübt werden soll."

Verbindliche Zahlen für die Zuwanderung

Tatsächlich gibt es das Recht für die Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz bald nicht mehr - das betrifft die meisten der Geflüchteten in Deutschland. Es soll stattdessen nur noch ein monatliches Kontingent geben. Gleichzeitig haben sich die möglichen Koalitionspartner Union und SPD bereits in ihrer Sondierungsvereinbarung auf einen Korridor für die mögliche Zuwanderung pro Jahr geeinigt: 180.000 bis maximal 220.000 Menschen sollen demnach pro Jahr nach Deutschland kommen dürfen. "Selbstverständlich bewegt sich auch der Familiennachzug in diesem Gesamtrahmen" sagt CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer: "Wir schaffen ab dem 1. August ein Kontingent für monatlich 1000 Familienangehörige, die aus humanitären Gründen nach Deutschland kommen dürfen."

Kontingente hat es in der deutschen Einwanderungspolitik bislang noch nie gegeben - und es waren gerade die konservativen Parteien, die sich dagegen ausgesprochen hatten. Ein Einwanderungsgesetz durfte es für sie aus ideologischen Gründen nicht geben. Der Satz "Deutschland ist kein Einwanderungsland" gehörte bis vor wenigen Jahren zum Standard-Repertoire von CDU und CSU.

Einstieg in ein Einwanderungsgesetz

Nun schaffen es die Kontingente doch noch in die deutsche Einwanderungsdebatte - ausgerechnet mit Hilfe der Unionsparteien. Und auch wenn die Neuregelung - oder faktische Abschaffung - des Rechts auf Familiennachzug zu vielen Protesten führt, könnte die erstmalige Nennung von Zahlen auch der Einstieg in etwas sein, was schon lange in Deutschland vermisst wurde: ein eigenes Einwanderungsgesetz.

Führt sie CDU und CSU Richtung Einwanderungsgesetz mit Kontingenten? Kanzlerin Angela MerkelBild: picture-alliance/AP/M. Sohn

Länder wie Kanada agieren mit flexiblen Einwanderungsgesetzen und auch mit Kontingenten: Konkrete Zahlen legen fest, wie viele Menschen ins Land kommen dürfen, aus welchen Staaten sie kommen dürfen und welchen Kriterien sie genügen müssen. Diese Zahlen und Kriterien werden jedes Jahr aufs neue im Parlament beschlossen. Genau das passiert gerade auch in Deutschland.

Zunächst gilt das nur für einen kleinen Ausschnitt der Zuwanderung: Familienangehörige von Flüchtlingen mit beschränktem Schutz. Doch wenn man weiß, dass Union und SPD sich in den Sondierungen auch auf ein Fachkräfte-Zuwanderungsgesetz geeinigt haben, dann liegt der Schluss nicht fern, dass auch dort bald Zahlen genannt werden könnten - zum Beispiel, wie viele Pflegekräfte nach Deutschland kommen sollen. Der Einstieg in Zuwanderungskontingente erfolgte dann durch die Hintertür.

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