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Politik

"Großbritannien hat keine Angst"

3. Oktober 2018

Die britische Premierministerin will die Reihen ihrer Konservativen schließen. Gemeinsam gegen die EU. Notfalls ein harter Abschied ohne Abkommen. Ihre Kritiker halten sich zurück. Aus Birmingham Bernd Riegert.

Birmingham Tory-Parteitag Rede Theresa May tanzt
Dancing Queen Theresa May: Mit Abba auf die BühneBild: Getty Images/AFP/O. Scarff

Bei ihrer Grundsatzrede zum Abschluß des Parteitages der Konservativen hatte Theresa May in diesem Jahr mehr Glück als 2017. Vor einem Jahr versagte ihre Stimme wegen eine Erkältung, ein Störer gelangte bis zu ihrem Rednerpult und Buchstaben aus dem Parteislogan fielen von der Wand. Diesmal ging alles glatt, zumindest technisch. Zum Erstaunen des Publikums tanzte diesmal eine gut gelaunte Premierministerin zu den Klängen von Abbas "Dancing Queen" ans Rednerpult. "Es gibt einige Dinge vom letzten Parteitag, die ich gerne vergessen möchte", scherzte Theresa May. "Aber ich werde mich immer an die menschliche Wärme erinnern, die ich in der Halle gespürt habe. Ihr habt mich die ganze Zeit unterstützt."

"Das Beste kommt noch"

Inhaltlich versuchte die Premierministerin, ihre tief gespaltene Partei von ihrem Weg zum Brexit zu überzeugen. Sie wollte den über 10.000 Parteitagsbesuchern eine optimistische Botschaft mit auf den Weg zurück in ein zutiefst verunsichertes Land geben. "Ich glaube leidenschaftlich, dass unsere besten Tage noch vor uns liegen und dass unsere Zukunft voller Verheißungen ist", sagte May in Birmingham. "Lassen Sie sich nicht einreden, dass wir es nicht schaffen können. Wir haben alles, was wir brauchen, um erfolgreich zu sein." Die scharfe Kritik ihres parteiinternen Widersachers Boris Johnson an ihrer Brexit-Strategie erwähnte sich nicht. Sie wies aber seine Idee, eines Freihandelsabkommen mit der EU zurück, das Nordirland vom Rest Großbritannien abtrennen würde. Das werde sie niemals zulassen, sagte Theresa May.

Theresa May: Wir haben keine Angst vorm BrexitBild: Imago/i Images/A. Parsons

May macht der EU kein Angebot

Sie will nach wie vor die EU von ihrem "Chequers"-Plan überzeugen, der einen teilweisen Verbleib der britischen Industrie im EU-Binnenmarkt vorsieht. Die EU hat diesen Plan, der auf dem Landsitz der britischen Regierung in Chequers im Juli entstand, mehrfach als gefährlich für die Einheit des Binnenmarktes zurückgewiesen, zuletzt bei einem für Theresa May beschämenden Sondergipfel in Salzburg. Neue Vorschläge, wie der Chequers-Plan geändert werden könnte, machte May nicht. Sie erwähnte aber den Namen Chequers nicht mehr und nannte ihren Vorschlag jetzt auch Freihandelsabkommen.

"Was wir vorschlagen, ist eine Herausforderung für die EU. Aber wenn wir zusammenhalten und die Nerven bewahren, dann weiß ich, dass wir ein Abkommen erreichen, das Britannien dienen wird." Theresa May erwartet, dass die EU nachgeben wird. Auf Großbritannien warte da draußen eine Welt außerhalb der Europäischen Union, die unbedingt mit den Briten ins Geschäft kommen wolle, schwärmte sie. "Großbritannien hat auch keine Angst davor, ohne Abmachung die EU zu verlassen."

Brexit an der irischen Grenze

05:54

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Gespaltene Partei soll vereint werden

Viele Delegierte forderten Ende März 2019 einfach ohne jegliche Vereinbarung aus der EU aus zu steigen. Ein anderer Flügel warnt vor möglichen dramatischen Folgen für die britische Wirtschaft. "Am Ende wird die EU einlenken oder Übergangsvereinbarungen für den Warenverkehr, für die Luftfahrt und andere Sektoren kurz vor dem Brexit vereinbaren", meinte die Delegierte Molly Jails aus Stratford-upon-Avon. "Es kommt auch nicht so sehr darauf an, ob Theresa May oder Mutter Theresa die Brexit-Verhandlungen führt. Es kommt darauf an, dass jetzt endlich klare Politik gemacht wird", forderte Jails. Es gebe ein "tiefes Misstrauen" gegen den bisherigen Kurs der Premierministerin. Theresa May versuchte die Basis mit einer Reihe von Versprechen jenseits des Brexits zu beruhigen. Es sollten mehr bezahlbare Häuser gebaut werden. Die Mineralölsteuer werde nicht steigen. Das Ende der Austeritätspolitik sei gekommen, kündigte May an. Der nationale Gesundheitsdienst NHS werde eine 200 Millionen Euro Geldspritze erhalten, um "den Winter zu überstehen", versprach Gesundheitsminister Matt Hancock.

Letzte Überzeugungsarbeit: Maggie Turner will konservative Delegierte überzeugenBild: DW/Bernd Riegert

Zweites Referendum ausgeschlossen

"Das ist doch alles weiße Salbe", regte sich außerhalb der Parteitagshalle Maggie Turner auf. "Das Land ist auf den Brexit und seine Folgen überhaupt nicht vorbereitet." Maggie Turner verteilte mit einigen Freundinnen von der Aktivisten-Gruppe "Bath for Europe" Geldnoten mit dem Konterfei von Boris Johnson an die Delegierten. Sie sollen an die vermutlich falschen Versprechen der Brexiteers erinnern, dass jede Woche 340 Millionen Pfund nicht mehr an die EU gezahlt werden müssten, die dann dem nationalen Gesundheitsdienst zugute kommen würden. "Ich habe damit begonnen, Lebensmittelkonserven einzulagern für den Brexittag. Man weiß ja nie", sagte Maggie Turner. "Ich glaube nicht, dass der Brexit wirklich kommen wird" meinte der Anti-Brexit-Aktivist Steve Bray trotzig. Er reiste den Delegierten aus London nach Birmingham nach. Normalerweise steht er jeden Tag vor dem Unterhaus, um für die EU zu demonstrieren. Besonders optimistisch wirkt Streve Bray aber nicht. Das Land habe einen leichten Hang zu Selbstzerstörung, sagt er seufzend. Ein zweites Referendum, das den Brexit stoppen könne, werde es nicht geben, sagte in der Halle Theresa May. "Das wäre Betrug an der Demokratie. Die Menschen haben entschieden."

Ausssichtsloser Kampf: Steve Bray macht seit zwei Jahren Stimmung für EuropaBild: DW/Bernd Riegert

Entscheidung in 14 Tagen

Die Premierministerin machte sich und ihrer Partei Mut. In Birmingham hatte keiner ihrer parteiinteren Widersacher die Courage, sie offen herauszufordern und ihren Sturz zu betreiben. Das könnte sich ändern, wenn das britische Parlament in einigen Wochen über einen Brexit-Deal mit der EU abstimmen muss. "Wir wollen einen Deal", hatte der Präsident der EU-Kommission Jean-Claude Juncker gestern im Europäischen Parlament versichert. "Wer von einem No-Deal-Szenario redet, weiß nicht um die Schwierigkeiten, die diese Situation mit sich bringen würde", warnte Juncker. Premierministerin May hat in Birmingham noch einmal damit gedroht: Sollte die EU ihr nicht Zugeständisse machen, werde es keinen Deal, keinen Vertrag geben. Der nächste Gipfel mit der EU findet am 18. Oktober in Brüssel statt. May sagte unter dem Beifall der Delegierten, sie erwarte, dass Großbritannien mit "Respekt" behandelt werde, anders als in Salzburg.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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