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Politik

Grumke: "Reger Austausch mit US-Neonazis"

Vera Kern
14. August 2017

In Charlottesville sind Neonazis mit Hitlergruß und Hakenkreuz aufmarschiert. Der Politologe Thomas Grumke sieht enge Verbindungen zwischen amerikanischen und deutschen Rechtsextremen.

USA Virginia - Ausschreitungen nach Demonstrationen
Bewaffnete Anhänger der ultrarechten "Alt-Right"-Bewegung bei der Demonstration in CharlottesvilleBild: Getty Images/C. Somodevilla

Deutsche Welle: Ein Aufmarsch von Rechtsextremisten in Charlottesville im US-Bundesstaat Virginia ist am Wochenende eskaliert: Eine Frau wurde getötet und zahlreiche Menschen verletzt, als ein Auto in eine Gegendemonstration fuhr. Haben wir es hier mit organisierter Gewalt von Rechts zu tun?

Thomas Grumke: Es ist wohl ein neuer Mix aus altbekannten Figuren der rechtsextremen Szene, wie zum Beispiel David Duke, der ja schon seit den 1970er Jahren im Ku Klux Klan aktiv war und jüngeren Leuten, die sich der "Alt Right"-Bewegung, also der alternativen Rechten, zugehörig fühlen. Sie alle eint ein ausgeprägter Rassismus. Das sind lose Zusammenschlüsse, die vor allen Dingen im Internet aktiv sind, wo sie eine Art Paralleluniversum betreiben. Manche nehmen dabei Anleihen beim Nationalsozialismus, manche verbreiten krude Theorien, die wir auch hier bei der "neuen Rechten" sehen – Ideen wie den "Kulturmarxismus" beispielsweise (Anm. d. Red.: "Cultural Marxism" ist ein politischer Begriff der US-amerikanischen neuen Rechten, der eine angebliche Verschwörung der "Linken" beschreibt). Ein guter Teil der Rechtsextremen in den USA ist sehr gewaltbereit. Es hat mich daher nicht besonders überraschend, wie sich die Demonstration in Charlottesville entwickelt hat.

Erlebt der Rechtsextremismus in den USA unter Präsident Donald Trump gerade eine Renaissance?

Zumindest fühlt sich die rechtsextreme Szene von der Wahl Trumps sehr bestärkt. Trumps Wählerschaft stammt teilweise aus dem Milieu, das die "White Supremacy", also die weiße Vorherrschaft, gefährdet sieht. Diese Menschen stemmen sich gegen progressive Entwicklungen wie die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen, eine andere Rolle der Frau, Migration.

Welche Verbindungen bestehen zwischen Rechtsextremen in den USA und Neonazis in Deutschland?

Natürlich ist man ideologisch weitestgehend auf einer Linie. Rechtsextreme in den USA wie auch in Deutschland sind gegen Einwanderung und gegen den Islam. Sie streben eine homogene Gesellschaft an und propagieren die Idee des Nationalstaats. Gerade durch das Internet herrscht ein reger Austausch. Kooperation ist üblich, zum Beispiel auch Geschäfte miteinander zu machen. Eine typische Musikproduktion im rechtsextremistischen Hardcore-Bereich beispielsweise wird heute in Skandinavien produziert, in Osteuropa gepresst und dann in Deutschland vertrieben – und ehe sie hier auf dem Index landet und verboten wird, haben Gesinnungsgenossen in den USA die Musik schon erhalten und bringen sie übers Internet wieder in Deutschland in Umlauf.

Finden auch Treffen statt – oder läuft die Vernetzung hauptsächlich übers Internet?

Extremismus-Experte Grumke: US-Neonazis sind ideologisch auf einer Linie mit deutschen RechtsextremenBild: FHöV NRW

Schon in den 1990er Jahren gab es regen Besuchskontakt. Der inzwischen verstorbene amerikanische Neonazianführer William Pierce beispielsweise hat sich häufig in NPD-Kreisen bewegt und auch auf NPD-Versammlungen gesprochen. Pierce hatte sich sehr für eine internationale Zusammenarbeit der Rechtsextremenen stark gemacht und die Meinung vertreten, Nationalismus müsse vor Antisemitismus zurückstehen. Wenn ihn jemand nach seiner Identität fragte, sagte er: "weiß".

Welche Art von Kooperationen gibt es heute?

Es gibt Verbindungen zwischen der "Alt-Right"-Bewegung und der ultrarechten "Identitären Bewegung" in Europa. Sie eint die Überzeugung einer weißen Überlegenheit. Die Identitären sagen, sie seien keine Nazis, sondern ihnen gehe es vor allem darum, eine weiße europäische Identität bewahren. Richard Spencer, einer der bekanntesten Aktivisten der "Alt-Right"-Bewegung, hält zum Beispiel sehr enge Kontakte zu den Identitären, die ja insbesondere in Österreich, Italien und Frankreich aktiv sind.

Greifen Neonazis in den USA dabei auch auf deutsche NS-Ideologie zurück?

Zumindest bedienen sie sich der Symbolik: Auch in den USA werden der Hitlergruß oder das Hakenkreuz genutzt, um maximal zu provozieren. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass solche Nazi-Symbole – anders als in Deutschland -  dort nicht strafbar sind. Die rechtsextremen Demonstranten bei den Protesten in Charlottesville, die sich Hakenkreuze auf ihre Schilder gemalt haben, wären in Deutschland alle wegen sogenannter Propagandadelikte verhaftet worden.

Rechtsradikale Demonstranten mit Nazi-Flagge bei den Protesten in CharlottesvilleBild: picture-alliance/NurPhoto/E.Molli

Wie wird dieser jüngste Ausbruch rechter Gewalt in Charlottesville Ihrer Einschätzung nach von deutschen Neonazis wahrgenommen?

Diese neue Eskalationsstufe rechtsextremer Gewalt in den USA wird unter Neonazis in Deutschland auf jeden Fall aufmerksam verfolgt. Natürlich spornt man sich gegenseitig an und motiviert sich. Früher, in der Nachkriegszeit, war es eindeutig so, dass der Ideologie-Transfer immer von Europa in Richtung USA verlief. Das ist längst anders: Auch rechtsextreme Ideen und Symbole aus den USA werden nach Deutschland importiert.

Anfang der 1990er Jahre wurde in Deutschland etwa die sogenannte "Schulhof-CD" verbreitet, mit der Neonazis junge Leute über Musik mit rechtsradikalen Texten rekrutieren wollten. Übers Internet wurde diese CD dann in den USA unter dem Namen "Project Schoolyard" verbreitet.

Umgekehrt hat die Zahl "14" als Symbol der amerikanischen Neonazis inzwischen auch bei deutschen Rechtsextremisten Eingang gefunden. Die sogenannten "Fourteen Words" beziehen sich auf einen Glaubenssatz, der in den USA unter weißen Neonazis weit verbreitet ist: "We must secure the existence of our people and a future for White children" (Anm. d. Red.: "Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern"). Man kann auch darüber spekulieren, ob die Idee von "Leaderless resistance", also des führerlosen Widerstands, die Rechtsterroristen des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) womöglich motiviert hat. Eines scheint jedenfalls sicher: Es findet ein reger Austausch zwischen amerikanischen und deutschen Neonazis statt.

Thomas Grumke ist Professor für Politikwissenschaft an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung NRW. In seiner Dissertation beschäftigte er sich mit Rechtsextremismus in den USA.

Das Interview führte Vera Kern.

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