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Politik

"Grundgesetz gehört in keine Risikogruppe"

23. Mai 2020

"Das Grundgesetz wird diese Pandemie überdauern, ohne Schaden zu nehmen" - Bundespräsident Steinmeier sieht zum Tag des Grundgesetzes an diesem Samstag keinen Anlass für Kleinmut.

Frank-Walter Steinmeier
Frank-Walter Steinmeier: "Kritik ist nicht reserviert für Corona-freie Zeiten"Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Gerade in der Corona-Pandemie zeige sich, "wie lebendig unsere Demokratie, wie tief verankert und wie hoch geschätzt ihre Grundwerte sind", schreibt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Gastbeitrag für die "Süddeutsche Zeitung". Er freue sich, dass über die Entscheidungen im Bund und in den Ländern lebhaft diskutiert und gestritten werde.

Die aktuellen Einschnitte in die Freiheitsrechte spürten alle, "sie sind massiv und sie sind einmalig in unserer Geschichte". Sie seien aber kein Selbstzweck. "Sie dienen dem Schutz von Gesundheit und Leben", so das deutsche Staatsoberhaupt. Er sei überzeugt davon, dass das Grundgesetz die Pandemie überdauern werde, ohne Schaden zu nehmen. "Es spricht nichts für die Befürchtung, dass die Beschränkungen nicht wieder aufgehoben werden, sobald die Entwicklung der Pandemie das erlaubt. Das Grundgesetz gehört in keine Risikogruppe - nicht nur, weil 71 Jahre für eine Verfassung kein Alter sind."

"Angriff auf unsere Demokratie"

Mit Blick auf Verschwörungsmythen im Zusammenhang mit der Pandemie erklärte Steinmeier: "So spinnert manche Verschwörungstheorie auch daherkommen mag - vergessen wir nicht, dass hinter ihr harte politische Ziele stehen, die wir nicht ignorieren dürfen." Eine Diskreditierung von gewählten Volksvertretern, von einer seriösen Berichterstattung, von demokratischen Verfahren, wissenschaftlichen Erkenntnissen und Vernunft sei "nichts weniger als ein Angriff auf unsere Demokratie, und just auch auf die Freiheit, die sie zu verteidigen vorgeben".

Der Tag des Grundgesetzes wird am 23. Mai gefeiert: 1949 war es an diesem Tag feierlich verkündet wordenBild: picture_alliance/dpa/Bildfunk/ZB/M. Skolimowska

Auch Bundesratspräsident Dietmar Woidke rief dazu auf, gegen eine Vereinnahmung der deutschen Verfassung durch Demokratiefeinde Widerstand zu leisten. "Lassen wir nicht zu, dass einzelne Artikel des Grundgesetzes herausgehoben werden, um sie einseitig über andere zu stellen. Nur wer für das Grundgesetz in Gänze steht, schützt unser freiheitlich demokratisches Miteinander", meinte Woidke.

"Viele sind ja nicht Verrückte"

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble nahm Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer in Schutz, der für seine Gespräche mit Gegnern der Corona-Auflagen bei einer Demonstration in Dresden in die Kritik geraten war. Es gebe zwar Menschen, mit denen nicht ernsthaft diskutiert werden könne, sagte Schäuble im deutschen Fernsehen. "Was Ministerpräsident Kretschmer gemacht hat, war natürlich trotzdem toll, denn viele bei diesen Demonstrationen sind ja nicht Verrückte, sondern sie sind vielleicht anfällig für Verschwörungstheoretiker oder irgendwelche Parolen."

Wolfgang Schäuble: Corona-Pandemie ist eine "neue Erfahrung für die Menschheit"Bild: Getty Images/AFP/J. Thys

Auch die Wissenschaft sei sich beim Thema Corona nicht einig, betonte Schäuble. Wenn sich Politiker der Debatte um die Corona-Maßnahmen stellten, "dann ist das nur gut". Aufgabe der Politik sei es am Anfang gewesen, Panik zu verhindern. "Das ist gut gelungen." In der "unmittelbaren Notlage" hätten alle auf Kanzlerin Angela Merkel geschaut. Nun sei es gut, regional unterschiedliche Regelungen für Lockerungsmaßnahmen zu ergreifen.

In etlichen deutschen Städten sind an diesem Samstag wieder Demonstrationen gegen die staatlichen Beschränkungen zur Eindämmung der Pandemie geplant - unter anderem in Stuttgart, Berlin, Köln, München, Frankfurt am Main und Hannover. Bereits an den vergangenen Wochenenden hatten bundesweit Tausende Menschen gegen Eingriffe in Grundrechte demonstriert.

wa/cw (kna, afp, epd, dpa)

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