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PolitikAsien

Grundstein für umstrittenen Hindu-Tempel

5. August 2020

Indiens hindu-nationaler Premier Narendra Modi hat den Grundstein für einen neuen Tempel im Norden des Landes gelegt. Der Neubau gilt als Affront gegen die muslimische Minderheit - und auch das Datum ist bewusst gewählt.

Begeisterte Mitglieder von Modis hindu-nationalistischer Partei BJP in Ayodhya (Foto: Getty Images/AFP/N. Nanu)
Begeisterte Mitglieder von Modis hindu-nationalistischer Partei BJP in AyodhyaBild: Getty Images/AFP/N. Nanu

Auf den Ruinen einer in den 1990er-Jahren zerstörten Moschee hat Indiens Premierminister Narendra Modi den Grundstein für einen neuen hinduistischen Tempel in der Stadt Ayodhya gelegt. Er soll dem Gottkönig Rama gewidmet werden, der dem hinduistischen Glauben zufolge vor rund 7000 Jahren an dem Ort als Inkarnation der wichtigen Gottheit Vishnu geboren wurde. Nach den Worten von Heimatminister Amit Shah soll das Bauwerk "den Himmel berühren" und mit Erde von fast 2000 heiligen Städten und Wasser aus rund 100 heiligen Flüssen gebaut werden. "Nicht nur die Menschheit, sondern das ganze Universum mit seinen Vögeln und Tieren ist bezaubert von diesem goldenen Moment", sagte der Priester, der die Zeremonie leitete. Wegen der Corona-Pandemie konnten weniger Gläubige teilnehmen als zunächst geplant.

TV-Übertagung der Zeremonie: Auf dem Bildschirm ist Indiens Regierungschef Narendra Modi zu sehenBild: Getty Images/AFP/P. Singh

An der im nationalen Fernsehen übertragenen Zeremonie nahm auch Mohan Bhogwat, Chef der umstrittenen militaristischen Organisation RSS, teil. Die RSS wird beschuldigt, zu der Zerstörung der Moschee in Ayodhya überhaupt erst angestachelt zu haben und steht Modis hindu-nationalistischer Regierungspartei BJP nahe.

Jahrhundertealter Konflikt

Die Ursprünge des Religionskonflikts in Ayodhya reichen zurück bis ins 16. Jahrhundert: Aus hinduistischer Sicht zerstörten Muslime damals einen antiken Rama-Tempel, um an der Stelle die Babri-Moschee zu errichten. Im 19. Jahrhundert trennten die britischen Kolonialherrscher die beiden Religionsgemeinschaften durch einen Zaun. 1949 tauchten Rama-Figuren in der Moschee auf. Über die Jahrzehnte eskalierte ein Streit, der am 6. Dezember 1992 darin gipfelte, dass ein Mob aus 200.000 Menschen die Polizeiabsperrungen durchbrach und die Moschee einriss. Bei den Zusammenstößen wurden mehr als 2000 Menschen - hauptsächlich Muslime - getötet.

Im November sprach Indiens höchstes Gericht in einem jahrelangen Prozess, in dem sogar ein Anwalt die Interessen der Gottheit Rama vertrat, die Stätte den Hindus zu; gleichzeitig darf in der Nachbarschaft eine "prominente" neue Moschee errichtet werden. Das Urteil rief neue landesweite Proteste hervor.

Weiterer Schritt hinaus aus dem Vielvölkerstaat

Der neue Rama-Tempel, der nun Gestalt annimmt, war ein Wahlversprechen, mit dem sich Narendra Modi im vergangenen Jahr einen deutlichen Stimmzuwachs bei der Wahl vor gut einem Jahr sicherte. Modi ist unter konservativen, religiösen Hindus äußerst beliebt, weil er die Vormachtstellung der dominierenden Religion im eigentlich säkularen Vielvölkerstaat Indien ausbaut.

Tanzende Aktivistinnen der radikalen Hindugruppe Vishwa Hindu Parishad (VHP) in der PilgerstadtBild: Getty Images/AFP/P. Singh

Schon das Datum der Grundsteinlegung gilt Kritikern als unmissverständliches Zeichen an seine Anhänger: Genau vor einem Jahr hatte Modi die Sonderrechte der Gebirgsregion Kaschmir entzogen, um die sich Indien mit dem muslimischen Nachbarn Pakistan im Dauerstreit befindet. Offiziellen Darstellungen zufolge haben Astrologen den Termin für die Grundsteinlegung bestimmt, weil die Sterne in einer günstigen Konstellation stehen sollen.

Proteste in Kaschmir

Zum Jahrestag der Kaschmir-Entscheidung versammelten sich in Pakistan Tausende Demonstranten, darunter Staatspräsident Arif Alvi und Außenminister Shah Mehmood Qureshi. Bei der größten Kundgebung in der Hauptstadt Islamabad fielen anti-indische Slogans und Forderungen nach einer globalen Intervention. Am Vortag hatte Premierminister Imran Khan eine neue Karte Pakistans präsentiert, auf der die gesamte Kaschmir-Region als pakistanisches Staatsgebiet dargestellt wurde, teils unter indischer Besetzung. Im von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs wurde rund um den Jahrestag eine erneute Ausgangssperre verhängt, um Proteste zu unterbinden.

ehl/sti (dpa, ap, afp, rtr)