Guantanamo-Häftlinge nach Deutschland?
27. März 2010Im vorigen Jahr hatte die Bundesregierung noch strikt Nein gesagt. Jetzt aber gibt es neue Gespräche mit Vertretern der USA über die eventuelle Aufnahme von Häftlingen aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo in Deutschland. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte am Samstag (27.03.2010), es würden einzelne Fälle geprüft. Die Gespräche seien mit dem Kanzleramt und dem Auswärtigen Amt abgestimmt.
Die Bundesregierung bleibe bei ihrer Haltung, die Vereinigten Staaten bei deren Bemühungen zur Auflösung des Gefangenenlagers auf Kuba zu unterstützen, so der Sprecher weiter. Im vorigen Jahr hatte die Bundesregierung - auch mit Rücksicht auf China - die Aufnahme von Uiguren aus dem Gefangenenlager abgelehnt.
Ablehnung führte zu Koalitionsstreit
Darüber war es zum Streit in der damaligen großen Koalition gekommen. Während seinerzeit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mit einer Aufnahme den Kurs von US-Präsident Barack Obama zur Schließung des Lagers unterstützen wollte, lehnte der damalige Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) dies ab.
Später aber hatte sich Kanzlerin Angela Merkel bei einem Besuch in Washington optimistisch gezeigt. Deutschland werde sich seiner Verantwortung nicht entziehen, sagte die CDU-Vorsitzende. "Es wird zu Ergebnissen kommen, da bin ich ziemlich sicher", sagte Merkel damals.
Gespräche mit Insassen
Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, führte eine deutsche Delegation vergangene Woche mehrere Gespräche mit Insassen des Gefängnisses, die für eine Aufnahme in Frage kommen. Laut dem Bericht hat das Bundesinnenministerium eine Liste aus Washington, die der US-Sondergesandte Daniel Fried Ende vergangenen Jahres in Berlin übergeben habe. Beide Seiten hätten in monatelangen Geheimgesprächen über Einzelheiten verhandelt.
Die Delegation aus Berlin bestand dem Bericht zufolge aus Beamten des Innenministeriums, des Bundeskriminalamts und des Bundesamtes für Migration. Sie hätten sich in persönlichen Treffen ein Bild der Kandidaten machen und eine Risikoprognose vornehmen wollen. Auf dieser Grundlage wolle Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) entscheiden.
Zu den möglichen Kandidaten gehören laut "Spiegel" ein Palästinenser aus dem Westjordanland, der der radikalislamischen Gruppe Tablig-i-Dschamaat angehört und in Pakistan festgenommen wurde, ein Jordanier, der im Sommer 2001 nach Afghanistan gereist war, sowie ein Syrer, der Ende 2001 in einem Krankenhaus in Kabul behandelt wurde und kurz danach festgenommen worden war. Alle drei sind demnach von der US-Regierung zur Freilassung vorgesehen.
Bosbach zeigt sich skeptisch
Einwände gegen eine Aufnahme einzelner Guantanamo-Häftlinge erhob inzwischen der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach. Er sagte der Zeitung "Bild am Sonntag", er habe grundsätzliche Sicherheitsbedenken. "Sollten wir trotzdem aus humanitären Gründen ehemalige Häftlinge aufnehmen, müssen alle Sicherheitsbedenken bei jedem einzelnen Ex-Häftling geprüft und ausgeräumt werden", forderte der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses. "Die USA müssen uns überzeugend darlegen, warum diese Personen noch nicht freigelassen wurden, die USA sie nicht aufnehmen will und warum sie nicht in ihr Heimatland einreisen können", so Bosbach.
Autorin: Eleonore Uhlich/Reinhard Kleber (afp, rtr, apn)
Redaktion: Stephan Stickelmann/Nicole Scherschun