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Politik

"Assad nützt der Terror"

23. August 2017

Assad dürfte sich weiter an der Spitze Syriens halten, meint der Nahost-Experte Guido Steinberg - allerdings nur, wenn seine Partner ihn weiterhin unterstützen. Derzeit spielen ihm aber die Terroranschläge in Europa zu.

Syrien Präsident Assad - Rede vor Diplomaten in Damaskus
Bild: picture-alliance/AP Photo/Syrian Presidency

DW: Herr Steinberg, derzeit mehren sich die Stimmen derer, für die Präsident Baschar al-Assad aus dem syrischen Krieg als Sieger hervorgeht. Wie sehen sie die Lage?

Guido Steinberg: Man kann sicher davon ausgehen, dass er noch Jahre im Amt bleibt. Ich teile nur die Einschätzung jener nicht, die schon von einem Sieg der syrischen Regierungstruppen sprechen. Und zwar vor allem darum, weil die syrische Armee, wie auch die Paramilitärs der Geheimdienste, sehr große Personalprobleme haben. Dieses Problem haben sie seit dem Jahr 2011, als sehr viele vor allem sunnitische Mannschaften desertierten. Es ist bis heute nicht gelöst. Ohne die russische und iranische Unterstützung wären die syrischen Truppen schon längst geschlagen.

Seine Partner könnten ihn aber dennoch weiter halten.

Solange Russen, Iraner, die Hisbollah und andere schiitische Milizen zur Verfügung stehen, ist ein Sturz Assads vollkommen unrealistisch. Allerdings wissen wir aus der Geschichte der internationalen Politik, dass eine solche Unterstützung häufig zeitlich begrenzt ist. Zusammen hält solche Zweckbündnisse vor allem der gemeinsame Gegner. Reduzierten die Alliierten ihre Hilfe, könnte Assad sehr schnell wieder unter Druck geraten.

Gleichzeitig dürften Assads Partner aber auch Vorteile aus ihrem Engagement ziehen: Russland etwa den Zugang zum Mittelmeer und den wiederhergestellten Ruf als starke Militärmacht. Und der Iran ein stark erweitertes Einflussgebiet.

Nahost-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und PolitikBild: DW

Genau. Und das macht die neue Stärke Assads aus. Allerdings muss sich noch zeigen, wieviel Russland in den kommenden Jahren für einen Partner aufzubringen bereit ist, der selbst sehr schwach ist. Assad ist ja nicht einmal in der Lage, die Aufständischen in seinen Hochburgen im Westen des Landes zu schlagen. Mir scheint es durchaus fraglich, wie lange die Russen bereit sind, Assad auf dem derzeitigen Niveau beizustehen. Bei den Iranern ist das anders. Ihnen ging und geht es darum, den einzigen staatlichen Verbündeten in der Welt - eben Syrien - zu erhalten, um auf diese Weise auch den Zugang zum Libanon und damit auch zur libanesischen Hisbollah zu bewahren. Dass sich im Jahr 2017 abzeichnet, dass Iran über den Irak und Syrien eine Landbrücke zum Libanon errichten kann, war zu Beginn des Engagements noch nicht abzusehen. Ich halte es aber für sehr wahrscheinlich, dass die Iraner bereit sind, Zehntausende von Soldaten und Milizen zu entsenden, um Assad zu schützen. Darum scheint mir die Hoffnung, Assad zu stürzen, seit langem unrealistisch.

Derzeit häufen sich die Terroranschläge in Europa. Inwiefern spielen sie Assad in die Hände?

Assad nützt der Terror insgesamt - auch der in Europa. Diese Entwicklung hat allerdings bereits seit längerem eingesetzt. Denn durch ihn rückt für Europa und die USA der Sturz des Regimes in den Hintergrund. An seine Stelle ist die Terrorbekämpfung getreten. Insofern hat US-Präsident Trump nur eine ohnehin bestehende Strategie der Obama-Administration deutlich werden lassen. Trump sagt sehr viel offener als sein Vorgänger, dass es in Syrien nur um Eines geht, nämlich die Bekämpfung des "Islamischen Staats" (IS) und anderer dschihadistischer Organisationen. Die jüngsten Anschläge bestärken nun auch die europäischen Staaten erneut, von Assad abzulassen und sich auf die Bekämpfung des Terrorismus zu konzentrieren.

Durch den Kampf gegen die dschihadistischen Organisationen könnten sich die Sunniten insgesamt bedroht sehen. Was kann man tun, um ihnen dieses Gefühl zu nehmen?

In der Tat ist die Furcht in den sunnitischen Staaten und in der Bevölkerung der Region vor dem wachsenden Einfluss des Iran und der mit ihm verbündeten Gruppen sehr groß. Sehr häufig wird dann der Vorwurf erhoben, der Westen arbeite gemeinsam mit den "Zionisten" und den Schiiten an der Schwächung des Sunnitentums. Tatsächlich gibt es ja auch iranische Hegemoniebestrebungen. Dies ist vor allem im Irak, in Syrien und im Libanon deutlich. Im Jemen ist das etwas weniger ausgeprägt, aber auch dort werden die Iraner zu einem Konfliktakteur. Wir dürfen nicht den Fehler machen, aufgrund des sunnitischen Terrors anzunehmen, wir hätten in den Iranern und den mit ihnen verbündeten Milizen und Terrorgruppen neue Verbündete. Letztlich sind das zwei Seiten derselben Medaille, nämlich des Aufstiegs des militanten Islamismus in der Region. Ich hielte es für angemessen, wenn die Europäer so konsequent wie die Amerikaner wären und schiitische Terrorgruppen auf ihre Terror-Listen setzten. Dazu würde zunächst gehören, die Hisbollah insgesamt aufzunehmen. Bislang befindet sich dort nur deren militärischer Flügel. Das ist ein absurder Kompromiss. Zudem gibt es die irakischen schiitischen Milizen, die meines Erachtens nicht viel besser sind als der IS. Indem man auch sie auf diese Listen setzt, könnte man den Sunniten zeigen, dass wir nicht auf einer Seite dieser konfessionellen Bruchlinie stehen. 

Wie sehen Sie im mittlerweile siebten syrischen Kriegsjahr die Lage der säkularen Opposition? Fühlt sie sich noch den demokratischen und rechtsstaatlichen Werten aus der Anfangszeit des Aufstands verpflichtet? 

Es gibt immer noch Bewegungen und viele Einzelpersonen, die für diese Ziele eintreten. Aber es hat sich in Syrien und auch in anderen Ländern gezeigt, dass diese Oppositionsbewegungen in den Konflikten zwischen islamistischer Opposition einerseits und den Regimes in der arabischen Welt andererseits aufgerieben werden. Eine Ausnahme ist vielleicht Tunesien. In Syrien ist diese Beobachtung besonders schmerzlich, weil die ersten Demonstranten ja einen sehr hohen Preis gezahlt haben und sich dann aufständische Gruppierungen durchsetzen konnten, die mehrheitlich nicht akzeptabel waren. Dazu zähle ich auch viele Gruppierungen, die wir hier für moderat halten. Das sollte uns nicht davon abhalten, unsere Freunde und Verbündete in diesen zivilgesellschaftlichen Bewegungen zu suchen. Wir müssen natürlich mit Diktaturen in der arabischen Welt zusammenarbeiten. Aber wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass unsere Freunde weder in der Regierung noch bei den islamistischen Gruppierungen oder bei den meisten bewaffneten Aufständischen zu finden sind. 

Der Islamwissenschaftler Guido Steinberg ist Nahost- und Terrorismus-Experte bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik.

Die Fragen stellte Kersten Knipp.

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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