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Politik

Putsch oder rechtmäßiger Machtwechsel?

Antonio Cascais
3. März 2020

Zwei Monate nach der Stichwahl beansprucht der voraussichtliche Wahlgewinner Sissoco Embaló das Präsidentenamt für sich und hat eine neue Regierung eingesetzt. Die größte Partei im Parlament spricht von einem Putsch.

Guinea-Bissau Wahl | Umaro Sissoco Embaló & José Mario Vaz
Umaro Sissoco Embaló (rechts) hat sich selbst zum Präsidenten von Guinea-Bissau ernanntBild: DW/I. Dansó

Der neue Präsident Guinea-Bissaus heißt Umaro Sissoco Embaló. Der ehemalige General ist 48 Jahre alt und gehört der "Bewegung des demokratischen Wechsels", Madem-G15, an - einer Partei, die sich 2015 von der ehemaligen Befreiungsbewegung PAIGC, "Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit Guineas und der Kapverden" abgespalten hat. Embalós Vereidigung als Präsident, am 27.02.2020, gegen den Willen der Mehrheit des Parlaments, löste eine Verfassungskrise in Guinea-Bissau aus.

Embaló hatte am 29. Dezember 2019 in einer Stichwahl gegen den Kandidaten der PAIGC, Domingos Simões Pereira, mit rund 54 Prozent gewonnen. So hatte es zumindest die Nationale Wahlkommission, CNE, verkündet. Die Wahlen wurden von allen Wahlbeobachtern als "transparent und frei" bezeichnet. Doch Pereiras PAIGC erkannte das Ergebnis nicht an, sprach von einer inkorrekten und unvollständigen Auszählung der Wahlzettel und zog vor Gericht. Die Staatengemeinschaft ECOWAS mahnte zur Zurückhaltung und schlug eine Verifizierung der Teilwahlergebnisse vor. Lange, quälende Wochen zog sich der Konflikt hin - bis die Wahlkommission vergangene Woche das Ergebnis bestätigte. Doch die PAIGC legte erneut Protest ein: Das Oberste Gericht des Landes, das auch für Wahlen zuständig ist, solle sich nochmal mit der Wahl beschäftigen, hieß es in der Parteizentrale der PAIGC.

Embaló ernennt sich selbst

Am Donnerstag schafft Sissoco Embaló daraufhin Tatsachen und organisiert eine "symbolische Amtseinführung" in einem Hotel in Bissau. Er ernennt sich selbst: Feierlich gelobt er, dasjahrelange Chaos im Land zu beenden. Staatsbedienstete sollen wieder entlohnt und die Schulen wieder geöffnet werden, auch die Justiz und das Gesundheitssystem sollten wieder funktionieren. Embaló verspricht eine "Null-Toleranz-Politik" gegenüber der internationalen Drogenmafia, die das Land seit Jahren im Griff habe. Guinea-Bissau solle kein "Failed-State" mehr sein.

Berichten zufolge haben Soldaten mehrere Institutionen im Land besetztBild: DW/B. Darame

Guinea-Bissau ist ein multikulturelles Land mit mehr als 40 unterschiedlichen Ethnien und unterschiedlichen Religionen. Embaló gehört der Fulani-Ethnie an, die zunehmend an Einfluss im Land gewinnt. Er ist der erste Muslim im Präsidentenamt. Bei seiner feierlichen Amtseinführung, bei der nur zwei ausländische Vertreter anwesend sind - die Botschafter Gambias und Senegals - gelobt Sissoco Embaló, er wolle Präsident aller Bürger Guinea-Bissaus sein, "ohne Ansicht der Ethnie und ohne Ansicht der Religion ".

Alte Regierung aus dem Amt gejagt

Am Tag nach der Amtsübernahme des ehemaligen Generals Sissoco Embaló positionierten sich bewaffnete Soldaten vor den Ministerien, besetzten den Nationalen Rundfunk und konfiszierten die Dienstwagen des bisherigen Ministerpräsidenten Aristides Gomes von der PAIGC. "Sie bedrohten mich, ließen mich nicht mehr ins Ministerium. Ich führe nun die Amtsgeschäfte von zuhause aus. Was hier passiert ist ein Putsch", sagt Aristides Gomes im Exklusivinterview mit der DW.

Am 29. Februar 2020 hatte die Nationalversammlung als Reaktion auf den ihrer Meinung nach illegalen Amtsantritt von Sissoco Embaló ihren Parlamentspräsidenten Cipriano Cassamá zum Interimspräsidenten ausgerufen. Doch der erklärte kurz danach seinen Rücktritt: Er und seine Familie würden mit dem Tod bedroht und massiv unter Druck gesetzt. Er trete deshalb von dem Amt zurück, das ihm nach der Verfassung rechtmäßig zustehe, sagt er auf einer Pressekonferenz.

Kurzzeitig hatte Guinea-Bissau zwei Präsidenten: Cipriano Cassamá (links) und Umaro Sissoco

Chance auf einen Neuanfang?

Währenddessen bastelt Präsident Umaro Sissoco Embaló fleißig an einer neuen Regierung. Neuer Ministerpräsident ist Nuno Nabiam, 53, Vorsitzender der APU, "Allianz des Vereinigten Volks". Der verspricht einen Neuanfang: Er wolle das gespaltene Land einen und habe deshalb Vertreter unterschiedlicher Parteien in sein Kabinett berufen. Nabiam hatte sich selbst in der der ersten Wahlrunde für das Präsidentenamt beworben und war auf dem drittem Platz gelandet. Er gilt als charismatischer Mann aus dem Volk, ist katholischer Christ und gehört der einflussreichen Balanta-Ethnie an. Bei der Stichwahl am 29. Dezember hatte er Sissoco Embaló unterstützt.

"Es wäre fatal, wenn die mächtige PAIGC, die größte Partei im Parlament, jetzt eine Blockadehaltung einnehmen würde und jede Maßnahme der Regierung zum Wiederaufbau des zusammengebrochenen Staates blockieren würde", sagt der guineische Diplomat Helder Vaz im Gespräch mit der DW. Ist das, was jetzt in Guinea-Bissau passiert ein Putsch oder eine legale Amtsübergabe? "Es ist kein Putsch. Guinea-Bissau ist ein Rechtsstaat und keine Bananenrepublik. Es herrscht Meinungsfreiheit. Es gibt keine Gewalt, alles geht seinen demokratischen Gang. Wenn das ein Putsch wäre, hätte man die Mitglieder der ehemaligen Regierung verhaftet", so beschreibt Helder Vaz die Situation im Lande.

Nuno Nambiam ist Guinea-Bissaus neuer MinisterpräsidentBild: DW/I. Dansó

Internationale Gemeinschaft bleibt skeptisch

Nach wie vor ist die internationale Gemeinschaft nicht einig, wie sie die aktuelle Lage in Guinea-Bissau einschätzen soll. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS ruft die Staatsführung Guinea-Bissaus auf, die Gesetze des Landes und die internationalen Gepflogenheiten zu respektieren. Auch auf UNO-Ebene soll heute (03.03.2020) über die Lage in Guinea-Bissau beraten werden. Und auch die "Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder", CPLP, ist noch nicht sicher, ob der Zeitpunkt gekommen ist, Umaro Sissico Embaló als rechtmäßigen Präsidenten anzuerkennen.

Mitarbeit: Iancuba Dansó (Bissau), Braima Darame

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