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Politik

Guinea-Bissau: Regierung ohne Mehrheit

Martina Schwikowski
13. März 2019

Bei Parlamentswahlen in Guinea-Bissau hat die Regierungspartei PAIGC die meisten Sitze erzielt - verfehlte aber die absolute Mehrheit. Die Hoffnungen auf einen politischen Neuanfang bleiben dennoch gering.

Guinea-Bissau PAIGC-Anhänger feiern den Sieg bei den Parlamentswahlen
Bild: DW/B. Darame

Nach der Ergebnisverkündung in Bissau war die Stimmung in der Regierungspartei gedämpft: "Es tut uns leid, dass das Wahlergebnis nicht unsere Erwartungen getroffen hat", sagte Domingos Simões Pereira, Vorsitzender der "Afrikanischen Partei für die Unabhängigkeit von Guinea und der Kapverden" (PAIGC). Die Partei erhielt bei den Parlamentswahlen vom Sonntag Zustimmung für 47 Abgeordnete und verfehlte damit knapp die absolute Mehrheit in dem Land, das seit Jahren im politischen Patt steckt.

Kleine Parteien geben den Ausschlag

Bereits vor der offiziellen Verlautbarung durch die Wahlkommission am Mittwoch hatte die mächtigste Partei des Landes ihren Wahlsieg verkündet. Mehr als zwanzig Parteien waren zur Wahl der 102 Abgeordneten im Parlament angetreten. Am Ende waren es drei Parteien, die den Machtkampf unter sich austrugen: Die neue politische Formation "Madem G15" (Bewegung für eine demokratische Alternative) wird mit 27 Abgeordneten die zweitgrößte Fraktion stellen, gefolgt von der PRS (Partei der sozialen Erneuerung) mit 21 Abgeordneten. Beide hatten kurz vor der Ergebnisverkündung ein Bündnis geschlossen.

Vom Präsidentschaftskandidaten zum Königsmacher: Nuno Gomes NabiamBild: picture alliance/dpa

Die PAIGC hatte ihrerseits bereits gestern eine Koalition mit kleineren Parteien gebildet, um regierungsfähig zu sein. Das neue Parlament wird einen Premierminister wählen. Dabei werden Nuno Gomes Nabiam von der kleinen Partei APU-PDGB die Rolle des Königmachers eingeräumt. Er hatte am Dienstag eine Vereinbarung mit der Regierungspartei unterzeichnet, um eine Mehrheit im Parlament durchzusetzen. Gomes Nabiam war durch Präsident Vaz in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen 2014 politisch besiegt. Wenn das Bündnis besteht, wäre Pereiras Lager mit 54 Sitzen regierungsfähig.

Aufatmen nach der Wahl

Die Wahlen am Sonntag verliefen ruhig und ohne Ausschreitungen in dem Land, dessen Politik in den vergangenen Jahren von Staatsstreichen und Putschversuchen bestimmt war. Rund 750.000 Wähler in dem Zwei-Millionen-Einwohner-Staat waren aufgerufen, die Abgeordneten des Parlaments zu bestimmen. Viele Frauen und Jugendliche hatten sich in die langen Warteschlangen am Sonntag vor den Wahllokalen eingereiht. Am Ende des Tages bilanzierte Präsident José Mario Vaz einen Wahlgang "ohne Tote, ohne Prügeleien, ohne willkürliche Verhaftungen."

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Die Einwohner des kleinen westafrikanischen Landes hatten große Hoffnungen für einen politischen Neubeginn: "Wir brauchen einen Wandel in diesem Land", sagte Nene Niyè im DW-Interview. "Unsere Kinder gehen nicht zur Schule. Ich mache alles in unserem Haushalt, denn mein Mann geht zur Arbeit. Aber er ist seit Monaten nicht bezahlt worden." Wie viele im Land leidet die Familie unter einem politischen Machtkampf, der seit mehr als drei Jahren das Land praktisch lahmlegt: Das Parlament und der Präsident blockieren sich gegenseitig.

Die Hoffnung auf einen Neuanfang motivierte die WählerBild: Getty Images/AFP/SEYLLOU

Machtkrise legt Land lahm

Viele Menschen in Guinea-Bissau hoffen auf Stabilität und Wirtschaftswachstum. Das kleine westafrikanische Land hätte beides bitter nötig: Nach dem Militärputsch im Jahr 2012 herrschte eine politische und wirtschaftliche Dauerkrise. Auf dem Index für menschliche Entwicklung der Vereinten Nation belegt Guinea-Bissau nur noch Platz 178 von 188 Ländern.

Die aktuelle Machtkrise verläuft mitten durch die einstige Unabhängigkeitsbewegung PAIGC, die 1974 das portugiesische Kolonialregime besiegte. Die drei Hauptwidersacher in der politischen Krise sind alle Parteigenossen. Der Konflikt begann, als Präsident José Mário Vaz  (PAIGC) seinem eigenen Parteigenossen und Intimfeind Domingos Simões Pereira das Amt des Regierungschefs entzog. Nachdem Vaz einen Abgeordneten der Oppositionspartei PRS als Regierungschef einsetzte, eskalierte die Situation. Der Präsident des Parlaments, Cipriano Kassamá (PAIGC), verweigerte jegliche Zusammenarbeit mit dem Präsidenten und seinem neu eingesetzten Regierungschef.

Klientelismus, Eigeninteressen und der Ruhm vergangener Tage

Seither bewegt sich nichts im Parlament. Und die Zeichen stehen noch nicht auf Besserung. "Nichts deutet darauf hin, dass die Wahlen einen Ausweg für die Probleme des Landes ermöglichen werden", sagte UN-Generalsekretär António Guterres vor der Abstimmung. Er drängte darauf, die Aufgabenverteilung zwischen Präsident und Premierminister zu klären.

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Glücklich über den friedlichen Wahlverlauf: Präsident José Mario Vaz am SonntagBild: Getty Images/AFP/Seyllou

"Es ist nicht einfach eine einzige Partei, die in der Krise steckt", sagt Rui Landim, früherer Mitarbeiter der Universität Guinea Bissau im DW-Interview. "Es ist das komplette System, die Institutionen. Das System besteht aus Leuten, die ihre eigenen Interessen verfolgen und die von ihren Kunden und Klans." Es gebe gar keine Differenzen zwischen den politischen Parteien, ihren Programmen und Strategien, sagt Landim. "Nur wenn die persönlichen Interessen von jemandem nicht gewahrt werden, dann erfährt man, was in der Regierungspartei los ist." 

Die verfügt über die größten finanziellen Mittel, ist eine relativ professionelle Organisation und lebt mehr von dem Ruhm vergangener Tage, einst eine erfolgreiche Befreiungsbewegung gegen den Kolonialismus gewesen zu sein.

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Aber der politische Stillstand einer nicht handlungsfähigen Regierung hat Spuren in dem armen Land hinterlassen. Viele Schulen und Universitäten sind seit Jahren geschlossen, das Justizsystem funktioniert nicht, das öffentliche Gesundheitswesen liegt am Boden. Dem Staat fehlt das Geld für elementarste Aufgaben. Guinea-Bissau gehört zu den ärmsten Staaten der Welt. Selbst die Wahlen an diesem Sonntag mussten von internationalen Unterstützern finanziert werden.

Mitarbeit: Braima Darame, Bram Postumus