Leipziger Buchpreis für Guntram Vesper
17. März 2016 "Frohburg" heißt das Buch, das die Jury überzeugte und das Guntram Vesper den Sieg bescherte. Jury-Mitglied Dirk Knipphals sagte in seiner Laudatio: "Ein Buch, bei dem man schnell auf die großen Begriffe kommt, ein Opus magnum, das eine Geschichtslandschaft entwirft - die der alten BRD, der Naziherrschaft, in langen, atmenden Sätzen. ... Der Erzähler hat nichts Heldisches. Er ist ein erstaunlich junger, immer wieder von sich selbst überraschter Erzähler." "Herzlichen Dank. Mehr kann ich nicht sagen", bedankte sich Vesper bei der Jury.
Sechs Jahre lang arbeitete der Autor, einst Mitwirkender der Gruppe 47, an seinem Roman. Frohburg ist ein Ort 37 Kilometer südlich von Leipzig und Titelgeber für Guntram Vespers Buch, gleichzeitig der Geburtsort des 74-jährigen Autors. Auf 1000 Seiten verknüpft er seine eigene Biografie mit Anekdoten der deutschen Geschichte. "Frohburg", erschienen bei Schöffling & Co. und reiht eine sorgfältig recherchierte Geschichte an die andere.
"Das Buch wird zwar Roman genannt", erläuterte Vesper, "aber in Wirklichkeit ist es ein endloses Zwiegespräch zwischen mir und den Fakten." Der US-amerikanische Schriftsteller Dos Passos und dessen Buch "Manhattan Transfer" hätten ihn ursprünglich zu dieser Methode des assoziativen Gegeneinanderschneidens inspiriert. "Ich spreche über die Geschichten, die mir erzählt wurden. Sie waren alle falsch und wurden erst richtig, nachdem ich sie in die Hand genommen und gedreht und gewendet habe." Sechs Jahre arbeitete er an diesem Werk, mit dem er eine Zeitreise in die deutsch-deutsche Geschichte schuf. "Das waren Jahre des Schreibens als Lebensform." Was ein makelloser Satz sei, könne er genau sagen: "Einer, der meinem inneren Duktus, meiner Sprache entspricht. Die ersten zehn, fünfzehn Seiten des Romans habe ich fast ein halbes Jahr lang bearbeitet. Fast wie ein Gedicht."
Vesper lebt als freier Autor in Göttingen. Er verfasste Gedichte, Erzählungen und Hörspiele und wurde schon vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Peter-Huchel-Preis. Der 74-Jährige setzte sich gegen die ebenfalls nominierten Autoren Marion Poschmann ("Geliehene Landschaften - Lehrgedichte und Elegien"), Roland Schimmelpfennig ("An einem klaren, eiskalten Januarmorgen zu Beginn des 21. Jahrhunderts"), Nis-Momme Stockmann ("Der Fuchs") und Heinz Strunk ("Der goldene Handschuh") durch.
Begehrte Auszeichnung
Neben Guntram Vesper gewann die Übersetzerin Brigitte Döbert für ihre Übertragung des Buchs "Die Tutoren" von Bora Cosic aus dem Serbischen. "Wenn Ideologien zerbröseln, gerät die Sprache außer Rand und Band. Mit überbordendem Wortwitz bildet Brigitte Döbert ein Kompendium balkanischer Verrücktheiten nach", so die Jury. Der Preis in der Sparte Sachbuch/Essayistik ging an Jürgen Goldstein für sein Buch "Georg Forster. Zwischen Freiheit und Naturgewalt". Goldsteins Studie über den Entdeckungsreisenden und Intellektuellen Forster (1754-1794) gehe über die Gattung der Biografie hinaus, "indem sie sachkundig und thesenstark das anthropologische Lebenswerk eines Mannes deutet, dessen politisches Denken durch seine bahnbrechenden Reisen unmittelbar geprägt wurde", hieß es.
Insgesamt hatten sich 113 Verlage mit 401 Werken um den Preis beworben. Der Preis in seinen drei Sparten eine der begehrtesten Literaturauszeichnungen des Landes und ist mit insgesamt 60.000 Euro dotiert. Auf dem Frühlingstreff der Buchbranche in Leipzig präsentieren sich mehr als 2200 Aussteller. Nach der Frankfurter Buchmesse im Herbst ist die Leipziger Bücherschau der zweite große deutsche Marktplatz für Büchermacher und Leserschaft. Der Buchpreis wird hier seit 2005 verliehen. Im letzten Jahr gewann der Lyriker Jan Wagner mit "Regentonnenvariationen" den Preis in der Sparte Belletristik.
sp/suc/wl (dpa, www.leipziger-buchmesse.de)