Das Kunstmuseum Bern trennt sich von 38 Werken der Gurlitt-Sammlung, die Nazi-Raubkunst beinhaltet, und händigt sie den Erben der früheren Besitzer aus.
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Weitere Kunstwerke aus der Gurlitt-Sammlung werden restituiert und somit den Erben der früheren Besitzer überlassen. Bei einigen Bildern der Sammlung konnte zweifelsfrei belegt werden, dass sie einst von den Nazis geraubt wurden. Mindestens neun Gemälde seien eindeutig von den Nazis gestohlen worden. Auch bei den anderen gebe es Hinweise, dass es sich um Raubkunst handeln könnte. Das Kunstmuseum Bern hatte 1400 der ihm überlassenen Werke der Sammlung auf ihre Provenienz überprüft. Insgesamt 38 Gemälde und Zeichnungen sollen nun an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückgeben werden.
In einer Pressemitteilung heißt es, dass das Museum das Eigentum an Werken mit ungeklärter Provenienz aufgebe, "bei denen zwar Beweise für NS-Raubkunst fehlen, die aber Hinweise und/oder auffällige Begleitumstände aufweisen". Die umstrittene Sammlung, die seit 2014 im Besitz desKunstmuseums Bern ist, umfasst rund 1600 Werke - darunter Gemälde von Künstlergrößen wie Henri Matisse, Pierre-Auguste Renoir oder Claude Monet.
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Fall Gurlitt wurde zum Skandal
Der Fund der Kunstsammlung Gurlitt im Jahr 2012 sorgte international für Aufsehen. Der Rentner Cornelius Gurlitt war dem Zoll bei einer Zugfahrt über die Schweizer Grenze aufgefallen. Bei einer Leibesvisitation kamen 9000 Euro zum Vorschein. Die Beamten wurden hellhörig, Ermittlungen wurden eingeleitet und schließlich eine Wohnungsdurchsuchung angeordnet. Was folgte, war ein Kunstkrimi: In Gurlitts Wohnung - und später auch in einem Haus in Salzburg - tauchten mehr als 1500 Kunstwerke auf; Gemälde, Drucke, Radierungen und Stiche, darunter Monet, Picasso, Liebermann, Beckmann und Matisse. Sie wurden wegen des Verdachts auf NS-Raubkunst beschlagnahmt.
Verschrobener Kunstliebhaber
Der alleinstehende Kunstliebhaber, Sohn des bekannten Nazi-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt, war Hüter der Sammlung seines Vaters. Er verkaufte für seinen Lebensunterhalt gelegentlich Werke, fügte aber nie Bilder hinzu.
Jahrelang erforschte eine Taskforce - seit 2016 unter Mitwirkung des Deutschen Zentrums für Kulturgutverluste (DZK) in Magdeburg - die Herkunft der Werke. Die Ergebnisse waren bisher ernüchternd: Nur 14 Werke von Künstlern wie Max Liebermann, Henri Matisse, Thomas Couture oder Adolph von Menzel wurden eindeutig als Raubkunst identifiziert, 13 davon wurden an die rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben.
Von den mehr als 1500 Kunstwerken befanden sich 300 nachweislich vor dem Nationalsozialismus im Besitz der Künstlerfamilie Gurlitt. Die übrigen Sammlungsstücke wurden jahrelang von einem internationalen Forscherteam auf ihre Provenienz geprüft.
"Wir haben alles getan, was machbar war. Ich kann mich an keinen Fall in der Provenienzforschung erinnern, wo so intensiv gearbeitet wurde", sagte Gilbert Lupfer, Vorstand des Deutschen Zentrums Kulturgutverluste, 2020 nach Bekanntmachung des Abschlussberichts im DW-Interview. Die bloßen Zahlen würden hier wenig weiterhelfen, so Lupfer. Natürlich erschienen 14 eindeutig identifizierte Fälle - im Hinblick auf die gesamte Sammlung - als sehr wenige. Dennoch: "Jeder einzelne aufgeklärte Fall ist ein Beitrag zu dem, was man als historische Gerechtigkeit bezeichnen könnte. Ich bin über jedes Stück froh, das wir identifizieren und zurückgeben konnten. Es besteht noch immer eine große Grauzone."
Die übrige Sammlung gehört mittlerweile dem Kunstmuseum Bern, dem Cornelius Gurlitt seine Kunstwerke vor seinem Tod überraschend testamentarisch überlassen hatte und das weiter an der Provenienz der Werke forschen ließ.
Viele offene Fragen
In Deutschland wurde in den letzten zehn Jahren viel in die Provenienzforschung investiert, sowohl Personal als auch Geld. Das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste wurde 2015 gegründet. Es gibt noch eine Menge zu tun, viele Fragen sind offen.
Unter anderem auch diese: Warum wurde die Sammlung und mit ihr ein 80-jähriger, vermutlich nicht zurechnungsfähiger Mann derart in die Öffentlichkeit gezerrt? Warum werden nicht Ankäufe oder vermeintliche Schenkungen aller deutscher Kunstmuseen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges ins Internet gestellt, um mögliche enteignete Besitzer zu ermitteln - also so, wie mit der Sammlung Gurlitt verfahren wurde? Wie war es möglich, dass der Kunstmarkt sehr wohl um die Gurlitt-Schätze wusste und diese auch nach dem Krieg immer wieder kaufte und versteigerte? Die Geschichte von Cornelius Gurlitt hat doppelt Geschichte geschrieben. Über ihn wurden Bücher geschrieben, Filme gedreht und sogar Theaterstücke aufgeführt.
Gurlitts Kunstsammlung im Museum
Lange hat man auf sie gewartet, nun werden Kunstwerke aus dem Gurlitt-Fund in Ausstellungen in Bonn und Bern gezeigt. Sind sie Nazi-Raubkunst? Es ist noch viel unklar. Eine kleine Reise durch die Provenienzen.
Bild: Bundeskunsthalle / Foto: David Ertl
Max Beckmann, Zandvoort Strandcafé, 1934
Das Aquarell des jüdischen Malers Max Beckmann kann erst 1945 bei Gurlitt nachgewiesen werden. Von 1945-1950 war es in den Händen der Alliierten, am Central Collecting Point in Wiesbaden. 1950 bekam Hildebrand Gurlitt es zurück. Gurlitt hatte moderne Kunst gesammelt und ausgestellt, bevor er für das NS-Regime arbeitete. Er kuratierte 1936 die letzte Ausstellung Max Beckmanns vor seiner Flucht.
Bild: Bundeskunsthalle / Foto: David Ertl
Otto Griebel, Die Verschleierte, 1926
Das Werk befand sich im Besitz des Rechtsanwalts und Sammlers Fritz Salo Glaser. Bei ihm verkehrten in den 1920ern Künstler der Dresdner Avantgarde - auch der junge Hildebrand Gurlitt. Wie das Bild in seinen Besitz kam, ist unklar. 1945 wurde es bei ihm beschlagnahmt, später aber wieder frei gegeben. Glaser war jüdischer Herkunft und entkam 1945 nur knapp der Deportation nach Theresienstadt.
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH / Foto: David Ertl
Claude Monet, Waterloo Bridge, 1903
Das Gemälde des berühmten Impressionisten steht nicht unter Raubkunstverdacht. Es wurde 1907 vom Künstler an die Galerie Durand Ruel verkauft. Der jüdische Kunsthändler und Verleger Paul Cassirer soll es Marie Gurlitt geschenkt haben, die es wiederum 1923 ihrem Sohn Hildebrand Gurlitt vererbte.
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH / Foto: David Ertl
Thomas Couture, Porträt einer sitzenden jungen Frau, 1850
Das Gemälde des französischen Malers wurde erst kürzlich als Raubkunst identifiziert. Eine kleine handschriftliche Notiz brachte die Provenienzforscher auf die Spur. Das Bild stammt mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Sammlung des jüdischen Politikers Georges Mandel, dessen Familie Anspruch auf das Werk erhoben hat. Wie genau es in Gurlitts Hände kam, ist aber unklar.
Bild: picture alliance/dpa/Kunst- und Ausstellungshalle GmbH/M. Vincenz
Auguste Rodin, Kauernde, ca. 1882
Die Skulptur des französischen Bildhauers muss zwischen 1940 und 1945 von Hildebrand Gurlitt erworben worden sein. Zuvor befand sie sich im Besitz des Franzosen Eugène Rudier. In Umlauf gebracht wurde sie 1919 bei einer Auktion von Octave Henri Marie Mirbeau, der sie vom Künstler geschenkt bekommen hatte.
Bild: Bundeskunsthalle / Foto: David Ertl
In Gurlitts Wohnung
Cornelius Gurlitt hortete die Skulptur - zusammen mit vielen anderen Kunstwerken - über Jahrzehnte in seiner Wohnung in München. Noch vor seinem Tod 2014 hatte er seine Einwilligung gegeben, dass seine Bestände erforscht werden und sie, falls sie Raubkunst seien, gemäß der Washingtoner Prinzipien zu restituieren.
Bild: privat/Nachlass Cornelius Gurlitt
Albrecht Dürer, Ritter, Tod und Teufel, 1513
Der Kupferstich von Albrecht Dürer gehörte einst der Galerie Falkeisen-Huber in Basel. Wie er dahin kam und wie lange er dort war, ist nicht bekannt. 2012 tauchte der Stich bei Cornelius Gurlitt auf. "Alte Meister" wie Dürer hatten im nationalsozialistischen Kunstbild eine große Bedeutung, sie wurden oft auch propagandistisch vereinnahmt.
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH / Foto: David Ertl
Edvard Munch, Asche II, 1899
Bei dieser Zeichnung ist die Provenienz gänzlich unklar. Sicher ist jedoch, dass der norwegische Künstler Edvard Munch von Hitler zur so genannten "entarten Kunst" gezählt wurde. 82 Munch-Werke wurden 1937 in deutschen Museen beschlagnahmt.
Bild: Bundeskunsthalle/Foto: Mick Vincenz
François Boucher, Männlicher Akt, undatiert
Hitler verehrte die französische Malerei des 18. Jahrhunderts. Herausragende Gemälde für seine Sammlung sicherte er, indem er nach der Annexion Österreichs gezielt auf die Sammlung der Rothschild-Familie zugriff. Ergänzend versorgte Hildebrand Gurlitt ihn mit Zeichnungen renommierter französischer Künstler. Diesen Boucher hatte Gurlitt 1942 bei einem Paris Kunsthändler erworben.
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH / Foto: David Ertl
Carl Spitzweg: Alpental mit Sennerin, 1871
Dieses Gemälde war seit 1934 wahrscheinlich im Privatbesitz Hitlers. Es stammt nicht aus der Sammlung Gurlitts, sondern ist seit 1973 eine Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland, die sonst im Museum Kunstpalast in Düsseldorf ausgestellt wird. Das Bild spiegelt den Kunstgeschmack Hitlers wider. Solche Werke wollte er im "Führermusem" sehen.