Gursky: Meister des Monumentalen
27. September 2012Andreas Gursky, Superstar. Gurskymania! Seit Jahren schon. Er ist der teuerste Fotokünstler der Welt, stellt in den größten Museen aus. Seine Werke sind nicht nur Kennern bekannt, sondern locken - das ist ungewöhnlich für einen Fotografen - ganze Familien in die Kunsthallen.
Geboren wurde Gursky 1955 in Leipzig als Sohn eines Werbefotografen. Er studierte von 1978 bis 1981 an der Universität-Gesamthochschule Essen Visuelle Kommunikation. Anschließend bei Bernd Becher an der Kunstakademie in Düsseldorf, der damals bereits zusammen mit seiner Frau Hilla eine ganz eigene Stilrichtung in der Fotografie etabliert hatte. Gursky gehört zur ersten Generation der Becher-Schüler, die in den 1990er Jahren international Karriere machen sollten.
Der distanzierte Blick
Schon kurz nach Abschluss des Studiums folgte der Aufstieg des Fotografen. Er begann mit Porträts von Pförtnern, bald entstanden Architekturfotografien, Stadtansichten, Fabriken, Freizeitzentren, aber auch stille Landschaftsaufnahmen, die er oft im Rheinland fand. Früh entschied sich Andreas Gursky für das große Format, den distanzierten, strengen Blick, eine hohe Präzision der Abbildung und die digitale Bearbeitung seiner Bilder - ganz im Gegensatz zu der Fotografie seiner Lehrer.
Von Anfang an standen seine Arbeiten im Spannungsfeld von Dokumentation und Inszenierung. Andreas Gursky geht stets von der Wirklichkeit aus, fotografiert oft analog mit der Großbildkamera, doch arrangiert seine Bilder am Computer neu, nimmt digitale Eingriffe vor, vergrößert bestimmte Teile, montiert zusammen und sorgt damit für Irritationen. "Am Anfang waren es nur kleinere Eingriffe, die aus kompositorischen Gründen vorgenommen wurden", so Gursky. "Mittlerweile gibt es komplette Bilderfindungen, die sich aus vielen einzelnen Details zu einem komplexen Bildganzen zusammenfügen."
Der Mensch verschwindet
Immer wieder fotografierte Gursky an öffentlichen Plätzen und Orten, bei Boxkämpfen, Demonstrationen, bei Techno-Raves, in Börsen, Fußballstadien oder bei Popkonzerten. Es ist vor allem die Konsumwelt, die fetischisierte Produktwelt, die Gursky immer wieder zum Thema seiner Arbeiten macht. Oft ist es dabei die Anonymität, die den Fotografen interessiert.
Dabei verzichtet er zumeist darauf, ein bestimmtes Detail zu betonen. Seine Kompositionen sind "flächig", alles hat dieselbe Bedeutung. Der Mensch verschwindet oft in diesen Bildern - wie etwa bei jener Arbeit, die eine Choreographie für den nordkoreanischen Diktator Kim Jong II zeigt. Der Mensch: eine Ameise, ein Miniatur-Statist, ein anonymes Bild-Teilchen, Requisite, Dekoration.
Monumental mit Gänsehaut
Ein "Meister des Monumentalen" wurde Gursky immer wieder genannt. Er fotografierte kunterbunte, riesige Wohnhaus-Komplexe, die nächtlichen Lichter einer Metropole, eine Korbflechter-Manufaktur in Vietnam, Hafenanlagen oder auch einen amerikanischen Discounter - doch so groß, so bunt, so mächtig, wie man es noch nie gesehen hatte. Thomas Weski, Kurator am Münchner Haus der Kunst, brachte es so auf den Punkt: "Gursky macht Gänsehaut."
Doch er macht noch mehr: Gursky schafft nicht weniger als ein neues Sehen. "Meine Bilder sind immer von zwei Seiten komponiert", sagt er selbst. "Sie sind aus extremer Nahsicht bis ins kleinste Detail lesbar. Aus der Distanz werden sie zu Megazeichen." Jene Megazeichen sollen den Betrachter immer wieder aufs Neue überwältigen. Sie sind mit großer Tiefenschärfe aus der Distanz aufgenommen, oft von oben, zeigen stets etwas, was der Mensch sonst nicht sehen könnte - und feiern in unendlicher Perfektion genau das, was sie zeigen.
Die übergreifende Zustimmung, die Gurskys Werk seit Jahren schon erfährt, ist ungebrochen, wie jetzt auch wieder eine große Schau im Düsseldorfer Museum Kunstpalast zeigt, wo etwa auch die monumentale Arbeit "Madonna I" zu bestaunen ist - die aus der Sammlung des Hauses selbst stammt. Vom 23. September bis zum 13. Januar sind hier insgesamt 60 Arbeiten zu sehen.