Gut qualifizierte Mazedonier wollen nach Deutschland
12. Januar 2013 Magdalena Peseva war die erfolgreichste Studentin an ihrer Fakultät, aber in Mazedonien ist die 27-Jährige nicht geblieben. "Deutschland bietet viel mehr Möglichkeiten für Bauingenieure", erklärt sie ihren Umzug nach Dresden. Nach einem Wissenswettbewerb und ersten Kontakten mit Kommilitonen an der dortigen Technischen Universität wollte sie ihr Masterstudium in Deutschland fortsetzen und dabei die deutsche Sprache erlernen. Umgesetzt hat Peseva diesen Plan als Au-pair in einer deutschen Familie und mit Hilfe von Sprachintensivkursen. Dank eines Stipendiums des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft konnte die junge Ingenieurin nach ihrem Studium bei einem großen deutschen Bauunternehmen in Nürnberg eine Anstellung finden - wo sie heute unbefristet beschäftigt ist.
Die Suche nach dem Glück
Ähnlich wie Magdalena zieht es junge Mazedonier ins Ausland. Auf der Suche nach einem Leben ohne finanzielle Sorgen und mit besseren Perspektiven kommen viele nach Deutschland. Im Gegensatz zu den Gastarbeitern in den 1960er und 1970er Jahren ist die neue Generation von Zuwanderern hoch qualifiziert. "Die Zuwanderer, die in den vergangenen zehn Jahren aus Mazedonien gekommen sind, sprechen in der Regel mehrere Sprachen und integrieren sich schnell", sagt Suzana Hofmann von der Fachstelle Migration der Stadt Stuttgart. Das habe positive Folgen für das Zusammenleben: "Während die erste Generation überwiegend Kontakte mit den Menschen aus den ehemaligen jugoslawischen Republiken pflegte, ist das bei der zweiten Generation nicht der Fall. Die zweite Generation ist Teil der sozial-kulturellen Identität unserer Kommune, und das hier ist ihr Zuhause."
Für die Wissenschaft schwer messbar
Das Zuhause für die rund 67.000 Mazedonier in Deutschland liegt vor allem in den bevölkerungsreichen Bundesländern Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Dort lebt mehr als die Hälfte der Zuwanderer aus dem kleinen Balkanstaat. In den Statistiken der Soziologen tauchen die Mazedonier aber nicht auf: Weder zur Arbeitslosenquote noch über den genauen Bildungsstand können die Experten heute statistische Aussagen treffen. Lediglich die Zahl der Zuwanderer kann Gunter Brückner vom Statistischen Bundesamt (destatis) aus den Daten der Meldebehörden berechnen.
Die Zahl der Mazedonier in Deutschland ist laut destatis vor allem in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit rasant gestiegen: von rund 2600 auf mehr als 50.000. Aber nicht nur durch Zuzug, sondern vor allem durch den Wechsel der Staatsbürgerschaft. Bis zur Unabhängigkeit Mazedoniens im September 1991 waren die Bürger bei den deutschen Behörden als Jugoslawen gemeldet.
Kluft zwischen offiziellen Zahlen und der Realität
Während viele Mazedonier schon lange in Deutschland leben, sind nach Berechnungen des Mazedonischen Amtes für Statistik seit 1994 lediglich rund 1000 Mazedonier offiziell nach Deutschland ausgewandert. Violeta Krsteva, Leiterin des Bereichs für Migration, sieht allerdings eine Dunkelziffer, die vorübergehend nicht von der Statistik erfasst werde. Denn es gebe immer wieder Fälle von Mazedoniern, die als Touristen nach Deutschland kommen und sich dort später dauerhaft niederlassen – ohne sich in Mazedonien offiziell abzumelden.
Auch die Soziologie-Professorin Tatjana Stojanoska von der Universität „Sv. Kiril i Metodij“ in Skopje muss mit der schlechten Datenbasis arbeiten. Eine dramatische Entwicklung für ihre Heimat kann sie trotzdem konstatieren: "Wir haben letztes Jahr unter meinen Studenten eine Umfrage gemacht, die gezeigt hat, dass rund 30 Prozent keine Zukunft in ihrer Heimat sehen." Sollte diese Stimmung anhalten und sich der Auswanderungstrend dauerhaft verstärken, würde die kleine mazedonische Gesellschaft dramatisch altern. Auch den Trend von immer mehr hochqualifizierten Auswanderern bestätigt Stojanoska.
Auswanderung ohne Rückfahrkarte
Sorgen bereitet der Soziologin auch die geringe Zahl von Rückkehrern. Glaubt man der Statistik, dann sind seit der Unabhängigkeit lediglich 83 Mazedonier aus Deutschland wieder zurück in ihre Heimat gekommen. Dabei ist der Staat auf hoch qualifizierte Rückkehrer und ihre Auslandserfahrungen dringend angewiesen.
Magdalena Peseva lässt die Frage offen, ob sie irgendwann wieder zurück in ihre Heimat gehen wird: "Ich werde vielleicht nach Mazedonien zurückkehren, wenn dort das gleiche Arbeitsklima herrschen würde. Außerdem müsste ich die Möglichkeit haben, an ähnlichen Projekten wie hier in Nürnberg zu arbeiten."