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Gute Ärzte ohne Pflaster

Jan D. Walter25. Juli 2013

Kuba ist arm. Dennoch genießt die Gesundheitsversorgung im kommunistischen Karibikstaat einen hervorragenden Ruf. Das System hat tatsächlich Vorzüge, doch es mangelt an den einfachsten Dingen.

Ein kubanischer Arzt untersucht ein kleines Kind in der Kinder-Herzklinik in Havanna. (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: STR/AFP/Getty Images

Drogenentzug für den früheren Fußballstar Diego Maradona und Krebsbehandlungen für lateinamerikanische Präsidenten - in Lateinamerika genießen kubanische Ärzte einen exzellenten Ruf. In vielen Ländern, wie Venezuela und Bolivien helfen sie, den dortigen Ärztemangel zu reduzieren. Doch ob in der Gesundheitsversorgung auf der Karibikinsel wirklich eitel Sonnenschein herrscht, ist eine andere Frage.

Don Fitz lehrt Umweltpsychologie an der Washington-University in St. Louis und hat das kubanische Gesundheitssystem untersucht. Er ist überzeugt davon, dass es dem US-amerikanischen um Längen überlegen ist. Das fange im ganz Kleinen an: "In Kuba kennen die Ärzte ihre Patienten sehr genau, weil sie sie zuhause besuchen. Sie kennen die Lebensumstände der Menschen und sehen, was ihre Gesundheit möglicherweise beeinträchtigt." Dazu gehören etwa Brutstätten für Dengue-Mücken, die das gleichnamige Tropenfieber übertragen, wie stehendes Wasser oder bestimmte Pflanzen.

Das kubanische Gesundheitssystem teilt jeder Gemeinde einen oder mehrere Hausärzte zu, die über Jahrzehnte hinweg für dieselbe kleine Gruppe von Menschen verantwortlich sind. Diesen übergeordnet sind die örtlichen Polikliniken, die aufwändigere Untersuchungen und Behandlungen sowie Notfälle übernehmen. In den urbanen Zentren schließlich gibt es große Krankenhäuser, in denen teils hochspezialisierte Fachärzte und Chirurgen arbeiten.

Das Krankenhaus in Havanna, in dem sich angeblich auch Hugo Chavez behandeln ließBild: Getty Images/AFP/STR

Effizientes System

Die Überlegenheit des kubanischen Gesundheitssystems gegenüber dem US-amerikanischen begründet Fitz auch mit einer kommunistischen Staaten eher selten nachgesagten Eigenschaft: Effizienz. "Kuba wendet für die Gesundheit jedes Bürgers etwa vier Prozent dessen auf, was in den USA ausgegeben wird und erzielt exakt die gleiche Lebenserwartung."

Tatsächlich kann Kuba bei vielen Gesundheitsindikatoren mit den USA und auch europäischen Ländern mithalten. In Kuba sterben sogar weniger Kinder bei der Geburt oder im ersten Lebensjahr, als in den USA. "Kuba erreicht das, weil jede Frau sich mehrmals während einer Schwangerschaft untersuchen lassen muss", meint Fitz. Wenn sie das nicht tue, sagt der Kenner des kubanischen Gesundheitssystems, komme das lokale "Komitee zur Verteidigung der Revolution" (CDR - Comité de Defensa de la Revolución) vorbei, um die Frau zu erinnern, dass das Land gesunde Kinder braucht.

Ein kubanischer Arzt untersucht ein Kind in der Kinder-Herz-Klinik in HavannaBild: STR/AFP/Getty Images

Der Mythos von der Gratisausbildung

Aber auch diese hohe Qualität hat einen Preis. So sieht es zumindest Antonio Guedes, Präsident der antikommunistischen Exilpartei Kubanischen Liberalen Union (ULC). Das gute Gesundheitssystem gehe auf Kosten der Freiheit: "Kuba bezahlt für das Gesundheitssystem praktisch kein Geld, weil dort anders gezahlt wird ", erklärt er: Ärzte müssen nach ihrer Ausbildung für den Staat arbeiten, und werden als Staatsdiener ins Ausland "vermietet". Während des Kalten Krieges mussten sie sogar in den sowjetischen Lazaretten in Angola, Äthiopien und Mosambik ihren Dienst tun. "Und das nennen sie dann Gratisausbildung!", empört sich Guedes.

Bis vor wenigen Jahren mussten die Studenten zudem für 45 Tage pro Jahr aufs Land, um Zuckerrohr zu schneiden oder Tomaten zu ernten, so Guedes. "Ich selbst musste jahrelang auf dem Feld arbeiten", erzählt der Arzt, der seine Grundausbildung in den 1960er Jahren in Kuba absolvierte.

Bis vor kurzem mussten Schüler und Studenten Landarbeit verrichtenBild: picture alliance / dpa

Verfall der Gesundheitsversorgung

Der Allgemeinmediziner Guedes, der heute ein Gesundheitszentrum in Madrid leitet, arbeitet an einer wissenschaftlichen Studie über die Geschichte des kubanischen Gesundheitssystems. Damit will er unter anderem zeigen, dass Kuba bereits vor der Revolution eines der besten Gesundheitssysteme Lateinamerikas und sogar der Welt hatte. Bis in die 1980er Jahre hinein sei das Niveau angestiegen, meint er. Doch mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion seien die finanziellen Mittel für Ausrüstung und Medikamente ausgeblieben.

Bis heute verzeichnet Kuba mit 6,4 Ärzten auf 1.000 Einwohner zwar die zweithöchste Ärztedichte der Welt - nach Monaco. Doch selbst der Befürworter des kubanischen Gesundheitssystems Don Fitz räumt ein: "Es mangelt an vielen Dingen: Antibiotika, chirurgische Ausrüstung, Zahnarztausrüstung ..." Guedes glaubt zudem, dass darunter auch die Ausbildung der Ärzte leidet: "Früher war sie sehr gut, aber wie will man Ärzte zeitgemäß ausbilden, wenn die Geräte hoffnungslos veraltet sind?"

Ein kubanischer Arzt, der in Venezuela arbeitetBild: DW/Steffen Leidel

Und so ganz überzeugt von seinen Ärzten scheint auch Fidel Castro selbst nicht zu sein, stellt der Exilkubaner Guedes fest: "Ein spanischer Arzt fliegt ab und zu nach Kuba, um Fidel Castro zu untersuchen. Das verstehe ich nicht, wenn die kubanischen Ärzte doch angeblich die Besten der Welt sind."

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