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Gute Noten für die deutsche Kriegsberichterstattung

28. Februar 2024

Russland, Ukraine, Hamas, Israel, Gaza - deutsche Medien berichten seriös über Krieg und Terror, sagt der Deutsche Presserat in seinem Jahresbericht.

Schwarzen Wolken über zerstörten Gebäuden im Gaza-Streifen.
Nach dem Terror-Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 begann der Krieg in Gaza Bild: Francisco Seco/AFP/Getty Images

Lob und Tadel der freiwilligen Selbstkontrolle deutscher Zeitungen, Zeitschriften und Online-Portale liegen dieses Mal dicht beieinander. Das wird schnell deutlich, als der Deutsche Presserat in Berlin seinen Jahresbericht 2023 vorstellt. Die gute Nachricht: "Bei großen Themen wie den Kriegen in Israel und Gaza sowie in der Ukraine haben die Print- und Online-Medien ganz überwiegend sauber gearbeitet", sagt Presseratssprecherin Kirsten von Hutten.

Die schlechte Nachricht: Noch nie gab es so viele öffentliche Rügen wegen Verstößen gegen den Pressekodex. Im Jahr 2022 waren es 47, ein Jahr später 73 - eine Steigerung um 55 Prozent. Oft wurde der Persönlichkeitsschutz missachtet. Ein typischer Fall: veröffentlichte Fotos von Kriminalitätsopfern ohne ihre Zustimmung oder im Todesfall ohne die Genehmigung von Angehörigen.

Beschwerden über pro-palästinensische Demonstrationen

Keine einzige Rüge erteilte der Deutsche Presserat bislang im Zusammenhang mit Berichten über den Krieg im Nahen Osten und Russlands Überfall auf die Ukraine. Seit dem Terror-Angriff der radikalislamischen Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 und dem anschließenden Gaza-Krieg gab es bis zum Jahresende 83 Beschwerden von Leserinnen und Lesern. Allerdings müssen 24 Fälle noch abschließend überprüft werden.

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Auffällig ist aus Sicht des Presserats, dass es bei diesen Beschwerden oft gar nicht um Berichte aus den Kriegsgebieten ging, sondern um Artikel über pro-palästinensische Demonstrationen in Deutschland. Viele Einwände habe es zum Beispiel wegen der Überschrift "Juden-Hasser mobilisieren in ganz Europa für Demo" gegeben. Das Argument der Kritiker: "Juden-Hasser" suggeriere, alle Menschen auf der Demonstration seien antisemitisch gewesen. Aus ihrer Sicht habe es sich aber um eine Friedensdemo gehandelt.

Wann ist das Wort "Juden-Hasser" zulässig?

Dieser Bewertung widerspricht Presserat-Referentin Sonja Volkmann-Schluck: In dem beanstandeten Text sei deutlich geworden, dass auf diesen Demonstrationen antisemitische Äußerungen gefallen und Israel das Existenzrecht abgesprochen worden seien. "Insofern haben wir gesagt: Der Begriff 'Juden-Hasser' ist selbstverständlich von der Meinungsäußerung gedeckt, denn es ist eine von Tatsachen gedeckte Interpretation." 

Fließende Grenze zwischen legalem und antisemitischem Protest: pro-palästinensische Demonstrationen wie hier in BerlinBild: Andreas Friedrichs/IMAGO

Rückläufig war die Zahl der Beschwerden über Artikel, die von Russlands Krieg gegen die Ukraine und den Folgen handelten. Mit 37 waren es nur noch halb so viele wie im ersten Kriegsjahr 2022. Zweimal erteilte der Presserat den verantwortlichen Redaktionen sogenannte Hinweise, die im Unterschied zur Rüge nicht veröffentlicht werden. 

Irreführend: "Russland droht mit dem nuklearen Erstschlag"

In einem Fall ging es um eine Tageszeitung, die auf der inzwischen in "X" umbenannten Plattform "Twitter" einen Artikel ankündigte: "Russland droht mit dem nuklearen Erstschlag". Aus Sicht des Presserats war die Schlagzeile irreführend und reißerisch.

"Im Text wurde dann allerdings deutlich, dass nur ein russischer Außenpolitik-Fachmann dies fordert", erläutert Presserat-Referentin Volkmann-Schluck. Damit seien in der Leserschaft Ängste geschürt worden, die im Text nicht gedeckt seien.

Für TV und Radio ist der Presserat nicht zuständig

Die Gesamtzahl der Beschwerden zu Artikeln in gedruckten und online veröffentlichten Presseartikeln stieg im Jahr 2023 von 1733 auf 1850. Zu Beginn der Corona-Pandemie waren es noch mehr als doppelt so viele gewesen. Allerdings befasste sich der Deutsche Presserat 2023 lediglich in 531 Fällen mit den eingebrachten Anliegen.

Bei allen anderen war nach seiner Einschätzung schon auf den ersten Blick kein Verstoß gegen den Pressekodex zu erkennen. Oder es handelte sich um Beschwerden über TV- und Radio-Berichte. Für diese Medien ist der in Form eines amtlich eingetragenen Vereins verfasste Presserat jedoch nicht zuständig.

Transparenz und Fehlerkultur gefordert

Finanziert wird die 1956 gegründete freiwillige Selbstkontrolle von mehreren Verleger- und Journalistenorganisationen sowie durch einen staatlichen Zuschuss. Beim Blick auf das Jahr 2024 rechnet die Organisation mit einer Menge Arbeit - wegen der weiteren Berichterstattung über Kriege, aber auch wegen der Europawahlen und der Präsidentschaftswahl in den USA.

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"Deren Ausgang könnte das politische Gefüge in Deutschland entscheidend beeinflussen", meint Presseratssprecherin Kirsten von Hutten. Deshalb appelliert sie besonders an die Verantwortung der Zeitungs- und Online-Redaktionen, sorgfältig und wahrhaftig zu berichten. "Dazu gehört Transparenz in der Berichterstattung, auch das Korrigieren von Fehlern seitens der Redaktion, der Austausch mit den Leserinnen und Lesern." Sorgfalt schaffe Vertrauen, betont von Hutten.

Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland