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Politik

Maaßen-Nachfolger kommt gut an

16. November 2018

Drei Geheimdienst-Chefs in einer öffentlichen Anhörung - die Premiere 2017 war ein Medien-Spektakel. Dieses Mal stand ein Neuer im Mittelpunkt, von dem interessante Zwischentöne zu hören waren.

Berlin: Öffentliche Anhörung der Geheimdienstchefs  Bruno Kahl, Thomas Haldenwang und Christof Gramm
Der neue Verfassungsschutz-Chef Haldenwang mit seinen BND- und MAD-Kollegen Kahl (l.) und Gramm (r.) Bild: picture-alliance/AP/M. Sohn

Normalerweise treffen sie sich hinter Stahltüren in einem abhörsicheren Raum des Bundestages und lassen kein Wort nach draußen dringen: Die Präsidenten der drei deutschen Geheimdienste und die Mitglieder des Parlamentarischen Kontroll-Gremiums (PKGr). Was sie zu besprechen haben, ist grundsätzlich geheim und oft brisant. Es geht um Terrorismus und Extremismus – kurz: um Gefahren-Abwehr. Aber einmal im Jahr reden sie in Berlin darüber ganz öffentlich – natürlich nur abstrakt, aber immerhin. An diesem Freitag war es wieder so weit.  

Diese Form der Transparenz gibt es erst seit 2017. Sie war und ist eine Reaktion auf das massiv gesunkene Vertrauen in die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), des Bundesnachrichtendienstes (BND) und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) es. Der für das Inland zuständige Verfassungsschutz versagte bei der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU), der im Ausland aktive BND war Teil der illegalen Massenüberwachung des Internet durch seinen US-Partnerdienst "National Security Agency" (NSA). Und die Bundeswehr, für die der MAD zuständig ist, hat immer wieder Probleme mit Rechtsextremisten wie Franco A.

"Der Neue im Amt macht einen sehr guten Eindruck"

In einer solchen Gemengelage die Flucht nach vorn anzutreten, war keine schlechte Idee, meinen auch die PKGr-Abgeordneten aller Fraktionen. Wobei sie besonders am Auftritt des neuen BfV-Chefs Thomas Haldenwang interessiert waren. Für den Nachfolger des kürzlich entlassenen Hans-Georg Maaßen war es eine Premiere. Und die meisterte er aus Sicht seiner Kontrolleure mit Bravour. "Sie haben ein schönes, aber auch verantwortungsvolles Amt übernommen", sagte der PKGr-Vorsitzende Armin Schuster. Und das meinte der Christdemokrat keinesfalls ironisch.

Seine Zeit als Verfassungsschutz-Präsident ist unter unrühmlichen Umständen abgelaufen: Hans-Georg MaaßenBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Haldenwangs Vorgänger hatte das mit der Verantwortung in den Augen der meisten Abgeordneten weniger ernst genommen, als er die Dimension fremdenfeindlicher Ausschreitungen in Chemnitz (Sachsen) völlig anders bewertete als die Bundesregierung. Der Neue im Amt hat einen "sehr guten Eindruck" hinterlassen, meinte der Grünen-Abgeordnete Konstantin von Notz nach der dreistündigen Anhörung. Der Sozialdemokrat Burkhard Lischka glaubt, dass es unter Haldenwang die "Chance für einen Neuanfang" im Kampf gegen Rechtsextremismus gibt.

Für die AfD könnte es eng werden

Daran hatte es zuletzt massive Zweifel gegeben - wegen Maaßens relativierender Äußerungen nach den Ereignissen in Chemnitz. Haldenwang betonte in der öffentlichen Anhörung, er wolle dem Rechtsextremismus "mehr Aufmerksamkeit schenken". Das klingt nach indirekter Kritik an seinem Vorgänger. Doch so will der 58-Jährige auf keinen Fall verstanden werden. Er habe viele Jahre "vertrauensvoll und eng" mit Maaßen zusammengearbeitet und ein "hohes Maß" an Übereinstimmung mit ihm gehabt. Nur in Details habe es  "unterschiedliche Auffassungen" gegeben. Diese darzustellen, gehöre aber nicht in diese Anhörung.

Die Mehrheit der Deutschen ist für eine Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz

Differenzen zwischen den beiden könnte es beim Umgang mit der Alternative für Deutschland (AfD) gegeben haben. Maaßen hielt nichts von einer Beobachtung der Rechtspopulisten. Einige Bundesländer haben sich anders entschieden und werfen unter anderem ein Auge auf die Nachwuchsorganisation "Junge Alternative" (JA). Spätestens Anfang 2019 wollen sich die Verfassungsschutzämter des Bundes und der 16 Bundesländer entscheiden, ob sie die AfD als Ganzes ins Visier nehmen. Ihre gemeinsame Materialsammlung ist inzwischen weitestgehend abgeschlossen.

Ein Geheimdienst-Kontrolleur steckt in der Zwickmühle

Der AfD-Abgeordnete des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Roman Reusch, erkundigte sich in der Fragerunde nach Haldenwangs "politischen Wünschen". Eine Frage, die man durchaus als Frage in eigener Sache verstehen durfte. Die Antwort des BfV-Präsidenten war klar und deutlich: Politische Vorgaben würde er "strikt zurückweisen", es gebe aber auch keine. "Durchaus nachvollziehbar" nannte Reusch die Einlassungen Haldenwangs im anschließenden Gespräch mit der Deutschen Welle. Eigene Fragen zur AfD zu stellen, hätte Reusch als "ungehörig" empfunden, weil er zwischen seiner Eigenschaft als AfD-Abgeordneter einerseits und seiner Kontroll-Funktion im PKGr andererseits einen "klaren Trennstrich" ziehe.

Ein Geheimdienst-Kontrolleur, der womöglich selbst bald von einem Geheimdienst beobachtet wird: Roman Reusch (AfD)Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Grotesk findet Reusch den Umstand, "dass der vielleicht demnächst Beobachtete den Beobachter kontrolliert". Anders ausgedrückt: Sollte sich das Bundesamt für Verfassungsschutz zu einer Beobachtung der gesamten AfD entscheiden, würde BfV-Präsident Haldenwang darüber auch dem Parlamentarischen Kontroll-Gremium unter strengster Geheimhaltung berichten. Und im PKGr sitzt für die AfD der Abgeordnete Roman Reusch, der wie alle anderen zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.      

Die nächste Anhörung könnte spannend werden

Die nächste öffentliche Anhörung mit den Präsidenten der Geheimdienste findet voraussichtlich im Herbst 2019 statt. Gut möglich, dass die AfD dann noch  mehr im Fokus steht als jetzt schon. Für den Fall einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz hat sie bereits vorgesorgt und ein Gutachten eingeholt. Für den Parlamentarischen Geheimdienst-Kontrolleur Roman Reusch, von Beruf Staatsanwalt, könnte es beim nächsten Mal also ziemlich heikel werden. Das Format der öffentlichen Anhörung sei kein "schlechter Gedanke". Aber für die  Mitglieder des Kontroll-Gremiums sei es auch ein "Eiertanz" weil man mehr wisse, als man sagen dürfe.

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