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Gutes Wahlergebnis für Wahlforscher

Kay-Alexander Scholz
28. September 2021

Umfragen sind so eine Sache: Wie genau können sie die Realität abbilden - oder machen sie sogar Stimmung? Die Bilanz der Demoskopen nach der Bundestagswahl: besser als befürchtet.

Symbolbild Festnetz Telefon
Bild: Gajus - Fotolia.com

Die Demoskopen, also die Wahl- und Meinungsforscher, lagen mit ihren Umfragen bei dieser Bundestagswahl in Deutschland ziemlich nah am tatsächlichen Ergebnis. Die Grafik zeigt die letzten Umfragen vor der Wahl und die Abweichungen zum Ergebnis der Wahl.

Die Abweichung bei den Grünen könnte am "Faktor der sozialen Erwünschtheit" liegen, erläutert Demoskopie-ExperteThomas Wind im Interview mit der DW: "Es gibt ein immer breiter werdendes Milieu, das bei Umfragen grün angibt und damit einen Bewusstseinsstand dokumentiert." Dann aber wählten die Befragten anders, indem sie sich zum Beispiel aus taktischen Gründen für die SPD entschieden.

Dabei war die Lage vor der Wahl für die Demoskopen unübersichtlich - und das Image angekratzt. Ein Rekordanteil von 40 Prozent der Wählerschaft hatte sich noch zwei Wochen vor der Wahl nicht entschieden, das hatte das Meinungsforschungsinstitut Allensbach ermittelt. Bei der letzten Wahl - einer Landtagswahl - hatten die Demoskopen bis zu zehn Prozentpunkte daneben gelegen. Eine Diskussion über Grenzen der Demoskopie entstand. Was sei noch zu leisten angesichts einer immer größeren Zahl von Wechselwählern? Sind die Methoden der Demoskopen noch zeitgemäß?

Umkämpfter Markt

Als klassische Wahlforscher in Deutschland gelten Infratest dimap, die Forschungsgruppe Wahlen, Emnid, Forsa und das Institut für Demoskopie Allensbach. Dazu gekommen sind vier neuere Anbieter: Insa, Civey, YouGov, GMS. Das heißt auch: Der Konkurrenzkampf ist in den letzten Jahren stärker geworden.

Die Methoden der Meinungsforscher sind unterschiedlich, sie haben ihre Stärken und Schwächen. Gespräche übers Festnetz gelten als besonders aussagekräftig, weil sie regional zuzuordnen sind und die Interviewten sich Zeit für ein Gespräch nehmen können. Doch besonders Jüngere haben oft gar kein Festnetztelefon mehr - so können sie aus dem Blick geraten.

Bei Befragungen am Mobiltelefon ist dagegen unklar, wo sich die Person gerade aufhält: Wenn man ein Stimmungsbild aus einem bestimmten Bundesland will, kann das hinderlich sein. Online-Befragungen sind einfacher in der Erhebung, aber häufig anonym und erfassen nur Personen, die sich im Internet bewegen.

Politikwissenschaftler und Publizist Frank Brettschneider: Was machen die Medien aus den Umfragen?Bild: Uni Hohenheim

Die nah beieinander liegenden letzten Umfragen hätten gezeigt, dass die unterschiedlichen Methoden keine so große Rolle spielten, sagt der Politikwissenschaftler und Publizist Frank Brettschneider der DW. Vielmehr käme es auf die Gewichtungen an. Um die Stichproben-Qualität zu verbessern, werden von den Meinungsforschungsinstituten zum Beispiel unterrepräsentierte Gruppen stärker gewichtet. Diese Gewichtungen sind ein gut behütetes Betriebsgeheimnis.

Demoskopen hatten Glück

Am Tag nach der Wahl traten in der Bundespressekonferenz in Berlin die Spitzen von vier Meinungsforschungsinstituten vor die Presse. Er freue sich, dass es wohl dieses Mal keine "Schelte" für die Demoskopen geben werde, sagte Matthias Jung, Chef der Forschungsgruppe Wahlen. Die Umfragen hätten das Meinungsbild "offensichtlich ganz gut abgebildet".

Woran liegt das? An besseren Methoden? Jung hatte eine andere Erklärung: Es hätte eben - anders als bei der letzten Bundestagswahl 2017 - keine großen Veränderungen in der Wählerschaft in den letzten Tagen vor der Wahl mehr gegeben, erklärte Jung. So seien die letzten Umfragen den Wahlergebnissen relativ nah gekommen.

Bei der nächsten Wahl kann es also auch wieder anders aussehen. Umfragen könnten immer nur Meinungsbilder für einen bestimmten Zeitpunkt abliefern - es seien keine Prognosen für die letztendliche Wahlentscheidung, betonte Jung.

Bei dieser Bundestagswahl lagen die Umfragen sehr nah am Wahlergebnis Bild: Oliver Berg/dpa/picture alliance

Als positiv bewerten die Demoskopen die hohe Wahlbeteiligung. Schon 2017 war die Wahlbeteiligung von 71,5 auf 76,2 Prozent gestiegen. Jetzt lag sie bei 76,6 Prozent.

Wie viel Macht haben Umfragen?

Teil der Kritik an den Demoskopen sind auch folgende Fragen: Beeinflussen Umfragen den Willen der Wählerschaft zu stark? Gibt es zu viele Umfragen?

"Zu viele Umfragen waren es meines Erachtens nicht", sagt Brettschneider. "Das Vorgehen ist nachvollziehbar, wenn die aktuelle politische Stimmung im Fluss ist." Umfragen hätten aber stärker für politische Analysen und Hintergrund-Berichterstattung genutzt werden können. "Da blieb es leider oft beim Horse-Race-Journalism - also bei Fragen wie: Wer holt auf? Wer fällt zurück? Und wer hat die Nase gerade vorn?"

Manchmal sind die Wege der Wähler durch Meinungsforschung schwer nachzuvollziehenBild: Rolf Vennenbernd/dpa/picture alliance

Einen zu großen Einfluss von Umfragen auf die Meinungsbildung sieht auch der Demoskopie-Experte Wind nicht. Es fehle letztlich an entsprechender Forschung, um etwas Fundiertes über die isolierte Wirkung von Umfragen auf das Wahlverhalten zu sagen.

Doch manche Demoskopen vermuten einen größeren Einfluss. Für Menschen, die an taktischem Wählen gerade bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen interessiert seien, könnten Umfragen wichtig sein bei der Frage, wie der eigenen Stimme mehr Gewicht verliehen werden könne, sagte Jung in der Bundespressekonferenz.

"Merkel mit Drei-Komponenten-Kleber ersetzen"

Es gibt andere Blickwinkel, die bei der Einschätzung der Arbeit der Demoskopen helfen können. "Das Ergebnis repräsentiert den unbewussten Wählerwillen", sagt der Psychologe und Marktforscher Stephan Grünewald der DW.

Tiefen-Interviews sechs Wochen vor der Wahl hätten Interessantes zutage gebracht, berichtet Grünewald: "Die Wähler wollten ihre Stimme am liebsten splitten und ihr eigenes Koalitionssüppchen kochen -  bestehend aus einer Konstante (SPD/CDU), einem grünen Weckruf und der Lizenz zur Selbstbezüglichkeit (FDP)".

Psychologe und Marktforscher Stephan Grünewald: Die Wähler wollten ihre Stimme am liebsten splittenBild: Maya Claussen

Der Grund dafür sei ein empfundenes "Machbarkeitsdilemma". Viele seien einerseits wegen der Corona-Pandemie noch mit der Wiederherstellung ihres Alltags beschäftigt. Sie würden andererseits jede Menge großer Herausforderungen außerhalb ihres "Corona-Schneckenhauses" registrieren, in das sie sich zurückgezogen hätten. Wie aber die Herausforderungen zu lösen seien, dazu fehle die Idee.

Folge dieses Machbarkeitsdilemmas sei eine resignative Stimmung - und daraus entstehe letztlich der Wunsch nach einem "Weiter-So mit grünem Anstrich". Ein Dreierbündnis aus CDU oder SPD mit FDP und Grünen wäre ein solches "Weiter-So", sagt Grünewald. Es stehe in der Tradition von Bundeskanzlerin Angela Merkel, erinnere an ihr überparteiliches Auftreten in der großen Koalition und an ihre politische Jugend-Zeit als Umweltministerin: "Die Nation versucht quasi, Merkel mit einem 'Drei-Komponenten-Kleber' zu ersetzen."

 

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