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Darum stagniert Chinas Seidenstraßen-Hafen in Pakistan

Kira Schacht
13. Mai 2024

China finanziert Häfen in der ganzen Welt. Der Hafen im pakistanischen Gwadar sollte ein großer Erfolg werden. Doch zwei Jahrzehnte später liegt er still. Was sagt das über Chinas Infrakstruktur-Investitionen weltweit?

Pakistan Gwadar Hafen
Bild: Xinhua News Agency/picture alliance

Im November 2016 symbolisierte der Hafen in Gwadar Stabilität, Frieden und Wohlstand für Pakistan – zumindest laut dem damaligen Premierminister Nawaz Sharif. "Das ist der Beginn einer neuen Ära", sagte er in der Eröffnungszeremonie in Gwadar, als eine Reihe chinesischer Lastwagen eintraf, um Fracht auf das erste Container-Schiff im Hafen zu verladen. 

Das war zum offiziellen Betriebsbeginn des Hafens, rund zehn Jahre nachdem er fertig gebaut worden war. Die Zeremonie markierte auch den Beginn des prestigeträchtigen chinesisch-pakistanischen Wirtschaftskorridors (China-Pakistan Economic Corridor, CPEC), ein wichtiger Teil von Chinas weltweitem Infrastruktur- und Handelsnetz, der Neuen Seidenstraße (Belt and Road Initiative, BRI)

Heute jedoch, acht Jahre später, ist diese neue Ära noch immer nicht angebrochen. Eine DW-Analyse zeigt, was schief gelaufen ist. 

"Die Investoren dachten, Gwadar wird das nächste Dubai” 

Die Idee hinter CPEC war, Chinas westliche Xinjiang Provinz mit dem Meer zu verbinden – über Pakistan. Für China würde das Handelsrouten verkürzen und helfen, den umstrittenen Engpass in der Straße von Malakka zu vermeiden, der zwischen Malaysia und Sumatra liegt und den Indischen mit dem Pazifischen Ozean verbindet. Pakistan wiederum würde von zunehmendem Handel, Infrastruktur und Industrie entlang des rund 2000 Kilometer langen Korridors profitieren, der komplett von China finanziert wird. 

Zusätzlich zum bereits florierenden Hafen in Karatschi, sollte Gwadar den Korridor an das globale Schiffsnetz anschließen. Die kleine Fischerstadt liegt nahe der iranischen Grenzen, rund 500 Kilometer von Karatschi entfernt. Der neugebaute Tiefseehafen in Gwadar wurde 2007 fertiggestellt und 2013 an die chinesische Betreiberfirma übergeben. Dieser Tiefseehafen sollte das Herzstück von CPEC werden, umgeben von einer Sonderwirtschaftszone, die aus Gwadar eine lebhafte Hafenstadt machen sollte. 

Der Hafen habe Potenzial, sagt Azeem Khalid, Assistenz-Professor für internationale Beziehungen an der COMSATS Universität Islamabad, wo er zu chinesischen Investitionen in Pakistan forscht. "Es ist ein natürlicher Tiefseehafen, der größere Schiffe aufnehmen kann als Karatschi. Er liegt am Knotenpunkt des globalen Ölhandels. Und es würde Chinas Interessen in der Region festigen", so Khalid zur DW. 

Im eigenen Land hat China bereits bewiesen, dass es verschlafene Fischerdörfer in starke Wirtschaftszentren verwandeln kann. Shenzen, Chinas erste Sonderwirtschaftszone, ist das beste Beispiel: In nur vier Jahrzehnten wuchs die Stadt von rund 60.000 Einwohnern auf heute 17 Millionen an.

"Damals glaubten die Investoren, Gwadar werde das nächste Dubai", sagt Khalid.

Neue Seidenstraße: Chinas Anteil in Häfen in der ganzen Welt 

Pakistan ist nicht das einzige Land, das diese Vision verfolgt. Rund um die Welt hoffen Regierungen darauf, ihre Wirtschaft mit neuen oder ausgebauten Häfen und anderen Infrastrukturprojekten anzukurbeln. Und chinesische Banken leihen bereitwillig das Geld dafür. Oft sind es auch chinesische Firmen, die die Häfen bauen oder später betreiben. 

Mindestens 38 Häfen wurden mithilfe chinesischer Investitionen seit dem Jahr 2000 gebaut. Weitere 43 sind geplant oder werden derzeit gebaut. 78 fertige Häfen haben außerdem chinesische Anteilseigner, wie DW-Recherchen anhand mehrerer wissenschaftlichen Quellen ergaben.  

Diese Abkommen seien lukrativ für China, sagt Jacob Mardell, Journalist und ehemaliger Analyst bei der deutschen Denkfabrik Mercator Institute for China Studies. "Dieses Modell subventioniert im Prinzip chinesische Unternehmen", so Mardell. Chinesische Banken geben Kredite an Regierungen, die mit diesem Geld chinesische Baufirmen bezahlen, und den Kredit über die Zeit an die Bank zurückzahlen, erklärt Mardell. Unterm Strich verlasse das Geld China gar nicht, "während Steuerzahlende in anderen Ländern letztlich die Rechnung zahlen". 

Ein häufiges Muster scheint es zu sein, einen neuen Hafen relativ nahe zu einem bereits etablierten zu bauen – wie im Fall von Gwadar und Karatschi. Neue Häfen sollen dabei oft die älteren, weniger effizienten Häfen ergänzen oder langfristig ersetzen. 

Dieses Muster zeigt sich auch in Kamerun und Nigeria. In Kamerun soll der neugebaute Hafen in Kribi den oft überfüllten und zu seichten Haften von Douala ersetzen. In Nigeria wird der Hafen in Lagos ergänzt um den gerade eröffneten Tiefseehafen in Lekki, der weniger als 100 Kilometer entfernt ist. Beide Häfen werden finanziert und gebaut von chinesischen Firmen, die dem Staat gehören. 

Ähnlich auch 2017 in Sri Lanka: Die Regierung vergab einen 99-Jahre geltenden Pachtvertrag und eine Mehrheitsbeteiligung an China für den recht neuen Hafen in Hambantota, der ursprünglich den Haupthafen in Colombo entlasten sollte. 

Gwadar läuft schlechter als andere Häfen 

Im Hafen von Lekki legten im ersten Betriebsjahr 2023 rund 26 Schiffe an, laut Daten von Marine Traffic, einem Anbieter für Schifffahrtsdaten und –analysen.

Und obwohl Gwadar bereits 2007, also weit vor Lekki, fertiggestellt wurde, sind in Gwadars bestem Jahr nur 22 Schiffe angelandet. Bisher hat der Hafen auch keine Hochseeschifffahrtslinien, die regelmäßig dort anlanden würden. 

So wird in Gwadar fast keine Fracht umgeschlagen, die Einkommen für Pakistan generieren könnten – oder auch für die chinesische Betreiberfirma. Für Experten ist das nicht überraschend: Gwadar hat derzeit eine nur sehr geringe Kapazität. Seine drei Liegeplätze, an denen Schiffe be- und entladen werden, können nur 137.000 Standardcontainer von 20 Fuß Länge pro Jahr umschlagen. Zum Vergleich: Karatschi kann mit seinen 33 Liegeplätzen rund 4,2 Millionen solcher Container pro Jahr verladen. 

Und obwohl Häfen wie Kribi oder Lekki vergleichsweise klein sind, stellen sie Gwadar, das vermeintliche Herzstück des Handels mit Süd- und Zentralasien, in den Schatten. 

Obwohl Gwadar letztendlich das Potenzial habe, Karatschi zu überholen, seien es fehlende Investitionen, die das verhindern, so Khalid. Eine Erweiterung für 1,5 Milliarden Euro war für 2015 versprochen, aber seitdem hat sich nur sehr wenig getan. Große Teile der benötigten Infrastruktur, etwa Straßen und Schienen, um Güter von und nach Gwadar zu transportieren, fehlen. 

Luftbild vom Tiefseehafen in Gwadar im April 2023Bild: Airbus via Google Earth

Öffentlich verkünden Investoren wie die China Pakistan Investment Corporation nach wie vor, dass Gwadar "sich zum Knotenpunkt für Handel und Investment in der Region entwickelt". Aber der leere Hafen legt das Gegenteil nahe. Mardell und Khalid sagen, dass hinter den Kulissen sowohl Pakistan als auch China desillusioniert sind, was das Projekt betrifft.

"Versprechen zu Arbeitsplätzen wurden nicht erfüllt. Versprechen für die Industrie wurden nicht erfüllt. Geschäftsmöglichkeiten für Pakistaner haben sich nicht verwirklicht", sagt Khalid. "[China] hat neun Sonderwirtschaftszonen versprochen. Heute funktioniert nicht eine davon vollständig."

Politische und wirtschaftliche Instabilität verhindern Erfolg 

Der Zustand der Entwicklungen in Gwadar spiegelt grob die Situation des restlichen Wirtschaftskorridors zwischen China und Pakistan wider. "CPEC hatte schon von Beginn an Probleme", sagt Mardell. 

Einige dieser Probleme sind spezifisch für die Grenzregion Belutschistan, in der Gwadar liegt. Es ist eine der ärmsten Regionen Pakistans und hat starke separatistische Milizen, die häufig Anschläge verüben, darunter auch einige gezielt gegen chinesische Staatsangehörige. Die Milizen wiederum werden vom pakistanischen Militär gewaltsam unterdrückt. 

Auf nationaler Ebene hat Pakistan in den letzten Jahren eine schwere Wirtschaftskrise durchlebt. Und nach dem Sturz des ehemaligen Premierministers Imran Khan im Jahr 2022 hat sich das Land noch nicht wieder komplett politisch stabilisiert.

"Da sich die politische und sicherheitspolitische Lage in Pakistan in letzter Zeit verschlechtert hat, wird das CPEC-Projekt dadurch noch mehr behindert", erklärt Mardell. 

China lernt aus seinen Fehlern in Pakistan 

Mardell glaubt, dass die chinesischen Entscheidungsträger verkalkuliert haben. "Wenn es um Entscheidungen über Investitionen geht, sind die Chinesen berühmt dafür, Risiko nicht zu scheuen", sagt er. Prinzipiell unbegrenzte staatliche Unterstützung für staatliche Investitions- oder Baufirmen, verbunden mit dem politischen Willen, schnell wettbewerbsfähig zu westlichen Volkswirtschaften zu werden, haben dazu geführt, dass China auch risikoreiche Projekte in weniger stabilen Ländern weltweit finanziere. 

"Ich glaube nicht, dass sie zu Beginn die Situation in Pakistan vollständig verstanden haben", sagt Mardell. Wobei sich das für andere Projekte in der Zukunft sicher ändere: "Ich denke sie haben aus ihren Fehlern mit der Neuen Seidenstraße und CPEC gelernt, und sind heutzutage wahrscheinlich zurückhaltender, Kapital zuzusagen."

In den letzten Jahren, insbesondere während der COVID-19-Pandemie, haben sich Chinas Ausgaben für Seidenstraßen-Projekte verlangsamt. Aber obwohl das Land heute womöglich selektiver ist bei der Auswahl von Projekten, haben die Investitionen insgesamt wieder zugenommen. Seidenstraßen-Investments liegen heute auf ähnlichem Niveau wie vor der Pandemie. 

 

Nicht rentable Investments treiben Länder in Schuldenfalle 

Dennoch: Länder wie Pakistan müssen jetzt hohe Schulden an chinesische Geldgeber zurückzahlen. "Pakistan muss Milliarden von Dollar an Krediten zurückzahlen, weil es bei CPEC leichtsinnig investiert hat", sagt Khalid. 

Ähnliche Fälle haben bereits zu Kritik geführt, dass China eine "Schuldenfallen-Diplomatie" betreibe, Partnerländern also erlaube, höhere Schulden aufzunehmen als diese realistisch abbezahlen können – mit dem Ziel, politischen Einfluss zu gewinnen. 

Über die Kreditzahlungen hinaus fließt auch ein Teil der Einnahmen aus neugebauten Projekten zurück an China. "China bekommt den Löwenanteil von allem", sagt Khalid mit Bezug auf die CPEC-Investitionen. Beim Hafen von Gwadar beispielsweise, gehen 90% der – noch begrenzten – Einnahmen an die chinesische Betreiberfirma. Die pakistanische Regierung erhält 10%, nichts geht an Landesregierung in Belutschistan.

Trotz all dieser Probleme werde CPEC, und damit auch Gwadar, wohl weiterverfolgt, sagt Mardell: "Auf gar keinen Fall wird China sein Gesicht verlieren und zugeben, dass es eine Katastrophe ist. Sich aus CPEC zurückzuziehen und Pakistan allein zu lassen, ist keine Option. China ist zu tief involviert und Pakistan ist als Bündnispartner zu wichtig."

Stattdessen hält er es für wahrscheinlich, dass China große Investitionen in Pakistan weiterhin hinauszögern werde, aber dennoch symbolische Bemühungen zeigt, um das Projekt am Leben zu halten.

Dennoch gebe es noch Hoffnung für Gwadar, sagt er: "Wenn sich die Situation in Pakistan verbessert, dann wird auch CPEC vielleicht wieder Fortschritte machen." 

Daten, Quellen und Code hinter dieser Analyse finden Sie in diesem Repository. Mehr datenjournalistische Geschichten der DW finden Sie hier.

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