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Politik

Händeringend gesucht: Vertrauen

Richard A. Fuchs
30. November 2017

Die Glyphosat-Krise vergiftet weiter die Gesprächsatmosphäre in Berlin. So wird zwischen CDU, CSU und SPD bereits kräftig untereinander ausgeteilt, bevor der Bundespräsident überhaupt seine Vermittlung beginnt.

Berlin CDU/CSU-Größen Gestik nach Ende der Sondierungsgespräche
Bild: Reuters/H. Hanschke

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat am Donnerstagabend einen besonders schweren Job: Er muss Parteien, die eigentlich partout nicht miteinander regieren wollten, vom Gegenteil überzeugen. Wenn die Spitzen von CDU, CSU und SPD im Schloss Bellevue eintreffen, kommt dem geschickten Verhandlungsführer Steinmeier eine Schlüsselrolle zu. Zwar hatten sich die Unionsparteien nach den gescheiterten Sondierungsgesprächen mit FDP und Grünen zügig für eine Neuauflage der Großen Koalition ausgesprochen. Eine Minderheitsregierung will Merkel bislang unter allen Umständen verhindern. Doch die SPD zierte sich, verwies auf ihr desaströses Wahlergebnis und beharrte darauf, sich als stärkste Oppositionspartei im neuen Bundestag neu aufstellen zu wollen. Eine erneute "GroKo", eine Große Koalition, schlossen die Genossen zunächst aus.

Schulz: "Ein massiver Vertrauensverlust"

Nach einem eindringlichen Appell Steinmeiers an das Verantwortungsbewusstsein aller Parteien, eine Regierungsbildung doch noch zu ermöglichen, bewegten sich die Sozialdemokraten. Das Gespräch unter seiner Führung, an dem jetzt Kanzlerin Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) teilnehmen, ist das erste Zwischenergebnis dieser Bemühungen. Dass es dabei ruppig zugehen könnte, dafür sorgte nicht zuletzt der politische Eklat, für den am Montag Agrarminister Christian Schmidt (CSU) sorgte.

Appell vom Präsidenten: Martin Schulz im Gespräch mit Frank-Walter SteinmeierBild: picture-alliance/dpa/Bundesregierung/J. Denzel

Schmidt stimmte auf EU-Ebene der Neuzulassung des Unkrautvernichters Glyphosat für weitere fünf Jahre zu, obwohl der Noch-Regierungspartner SPD strikt dagegen war und Schmidt sich somit nach den Regeln der Bundesregierung hätte enthalten müssen. Der Minister handelte sich dafür eine Rüge der Kanzlerin ein. Für die SPD ist das zu wenig. Parteichef Martin Schulz verurteilte den Alleingang des CSU-Ministers als "skandalös". Er habe zu einem "massiven Vertrauensverlust innerhalb der geschäftsführenden Bundesregierung und zwischen den Parteien geführt", sagte Schulz am Mittwoch. Selbst ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss gegen den CSU-Minister wurde von der SPD ins Gespräch gebracht.

Die SPD will für die Unionsparteien jetzt teuer werden  

Doch auch wenn sich Spitzenpolitiker der Sozialdemokraten erbost über das Verhalten des CSU-Ministers zeigen: Mit Rücktrittsforderungen halten sie sich bemerkenswerterweise zurück, was viele Beobachter vermuten lässt, dass die Rechnung später kommt. Diesen Eindruck nähren auch führende SPD-Politiker wie Johannes Kahrs, der sich in Zeitungen mit den Worten zitieren lässt: "Für die Union wird es jetzt richtig teuer." Andere SPD-Vertreter betonten, die Kanzlerin müsse darlegen, warum sich für die SPD eine Neuauflage der Großen Koalition lohnen würde. Oft fiel dabei der Begriff, die CDU müsse als "vertrauensbildende Maßnahmen" einige SPD-Forderungen übernehmen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt will von derlei Bringschulden der Unionsparteien aber nichts wissen. Schließlich erkläre die SPD seit neun Wochen jeden Tag von neuem, nicht regieren zu wollen. "Da klingen die aktuellen Rufe nach vertrauensbildenden Maßnahmen sehr nach hoher Schauspielkunst". Dobrindt riet der SPD "zu etwas mehr Realismus und weniger Schauspiel."

Die Jugendorganisation der Sozialdemokraten sagt: GroKo - No way!Bild: picture-alliance/dpa/O. Dietze

Der Forderungskatalog der SPD, der als Minimalvoraussetzung für die Neuauflage einer GroKo genannt wird, wird unterdessen immer länger. So soll mit einem neuen Arbeitsschutzgesetz ein bislang auf die lange Bank geschobenes Lieblingsprojekt der SPD zur Umsetzung kommen. Es müsse zudem Verbesserungen bei der Bezahlung sozialer Berufe geben, ebenso eine Reform der Krankenversicherungen, wenn die SPD mitregieren solle. Und nach dem Willen der SPD soll in einer künftigen Regierungskoalition auch die Zuständigkeit der Länder bei Schul- und Bildungspolitik beschnitten werden. Das verspricht gehörig Ärger, weil insbesondere von der Union regierte Bundesländer daran nicht rütteln wollen.

Die CDU gibt sich gelassen

CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn sah seine Partei vor den anstehenden Gesprächen dagegen nicht unter Zugzwang. "Wir fangen jetzt neu an - auf Basis der jeweiligen Wahl- und Regierungsprogramme", sagte er der "Saarbrücker Zeitung". "Deswegen müssen Kompromisse auch wieder neu erarbeitet werden." Oft ist zu hören, dass sich die jetzt anstehenden Sondierungs- und Koalitionsgespräche bis ins nächste Jahr hinein ziehen könnten. Leicht ist die Aufgabe für Bundespräsident Steinmeier nicht, aus dieser Situation heraus den Impuls für die Bildung einer funktionstüchtigen Regierung zu geben.

Die CDU gibt sich betont gelassen - zumindest äußerlichBild: Getty Images/AFP/O. Andersen

SPD-Chef Martin Schulz dämpfte schon einmal die Erwartungen an das erste Treffen. "Ich kann ihnen beim besten Willen nicht sagen, was das Ergebnis dieser Gespräche sein wird", sagte Schulz. Und in der Tat: Handfeste Ergebnisse oder Beschlüsse sind von diesem Treffen nicht zu erwarten. Und so könnte der Bundespräsident davon profitieren, dass er bereits am Donnerstagnachmittag zum "Forum Bellevue zur Zukunft der Demokratie" eingeladen hat. Dort geht es mit einem Panel von hochkarätigen Persönlichkeiten um die Frage, wie "Die Freiheit des Denkens in unruhigen Zeiten" bewahrt werden kann. Gut möglich, dass gerade in einem solchen Forum gute Idee entstehen können, wie Deutschland in absehbarer Zeit zu einer echten Regierung kommt.

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