1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

"Höckes Entschuldigung ist Strategie"

Friedel Taube
19. Februar 2017

Björn Höcke hat sich teilweise von seiner umstrittenen Dresdener Rede distanziert. Für den Thüringer Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent ändert das nichts. Höcke bleibe eine Gefahr für die Demokratie.

Deutschland Landeswahlversammlung der AfD Thüringen | Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender
Bild: picture-alliance/Arifoto Ug/Candy Welz

Deutsche Welle: Der Thüringer Landesvorsitzende der AfD, Björn Höcke, hatte im Januar in seiner Dresdener Rede unter anderem das Holocaust-Mahnmal als "Denkmal der Schande" bezeichnet und eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" gefordert. Auf dem Landesparteitag in Arnstadt hat er sich jetzt für die "Tonlage" entschuldigt. Woher der Sinneswandel?

Matthias Quent: Was heißt Sinneswandel? Das ist Teil der Strategie: Man provoziert erst und dann rudert man halbgar zurück und freut sich über die Aufmerksamkeit. Das war beim Brandenburger AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland und seinenBoateng-Äußerungen nicht anders. Es ist Teil der Inszenierung zu sagen: "Ich habe es nicht ganz so gemeint." Die meisten wissen aber, dass er es so gemeint hat. Höcke ist Politprofi und die meisten Dinge, die er in Dresden gesagt hat, hat er auch vorher schon mal gesagt.

Das Ganze ist ein taktisches Manövrieren gegen das Parteiausschlussverfahren, das nach der Rede gegen ihn eingeleitet wurde. Er tut das mit einem solchen Augenzwinkern, dass jeder, der so tickt wie er, weiß, dass er sich eben nicht für den Geschichtsrevisionismus entschuldigt, sondern lediglich dafür, dass die Rede die Partei ein paar Stimmen - insbesondere in den alten Bundesländern - gekostet hat.

Hat das Parteiausschlussverfahren gegen Höcke denn überhaupt Chancen?

Nein, denn es müsste ja vor dem Thüringer Landesschiedsgericht ausgetragen werden. Es hätte auch vor dem Bundesschiedsgericht keine Chance, weil sich der rechtsextreme Flügel der AfD in den vergangenen Jahren sehr strategisch positioniert hat. Der Landesverband steht völlig hinter ihm, sie teilen die Inhalte, die Provokationen. Das Parteiausschlussverfahren ist ein parteitaktisches Instrument des Flügels um die Parteivorsitzende Frauke Petry, aber da ist nichts zu erwarten.

AfD: Koalitionspartner oder Bewegungspartei

Hat die interne Spaltung der AfD das Potential, die Partei langfristig zu schwächen?

Das wird sich im Mai beim Bundesparteitag zeigen. Dann wird offengelegt, wie stark welcher Flügel wirklich ist. Es gibt unterschiedliche Strategien: Bundesvorsitzende Frauke Petry will die Partei auf Koalitionskurs bringen. Björn Höcke sieht die AfD als eine Bewegungspartei, also als Instrument, um neue rechte Deutungen salonfähig zu machen. Von welcher Schaltstelle aus er das macht, ist ihm nicht so wichtig, denn den Parlamentarismus sieht er nur als Mittel zum Zweck.

Das Potential einer Spaltung ist definitiv da. Es wird sich zeigen, inwiefern die Flügel auf Zusammenhalt der Partei und den Erfolg bei der Bundestagswahl setzen oder ob die Machtinteressen und politischen Differenzen überwiegen. 

Sie sagen, es sei für Höcke nicht wichtig, wo er sitzt. Beim Landesparteitag in Arnstadt wurde ja jetzt klar: Höcke wird nicht für den Bundestag antreten. Welche Strategie steckt dahinter?

Als Parteiführer in Thüringen ist Höcke mächtiger als als Hinterbänkler in Berlin. Seine Positionen sind bei der Anhängerschaft der AfD in Thüringen mehrheitsfähig, bundesweit aber nicht, auch nicht innerhalb der AfD. Im weltoffenen, kosmopolitischen Berlin hätte er großen Gegenwind. Im Thüringer Landtag kann er sich besser positionieren.

Und: Diejenigen, die jetzt für die Thüringer AfD für den Bundestag kandidieren, Stephan Brandner und Jürgen Pohl, werden seine Berliner Kolonne im Bundestag. Da kann er eine Rolle spielen und trotzdem die Beinfreiheit behalten zu provozieren, denn in Thüringen wird das mitgetragen. 

Leitet das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft in Thüringens zweitgrößter Stadt Jena: Matthias Quent Bild: picture-alliance/dpa/FSU/Universität Jena/Jan-Peter Kasper

In einer Analyse vom Januar 2016 bescheinigen Sie der AfD in Thüringen rechtsextreme Tendenzen. Höcke habe Kontakte zu rechtsextremen Unternehmern und zur NPD. Ist Höcke eine Gefahr für die Demokratie?

Höcke ist eine Gefahr für die Demokratie. Denn er schafft es, die Unzufriedenheit und den Wunsch nach Bewahrung, nach klassischen konservativen Elementen, auf destruktive Art und Weise zu politisieren. Das geht über ein "wir gegen die" hinaus, er geht in die Rhetorik der Nationalsozialisten über. Das ist mehr als nur Populismus, das ist ein politisierter Rechtsextremismus bei ihm. Er sieht die AfD als fundamental-oppositionelle Bewegungspartei. Es geht nicht um Parlamentarismus, sondern nur um diese Inhalte. Das macht ihn gefährlicher als zum Beispiel Frauke Petry, die ja auch versucht, Worte wie "völkisch" wieder salonfähig zu machen und damit rechtsaußen fischt.

"Rechtsextreme Strukturen lange gewachsen"

Auf die rechtsextreme Szene in Thüringen wird bundesweit mit besonderem Augenmerk geschaut, schließlich kam auch die Terrorgruppe NSU von hier. Hat Thüringen gar ein besonders starkes Rechtsaußen-Problem - und ist rechtsextremes Gedankengut in Thüringen in den vergangenen Jahren ausreichend bekämpft worden?

Die Landesregierung ist schon auf einem richtigen Weg. Aber das geht nicht so schnell. Man kann das ja nicht einfach verbieten oder mit ein paar Bildungsmaßnahmen wegkriegen. Das ist lange gewachsen.

Was verbessert werden könnte, ist der Umgang mit rechtsextremen Konzerten oder der Umgang mit Rechtsextremismus im ländlichen Raum. Dort wird es zum Beispiel nicht als Problem gesehen, wenn ein Jugendzentrum von einem Rechtsextremen geleitet wird. Da wird dann gesagt: "Immerhin gibt es noch einen Jugendclub dank dieses Engagements." Das ist auch kein thüringisches Spezifikum, man findet das auch im ländlichen Raum in den alten Bundesländern.

Ich denke, Thüringen setzt sich mit dem Problem auseinander und gibt im Gegensatz zu Sachsen auch zu, dass es ein Problem gibt. Trotzdem muss man sich noch stärker mit der Bedrohung Rechtsextremismus auseinandersetzen, da besteht kein Zweifel. 

Dr. Matthias Quent ist Soziologe und Rechtsextremismus-Forscher. In Jena leitet er das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft. Er hat sich bei seinen Forschungen umfassend mit der Thüringer AfD und Björn Höcke beschäftigt.

Das Interview führte Friedel Taube.