Höhere Entschädigungen für Terroropfer
3. Mai 2018Beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz starben im Dezember 2016 zwölf Menschen. Ein islamistischer Terrorist steuerte einen Lastwagen in die Menschenmenge und verwandelte einen Vorweihnachtsabend innerhalb von Sekunden in einen Albtraum. Um den Verletzten und den Angehörigen der Toten zu helfen, ernannte die Bundesregierung den ehemaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz, Kurt Beck, zum Beauftragten für die Opfer und Hinterbliebenen des Anschlags.
Die Stelle ist mittlerweile ausgeweitet worden - der Beauftragte ist nun zuständig für "die Anliegen von Opfern und Hinterbliebenen von terroristischen Straftaten" in Deutschland. Aber eine der Hauptforderungen ist geblieben: Wie schon sein Vorgänger tritt auch der jetzige Beauftragte Edgar Franke dafür ein, dass Terroropfer oder ihre Angehörigen mehr Geld bekommen.
"Nicht angemessen sind meiner Überzeugung nach die Härtefall-Leistungen ", sagte Kurt Beck der DW: "Das ist eine Art Schmerzensgeld, das unmittelbar nach einem Ereignis ausgezahlt wird. Ich habe eine deutliche Erhöhung angeregt und gehe davon aus, dass eine Verdreifachung angebracht wäre."
Nach dem Anschlag vom Breitscheidplatz wurde den Verletzten eine Soforthilfe von je 5000 Euro bezahlt. Ehepartner, Elternteile und Kinder der Todesopfer bekamen jeweils 10.000 Euro, Geschwister bekamen jeweils 5000 Euro. Das soll jetzt, wenn es nach Beck und Franke geht, auf 30.000 beziehungsweise 15.000 Euro erhöht werden - auch rückwirkend für die Betroffenen des Berliner Anschlags.
"Man wird natürlich ein Menschenleben weder mit der einen noch mit der anderen Summe wiederherstellen können", sagte Edgar Franke der DW: "Aber die Menschen sollten einen höheren Betrag bekommen, weil in anderen Ländern solche Summen üblich sind."
Deutschland bei Soforthilfe im unteren Mittelfeld
In seinem Abschlussbericht im Dezember 2017 verglich Beck Deutschlands Härteleistungen mit den Zahlungen, die Terroropfer und Hinterbliebene in anderen Ländern erhalten. Das Fazit: Bisher liegt Deutschland mit seiner Soforthilfe im unteren Mittelfeld.
Natürlich hat jedes Land andere Leistungen, mit denen es die Hinterbliebenen von Terroropfern unterstützt. Aber in Bezug auf einmalige Soforthilfen sind 10.000 Euro im internationalen Vergleich tatsächlich recht wenig. In Frankreich beispielsweise bekommen Ehepartner und Eltern von Verstorbenen bis zu 35.000 und Kinder bis zu 25.000 Euro. In Spanien können Angehörige einmalig sogar bis zu 250.000 Euro bekommen.
Warum hinkt Deutschland bisher so hinterher? "Ganz einfach: Weil wir diesen klassischen Terror [vor dem Berliner Anschlag, Anm. d. Red.] noch nicht hatten", erläutert Franke: "Auf deutschem Boden sind internationale Konflikte bisher noch nicht so ausgetragen worden wie in London oder Paris." Die Bundesregierung musste nach dem Anschlag auf den Breitscheidplatz schnell reagieren. Jetzt soll nach oben korrigiert werden. Der Opferbeauftragte sieht es als wahrscheinlich an, dass die Bundesregierung die Verdreifachung der Hilfen verabschiedet.
Dabei gibt es auch einige europäische Länder, in denen Hinterbliebenen nicht so viel gezahlt wird. In Großbritannien, wo es in den vergangenen Jahren zu verhältnismäßig vielen Terroranschlägen kam, können Hinterbliebene eine Entschädigung von rund 12.500 Euro bekommen.
Langfristige Unterstützung "gut organisiert"
Die einmaligen Härteleistungen werden in Deutschland vom Bundestag jährlich zweckgebunden verabschiedet und vom Bundesamt für Justiz verwaltet und ausgezahlt. Anspruch haben Opfer von Terroranschlägen und rechtsextremistischen Straftaten, also von Taten mit einem politischen Hintergrund, bei denen der Generalbundesanwalt ermittelt, erklärt Franke. Dazu gehören beispielsweise auch die Opfer der NSU-Morde.
Die Soforthilfe ist allerdings nur eine von mehreren Leistungen, auf die Hinterbliebene Anspruch haben. Bei anderen Hilfszahlungen steht die Bundesrepublik im internationalen Vergleich besser da.
"Andere Leistungen wie Rentenzahlungen und Hilfen für verwundete Menschen sind in Deutschland recht gut organisiert", sagt Beck. Dazu gehören unter anderem Grundrenten für Menschen, die bei Terroranschlägen verletzt oder traumatisiert wurden, Bestattungsgeld für die Familien der Todesopfer, sowie finanzielle Unterstützung bei Arzt- und Krankenhauskosten.
Hohe Spendenbereitschaft in Deutschland
Langfristige Zahlungen und psychologische Hilfe sind für Terroropfer mindestens so wichtig wie eine angemessen hohe Soforthilfe, sagt Helgard van Hüllen, stellvertretende Vorsitzende des Opferhilfevereins Weißer Ring und Vizepräsidentin der Nichtregierungsorganisation Victim Support Europe.
"Über zwei Drittel der Angehörigen der Getöteten [des Berliner Anschlags] werden weiterhin durch den Weißen Ring betreut", sagte van Hüllen der DW. "Gerade bei Opfern von Terror ist die Langzeitbetreuung das Wichtige." Das gelte auch für langfristige Zahlungen, "damit das Opfer nicht noch zusätzlich finanziell leidet".
Neben Leistungen vom Staat werden Terroropfern und Hinterbliebenen in Deutschland auch Spenden aus der Bevölkerung ausgezahlt. "Ich glaube, dass es durchaus von Bedeutung ist, dass wir sehr viel Hilfsbereitschaft erlebt haben in Deutschland, und dass sehr viele Menschen gespendet haben", sagt Beck: "Das ist nicht in erster Linie des Materiellen wegen wichtig, sondern weil bürgerschaftliche Anteilnahme eine große Bedeutung für die Hinterbliebenen hat."