1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Co2: Aus schädlich mach nützlich

17. November 2017

Aus dem Klimakiller Kohlendioxid lassen sich Kraftstoffe, Kunststoffe oder Dünger herstellen. Das Projekt Carbon2Chem erforscht, wie Millionen Tonnen CO2 aus der Stahlproduktion in Nützliches verwandelt werden können.

ThyssenKrupp in Duisburg
Bild: Energie-Agentur NRW /Jochen Tack

Stahlkocher wollen CO2 -Ausstoß verringern

02:41

This browser does not support the video element.

Gemächlich tuckert das Ausflugsschiff über den Essener Baldeneysee. Kein Lärm, keine Abgase: Statt mit Diesel fährt das Boot mit Methanol. Die RWE-Ökostromtochter Innogy gewinnt den Treibstoff aus CO2, Wasser und Enzymen unter Einwirkung von Strom. Dieser kommt aus einem Wasserkraftwerk am See. "Bei der Verbrennung wird nur soviel CO2 freigesetzt, wie wir vorher der Luft entzogen haben", erfährt die COP23-Teilnehmergruppe über das erste deutsche klimaneutrale Schiff.

Methanol als Diesel-Alternative ist auch bei Carbon2Chem ein Thema. Es geht darum, die Abgase der Stahlproduktion in chemische Produkte zu verwandeln: ob Kunststoffe, Kraftstoffe oder Dünger. Dinge, für die man heutzutage weitgehend fossile Rohstoffe braucht. Daran arbeiten ThyssenKrupp, acht Chemiekonzerne sowie Siemens, VW, mehrere Hochschulen und Forschungsinstitute gemeinsam. Der Essener Anlagenbauer und Stahlproduzent leitet das Konsortium aus Industrie und Wissenschaft und baut neben seinem Stahlwerk in Duisburg eine Demonstrationsanlage, die im Frühjahr 2018 in Betrieb gehen soll.
In diesem Technikum werden die Hüttengase aus der Produktion von ThyssenKrupp gereinigt und vorbereitet. In verschiedenen Labors testen die Partner vor Ort, was sie daraus herstellen können. Etwa Methanol, das als Brennstoff und als Vorläufer für viele Endprodukte dienen kann, und sich zudem leicht transportieren lässt. Aber auch andere Alkohole, Ammoniak oder Polymere kommen in Frage.

CO2 als chemischen Grundstoff nutzen? Für ThyssenKrupp-Technikvorstand Reinhold Achatz ein gangbarer WegBild: Energie-Agentur NRW /Jochen Tack

Kreislaufwirtschaft auch beim CO2

Das Ziel: ein Kreislauf, wie es ihn bei anderen Materialien längst gibt. "Stahl recyceln wir zu 90 Prozent", sagt der technische Vorstand von ThyssenKrupp, Reinhold Achatz. Das CO2 zu verwerten sei weit besser als es nur aufzufangen und zu lagern. Denn ganz vermeiden ließe sich das Treibhausgas nicht. Heutige Anlagen seien kaum mehr zu optimieren: "Wir müssen akzeptieren, dass manche Industrien immer CO2 ausstoßen werden".

Sieben Prozent der weltweiten Emissionen stammen aus Kokereien und Hochöfen. Die Stahlproduktion braucht die Kohle: Aus Steinkohle wird unter Luftabschluss und Hitze Koks. Das harte, poröse Material ist notwendig, damit im Hochofen das Eisenerz bei rund 1500 Grad schmilzt. Hier verbindet sich der Kohlenstoff mit dem Sauerstoff aus dem Eisenerz zu Kohlendioxid und setzt das Eisen frei. Mit einer Jahres-Produktion von rund 43 Millionen Tonnen Stahl ist Deutschland der größte Hersteller in der EU: Allein aus Duisburg kommen dabei bis zu 13 Millionen Tonnen pro Jahr.

Die Aufbereitung und Verwertung der Hüttengase verbraucht enorme Mengen an Strom: Damit das Ganze ökologisch Sinn macht, muss er aus erneuerbaren Quellen stammen. "Das Angebot an Ökostrom variiert nach Wetterlage, die Stahlproduktion lässt sich jedoch nicht flexibel hoch- und runterfahren", schildert Projektkoordinator Markus Oles das Problem. Die Chemieproduktion kann aber nur begrenzt schwanken. Als Puffer soll eine Wasser-Elektrolyse dienen, die ThyssenKrupp ebenfalls am Standort baut. Gibt es einen Überschuss an Ökostrom im Netz, spaltet sie Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff, der dann für die Methanol-Synthese eingesetzt wird.

Rund 50 Stahlwerke weltweit kommen ab 2030 für das in Duisburg entwickelte Verfahren in FrageBild: Energie-Agentur NRW /Jochen Tack

Das Konzept muss auch woanders funktionieren

Innerhalb von 10 Jahren soll Carbon2Chem seine technische Machbarkeit und seine Wirtschaftlichkeit beweisen. Erst einmal sind es 10 Millionen Tonnen CO2 jährlich, später fast doppelt soviel, die in chemische Güter verwandelt werden sollen. 100 Millionen Euro investieren die Partner in den Verbund aus Elektrolyse, Chemieproduktion und Stahlwerk. Das Bundesforschungsministerium fördert das Vorhaben mit 62 Millionen Euro. Am Ende soll das Ganze aber auch ohne Zuwendungen funktionieren.

Ab 2030, so die Vision, könnte das Treibhaus-Gas im großen Maßstab verwertet werden - und Carbon2Chem auf andere Stahlwerke übertragen werden. Rund 50 weltweit kämen dafür in Frage, weil ihre Hüttengase eine ganz ähnliche Zusammensetzung haben. Das zugrunde liegende Konzept könne aber auch für andere CO2-Quellen verwendet werden, wie etwa die Zementherstellung. Die Chemieindustrie hat ihrerseits bereits einige Ideen, was sie Nützliches aus dem klimaschädlichen Gas herstellen könnte. So macht Covestro Materialien für Matratzen, Folien oder Kabelummantelungen teils aus CO2. Evonik will daraus Ethylen synthetisieren: die Grundlage für viele Kunststoffe. Und vielleicht sollen künftig weit mehr Schiffe und Züge mit Methanol statt mit Diesel fahren.

 

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen