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Habeck macht Tempo bei LNG-Terminals

5. Mai 2022

Deutschland versucht, schneller unabhängig von russischem Erdgas zu werden. Ein erstes Terminal für Flüssigerdgas entsteht in Wilhelmshaven. Schon zum Jahresende soll dort Gas angeliefert werden.

Deutschland LNG Terminal Wilhelmshaven | Habeck
Minister Habeck beim Besuch eines LNG-Terminals in WilhelmshavenBild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Die Bundesregierung drückt beim Aufbau einer Infrastruktur zum Import von Flüssigerdgas (LNG) aufs Tempo. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck unterzeichnete am Donnerstag Pachtverträge für vier schwimmende Terminals, sogenannte Floating Storage and Regasification Units (FSRU). Die erste dieser schwimmenden Plattformen soll noch bis Jahresende in Wilhelmshaven in Betrieb gehen. Am Donnerstag erfolgte dort auch der erste Rammschlag für einen Anleger, an dem die LNG-Tanker festmachen sollen.

"Wir haben eine gute Chance, das zu schaffen, was eigentlich in Deutschland unmöglich ist: Innerhalb von etwa zehn Monaten ein LNG-Terminal zu errichten, und es anzuschließen an die deutsche Gasversorgung", sagte Habeck in Wilhelmshaven.

Neben der Bundesregierung und dem Land Niedersachsen geht bei den Planungen zum Bau von Terminals auch der Energiekonzern Uniper in die Offensive. Das Düsseldorfer Unternehmen kündigte am Donnerstag in der niedersächsischen Hafenstadt an, als Errichter und Betreiber des Terminals 65 Millionen Euro zu investieren.

Der Bund und das Land unterzeichneten eine Absichtserklärung zum Ausbau der LNG und Green Gas-Importinfrastruktur in Niedersachsen. Weil in Wilhelmshaven bereits im Winter Flüssiggas eintreffen soll, hat die Regierung ein Beschleunigungsgesetz zur Abkürzung der sonst nötigen Genehmigungen auf den Weg gebracht. Es soll in den nächsten Tagen vom Kabinett beschlossen werden.

Baustart für das schwimmende LNG-Terminal am 5. Mai in Wilhelmshaven Bild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Nägel mit Köpfen nach Jahren der Untätigkeit

LNG spielt eine wichtige Rolle bei den Plänen der Bundesregierung, Deutschland unabhängiger von russischen Gaslieferungen zu machen. Bundeswirtschaftsminister Habeck unterzeichnete in Wilhelmshaven Verträge zur Charterung von vier Spezialschiffen, die das Flüssiggas selbst wieder in Gas-Form bringen können. Das ersetzt den langwierigeren Bau von kompletten Terminals.

Die Bundesregierung will diese Floating Storage and Regasification Units (FSRU) anschaffen, um damit bereits vor dem Bau fester Terminals LNG umschlagen zu können. Sie will dafür knapp drei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Das Bundeswirtschaftsministerium mietet nach eigenen Angaben je zwei Schiffe von den Anbietern Höegh und Dynagas. Der Betrieb der Schiffe erfolge durch die Versorger RWE und Uniper, mit denen der Bund jeweils Dienstleistungsverträge schließe. RWE teilte mit, die Betriebsverantwortung von zwei Schiffen zu übernehmen.

Kritik von Umweltschützern

Die Schiffe können LNG von LNG-Tankern aufnehmen, in den gasförmigen Aggregatzustand zurück verwandeln und in das Gasnetz einspeisen. Die Planungen sehen Uniper zufolge vor, dass in Wilhelmshaven im Winter bereits eine der schwimmenden Anlagen zum Einsatz kommt. Diese soll an das 28 Kilometer entfernte Erdgasleitungsnetz und damit auch an den Erdgasspeicher Etzel angebunden werden. Die Anbindung treibt derzeit der Konzern Open Grid Europe voran. Mit einer Kapazität von bis zu 7,5 Milliarden Kubikmeter pro Jahr sollen künftig 8,5 Prozent des deutschen Erdgasbedarfs in Wilhelmshaven angelandet werden.

Flüssiggas-Betankung eines LNG-Schiffs in Katar: Das Emirat soll künftig mehr Erdgas nach Deutschland liefern Bild: picture-alliance/dpa/Tim Brakemeier

LNG-Projekte gibt es auch in Brunsbüttel mit Unterstützung von RWE und in Stade mit Hilfe von EnBW und in Rostock. Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) kritisierte das Vorgehen in Wilhelmshaven und forderte Bundesumweltministerin Steffi Lemke zum Einschreiten auf. "Die LNG-Nutzung widerspricht dem Klimaneutralitätsziel der Bundesregierung", erklärte Bundesgeschäftsführerin Antje von Broock.

Statt politischer Schnellschüsse brauche es ein belastbares Konzept für den Import erneuerbarer Energien. "Weder Landesregierungen noch die Bundesregierung sollten in blinden Aktionismus verfallen, sondern Sorgfalt walten lassen." Der Baustart des LNG-Terminals in Wilhelmshaven erfolge, ohne das eigentliche Genehmigungsverfahren abzuwarten.

Habeck warnt Deutsche Umwelthilfe

Als Reaktion auf einen von der Deutschen Umwelthilfe geforderten Baustopp war Habeck am Vorabend in einem Fernsehinterview deutlich geworden: "Sollten wir die LNG-Terminals nicht haben, und sollte das Gas nicht aus Russland kommen, ist die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht gewährleistet." Fehlende Importkapazitäten wären dann ein Problem. "Im Zweifelsfall bringt uns eure Klage in größere Abhängigkeit von Putin", sagte er in Richtung der Umwelthilfe. "Das solltet ihr nicht tun an dieser Stelle."

Deutschland importiert derzeit noch etwa 35 Prozent seines benötigten Gases über Pipelines aus Russland - bis 2021 lag der Anteil noch bei rund 55 Prozent. Die Regierung schätzt, dass trotz des Baus der Flüssiggas-Terminals noch bis 2024 russisches Gas benötigt wird. Bei einem Stopp der Lieferungen würden in Deutschland vor allem Firmen mit weniger Gas versorgt werden - Privathaushalte sollen dann bevorzugt werden.

tko/ bea (rtr, dpa, afp)

 

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